interessant, wie klatsch und tratsch sich in geschriebener form generieren, wenn sie ins internet gelangen. früher wurden die lästereien über den gartenzaun oder in der kantine ausgetauscht. heute finden sie sich in blogs und foren wieder.
das niveau des lästerns hat sich trotz technisierung der kommunikation nicht verändert. wer sich ein wenig in den blogs umschaut findet äußerungen wie: „das habe ich dir doch im vertrauen geschrieben. du hast mich hintergangen und es hier in den blog gesetzt. das ist scheisse.“ oder im technikforum: „lern doch erst einmal wie das updaten funktioniert und stell dann hier deine fragen.“
nettigkeiten, die zumindest eine emotionale involviertheit vermuten lassen. aber was macht die menschen glauben, dass dies anderen genauso gehen sollte? sucht man doch im technikforum eher technische ratschläge und keine verhaltensbelehrungen. oder möchte man im blog interessante links zu anderen informationsquellen finden, aber nicht unbedingt beziehungsschelte.
und plötzlich scheint das netz, das web 2.0 ganz klein, obwohl sich die konflikte über die ganze welt verbreiten. man kommt sich vor, wie früher im provinziellen, muffigen wohngebiet, in dem einen die nachbarn ganz genau beobachteten, wie man sich verhält. passt es ins soziale gefüge oder driftet es ab. wer glaubt, das web gebe automatisch eine freiheit, die bisher nicht da gewesen sei, sieht sich getäuscht. emotionen schaukeln sich genauso hoch, wie im alltag, wenn nicht noch stärker, da das netz der feigheit den perfekten raum bietet. kann ich mir doch ohne probleme eine anonyme identität zulegen, die es mir erleichtert entweder in die vollen des konflikts zu gehen, was ich mich im alltag gar nicht trauen würde, oder andere anzuschwärzen.
große webspace-anbieter bauen auf die saubermänner, die seiten melden, die ihrem geschmack widersprechen. das muss solche formen annehmen, dass es zum beispiel den hiv-präventionsseiten der offiziellen gesundheitsbehörde der usa nur möglich als schutz vor einer infektion an erster stelle die askese und abstinenz zu stellen. also keinen sex zu haben, schützt vor einer infektion. nach informationen zu sexualpraktiken und übertragungswegen sucht man erst einmal vergeblich.
doch was löst diese emotionalen eruptionen bei den Schreibenden aus? ein teil scheint aus langeweile heraus zu entstehen. das war in der provinz nicht anders, wenn die nachbarsfamilie den ganzen tag zum fenster hinaus schaute und beobachtete, was auf der straße passiert. ein anderer teil resultiert aus einer form von neid, dass jemand etwas auf die beine gestellt hat, das anderen schwer fällt. aber der größte teil beruht auf den üblichen und menschlichen beziehungskonflikten. nur dass sie inzwischen in die welt hinausgetragen werden. anscheinend gibt dies der aussage mehr gewicht, oder der beziehung. doch es macht das web zu kleinpöseldorf, eventuell um den überblick über die virtuelle welt zurückzugewinnen, dabei ist er längst verloren. da ist es wieder, das beständige grundrauschen, das plötzliche augenblicke der neuen erkenntnis leichter zulässt.