Tagesarchiv: 21. Mai 2008

schreibidee (19)

bis jetzt wurden hier die großen gefühle ausgespart. oder modern ausgedrückt, die emotionen, die bei jedem schreiben eine rolle spielen. darum konzentriert sich die schreibidee auf die intensiven stimmungslagen.

das lässt sich recht einfach umsetzen. fordern sie die teilnehmerInnen der schreibgruppe auf, assoziationen in den raum zu rufen, die ihnen entweder zu einer vorgegebenen empfindung einfallen oder zu mehreren. nehmen sie eines oder mehrere folgender gefühle: angst, wut, trauer, freude, liebe, glück (obwohl glück nicht immer ein gefühl sein muss).

sammeln sie die assoziationen an einer tafel oder auf einem flipchart. nun wählen sich die teilnehmerInnen die assoziation aus, die ihnen am besten gefällt und verfassen in verbindung mit dem dazugehörigen gefühl einen text. anschließend werden die texte vorgetragen. dabei können viele emotionen bei den teilnehmerInnen ausgelöst werden. dessen sollten sie sich bewusst sein, wenn sie diese schreibidee umsetzen. wenn zum beispiel 10 menschen etwas zu trauer vortragen kann dies eine sehr traurige schreibgruppe werden. der mix verschiedener gefühle als schreibanregung kann die stimmung in der gruppe eventuell ein wenig entspannen. achten sie bei dieser übung aber vor allen dingen darauf deutlich zu machen, dass niemand seinen text vorlesen „muss“.

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wer hat hier eigentlich die informationshoheit? – ein kommentar

gestern erschien in der süddeutschen zeitung ein kleiner aber interessanter artikel über äußerungen des bundesverbands der deutschen industrie (bdi) zu den plänen von ard und zdf, ihre mediatheken auszubauen. sz vom 20ten mai, s.17.

bis jetzt habe ich hier zwar so manchen kommentierenden text geschrieben, aber es gibt momente, da kann man seine tastatur nicht mehr halten:

also, der bdi versucht den öffentlich-rechtlichen medienanstalten vorschriften zu machen, was sie wie veröffentlichen sollen. dabei versteigt er sich zu der aussage „die bestehende vielfalt privater angebote erfordert keine zusätzlichen gebührenfinanzierten angebote.“ (zitat in der sz). entschuldigung, aber hat eigentlich mal jemand mich, sowohl als gebührenzahler, denn auch als nutzer gefragt? also die vielfalt privater angebote ist gelinde geschrieben unsäglich, vor allen dingen, was die sender und ihr informationsangebot (besser gesagt „infotainment“) angeht. der bdi bezieht sich zwar erst einmal auf überlegungen, dass keine weitere online-tageszeitung notwendig wäre. doch dann versteigt er sich in die forderung, dass spielfilme nur 24 stunden online zur verfügung stehen sollten, unterhaltungsformate maximal drei tage und bei information und bildung maximal sieben tage.

hier will mich jemand doof machen. was das ergebnis werbefinanzierter nachrichten ist, kann man auf allen privaten sendern sehen. das sind keine nachrichten mehr. auch die sogenannten bildungssendungen oder reportagen erschöpfen sich meist in unerträglicher effekthascherei. schlimm genug, dass die öffentlich-rechtlichen sendeanstalten in manchen programmsparten nachziehen, aber noch schlimmer, das mir diese informationen beschnitten werden sollen. es gibt einen grundgesetzlich verankerten informationsauftrag, der nicht werbefinanziert sein sollte, und der die ganze bevölkerung versorgen soll. und wenn sich die gesellschaft in das internet und web 2.0 verlagert, was der bdi sicherlich nicht schlecht findet, dann sollten auch öffentliche einrichtungen nachziehen. wenn sich diese vorgeschlagenen beschränkungen politiker zu eigen machen, dann fragt man sich, auf welchem informationsniveau sie ihre bevölkerung eigentlich halten wollen. es ist nur zu hoffen, dass man den bdi erst einmal fragt, was er denn für die umfassende bildung der bevölkerung tut und inwieweit er die zur verfügung gestellte arbeitskraft und das auch mit öffentlich-rechtlicher hilfe erlangte wissen angemessen entlohnt.

schön bei der ganzen diskussion ist die tatsache, wie groß die angst vor der konkurrenz, also vor dem verbraucher ist. sollte es doch möglich sein, dass sich qualität durchsetzt?

„stilübungen“ – ein buchtipp

ein kleines schlichtes büchlein bietet über einhundert anregungen, wie man einen text verfassen kann. geschrieben wurde es von raymond queneau und heißt schlicht „stilübungen„. ausgangslage ist folgenden geschichte:

im autobus der linie s, zur hauptverkehrszeit. ein kerl von etwa sechsundzwanzig jahren, weicher hut mit kordel anstelle des bandes, zu langer hals, als hätte man daran gezogen. leute steigen aus. der in frage stehende kerl ist über seinen nachbarn erbost. er wirft ihm vor, ihn jedesmal, wenn jemand vorbeikommt, anzurempeln. weinerlicher ton, der bösartig klingen soll. als er einen leeren platz sieht, stürzt er sich drauf. zwei stunden später sehe ich ihn an der cour de rome, vor der gare saint-lazare wieder. er ist mit einem kameraden zusammen, der zu ihm sagt: „du solltest dir noch einen knopf an deinen überzieher nähen lassen.“ er zeigt ihm wo (am ausschnitt) und warum.

soweit die angaben zur geschichte, zu finden unter der überschrift „angaben“. und dann folgt die gleiche geschichte in den verschiedensten varianten, wie verdoppelung, metaphorisch, überraschungen, wortschnitzeljagd, zögern, erzählung, amtlicher brief…

es ist erstaunlich, mit wie wenigen handwerklichen griffen queneau es schafft, die geschichte neu und verändert zu erzählen. das buch ist eine wunderbare anregung für stilistische selbstübungen zu einer begebenheit, die man vielleicht selber erlebt hat.

zu finden ist das buch bei der bibliothek suhrkamp, frankfurt am main. ISBN 978-3-518-22419-9