Tagesarchiv: 15. September 2008

kreatives schreiben und vorlesen

der nächste schritt, nachdem die ersten eigenen texte entstanden sind, besteht darin, sie zumindest in der schreibgruppe oder -werkstatt vorzulesen. für viele besteht erst einmal eine große hemmung, die eigenen texte anderen vorzustellen und der kritik auszusetzen. man hat eine menge eigene gedanken in den text einfließen lassen und was passiert, wenn diesen viele andere doof finden. dieser gedanke kann sehr bestimmend werden, was gern zu relativierenden statements führt, bevor der text vorgelesen wird.

„ich weiß nicht, aber ich bin nicht ganz zufrieden mit dem text.“ “ ich habe das mal schnell so runtergeschrieben.“ “ der text ist noch nicht überarbeitet.“ „am schluss fand ich meine idee selber nicht mehr so gut, aber dann hatte ich keine zeit mehr, eine neue geschichte anzufangen.“ so oder ähnlich klingen dann manche statements. sie sollen einen selbstschutz vor heftiger kritik bieten. abgesehen, dass dies meist nicht funktioniert, wenn wirklich kritik geübt wird, kann die reaktion der zuhörend oft auch eine ganz andere sein. leider hinterlassen die vorformulierungen immer einen beigeschmack von „fishing for compliments“, zwingen sie doch oft genug die anwesenden zu der bemerkung: „dafür ist der text aber ganz gut geworden.“

sinnvoller scheint es, einfach ins kalte wasser zu springen. es kann davon ausgegangen werden, dass alle anderen teilnehmerInnen von schreibgruppen zum beispiel die gleiche zweifel plagen, bevor sie ihre texte vortragen. um die sicherheit beim vortragen ein wenig zu erhöhen, macht es sinn, wenn die zeit dafür vorhanden ist, sich selbst den text mehrmals laut vorzulesen. gute freundInnen oder beziehungspartnerInnen sind auch immer wieder gern bereit dazu, die ersten zuhörerInnen zu sein. auch hier geht es erst einmal nicht um eine bewertung des textes, sondern um die frage, ob das vorlesen relativ flüssig klappt und ob die stimme eine gewisse lautstärke bietet. nichts ist schwieriger zu verstehen, als ein hingehauchter text. um diesen unsicherheitsfaktor zu umgehen, hilft der vormalige vortrag. denn alle sind vorher schon genug aufgeregt, bevor sie in größerer runde ihre texte vortragen, da sollte nicht auch noch die stimme zu schaffen machen.

begibt man sich mit seinen texten an die öffentlichkeit, eine schreibgruppe ist ja auch noch ein geschützter raum, dann kommt so etwas wie lampenfieber auf. dies zu bekämpfen scheitert meist. wahrscheinlich macht einzig der gedanke sinn, dass man den vortrag das letzte mal auch überlebt hat. aber irgendwann muss der sprung ins kalte wasser irgendwann einmal erfolgen. also, lest euch frei 😛

übrigens ist es hilfreich den text in großer schrift auszudrucken, damit man sich beim vorlesen nicht verhaspelt und in der zeile verrutscht. und die lesebrille nicht vergessen 😮

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schreibpädagogik und lust am schreiben

in den letzten beiträgen zur schreibpädagogik in diesem blog ging es immer wieder um mögliche konflikte und schwierigkeiten in schreibgruppen. es ist an der zeit, mal die andere seite zu zeigen. denn schreibgruppen bergen tolle chancen in sich.

einer der wichtigsten gründe für die teilnehmerInnen, eine schreibgruppe aufzusuchen, besteht sicherlich darin, andere menschen zu treffen, die auch große lust am schreiben haben. ist das schreiben eigener texte doch eine sehr interessante form, sich selbst auszudrücken. und einmal „blut geleckt“, lässt es sich schwer wieder aufgeben. es mögen zwar schreibblockaden dazwischen kommen, aber der drang schreiben zu wollen verschwindet bei vielen nie mehr vollständig.

gleichzeitig werden menschen, die gern schreiben, von ihrer umwelt nicht selten kritisch beäugt. das war hier schon einmal thema, als es darum ging, wieweit das ständige schreiben eine beziehung belasten kann. das kreative schreiben wird nicht selten in die schublade „kunst und kultur“ gesteckt. und das ist eine höchst verdächtige schublade in den augen vieler. auf der einen seite liest man zwar gern bücher, aber selber schreiben, da muss jemand nicht ausgelastet sein. es wird gern abwertend über das schreiben gesprochen, vielleicht auch, weil man es gern selber können möchte. ein hauch von neid kann mit im spiel sein.

der vorteil des kreativen schreibens besteht jedoch darin, dass alle, die lust haben, für sich einen weg und die entsprechenden techniken finden können, um ins schreiben reinzukommen. von außen betrachtet werden die möglichkeiten unterschätzt, welche fähigkeiten in diesem zusammenhang alle menschen besitzen. viele glauben nicht an ihre eigenen ideen. das kreative schreiben kann helfen, diese freizulegen und auf papier oder in den computer zu bringen. allein es fehlt die traute. hier kann nur empfohlen werden, einfach mal eine schreibgruppe aufzusuchen. es steht einem ja frei, wenn man merkt, dass es doch nicht so funktioniert, wie man sich das vorgestellt hat, alles wieder sein zu lassen. doch der erste schritt wird gern selbst eingeschränkt, in dem glauben, die anderen, die in den schreibgruppen anwesend sind, seien sehr viel versierter. es braucht seine zeit, bis menschen erkennen, dass die ideen beim schreiben so verschieden sind, dass man gar nicht groß in konkurrenz zueinander treten muss. außerdem ist es ein sehr angenehmes gefühl, den eigenen bedürfnissen und der eigenen lust am schreiben zu folgen. und selbst wenn daraus nicht das erträumte schriftstellerInnen-leben wird, so kann es doch zu texten führen, die guten freundInnen gefallen oder dem eigenen urteil standhalten. allein dafür lohnt sich ein versuch.

wortklauberei (6)

„mit dem wort links habe ich keine berührungsängste“

am samstag, den 13ten september war ein langes interview mit dem amtierenden außenminister steinmeier in der süddeutschen zeitung mit folgendem satz übertitelt: „mit dem wort links habe ich keine berührungsängste„. daraus ergeben sich einige fragen.

wie kann man mit einem wort in berührung kommen? eigentlich sollte man mit keinem wort berührungsängste haben, wenn man die sprache ungehemmt verwenden möchte. wichtiger als die berührung scheint doch der kontext, in dem das wort verwendet wird. der satz scheint als ausflucht davor, wirklich position zu beziehen und ergibt in der folge keinen sinn. denn ich kann sagen „links sein ist scheiße“ und ich kann sagen „links sein ist toll“. in beiden fällen fiel die berührung nicht schwer. selbst so fürchterliche wörter wie „kollateralschaden“ und „rechtsradikalismus“ müssen keine angst auslösen, wenn sie angemessen verwendet werden.

was wollte uns der außenminister also damit sagen? er sagt nicht, dass er seine eigene position als links definieren würde. er sagt auch nicht, dass er eine linke politik anstrebt. genausowenig teilt er in dem moment mit, dass er nur rechts abbiegt, weil er links nicht mag. wahrscheinlich lässt sich seiner auffassung nur durch den ausschluss von dem, was er nicht gesagt hat, annähern. so hätte er auch sagen können: „ich habe keine probleme damit, das wort links in den mund zu nehmen.“ hier ist sie wieder, sie seltsame berührung mit den worten. wie kann man ein wort in den mund nehmen? beide ausdrücke machen worte zu gegenständen. und zeigen nur an, dass man keine eindeutige aussage treffen möchte. es deutet an, dass man sich der vergegenständlichten haltung und position vielleicht annähert. denn sonst hätte herr steinmeier gesagt: „ich bin ein linker.“ so sagt er aber nur, er kann sich vorstellen über links zu reden. auch diese aussage ist doppeldeutig und muss im kontext des interviews gesehen werden. es handelt sich zum beispiel nicht um „internet-links“, die steinmeier meint. aber es ist ein perfekter ausdruck von „politsprech“, keine aussage zu treffen, noch nicht einmal eine haltung zu vermitteln. er hat nur keine angst das wort zu verwenden. wie er es in zukunft verwenden wird weiß kein mensch.