Tagesarchiv: 27. Februar 2009

biografisches schreiben und lücken

man erinnert sich nicht an alles. beim versuch seine eigene lebensgeschichte aufzuschreiben, helfen zwar verschiedene vorgehensweisen, sich immer mehr ereignisse wieder ins gedächtnis zu rufen, doch es wird bei jedem menschen auch eine ganze menge lücken geben, an die man sich nicht mehr genau erinnern kann.

das fängt meist schon damit an, dass menschen sich an sehr verschiedene altersabschnitte in ihrer kindheit erinnern. manch einer kann sich bis ins früheste kindesalter zurückerinnern, manch andere nur an die schulzeit. bei den frühen erinnerungen ist sowieso vieles mit vorsicht zu genießen, da sich gern familienerzählungen mit eigenen erinnerungen vermischen.

auch andere erinnerungen können natürlich nicht mehr ganz der realität entsprechen, da das gehirn zwischenzeitlich gern die lücken, die vorhanden sind, mit fantasie oder erzähltem ausfüllt. anschließend wieder die trennung zu machen, was denn nun tatsächlich geschehen ist und was man sich „einbildet“ ist oft schwer, wenn zum beispiel keine tagebücher oder andere aufzeichnungen vorhanden sind. doch die umgangssprache bietet in diesem zusammenhang die lösung: „mut zur lücke„.

es wird sich mit großer wahrscheinlichkeit keine biografie lückenlos nachvollziehen lassen. es wird auch keine biografie ausschließlich „wahr“ sein. jede geschriebene lebensgeschichte wird auslassungen und zufügungen beinhalten. solang man sich nicht selber dazu antreibt, lügengeschichten wie münchhausen zu schreiben, tut dies dem ganzen werk keinen abbruch. denn das wichtigste ist sicherlich das gesamtbild. zumindest sollte man sich davor hüten, sich selbst dafür zu verurteilen, wenn man sich ob der informationen unsicher ist. das setzt nur unnötig unter druck. es ist eine idealisierung des menschen, zu glauben, man könne jede verdrängung auflösen und sich selber allem bewusst werden. verdrängung bedeutet auch selbstschutz. solang nicht geleugnet wird, zum beispiel in einer diktatur eine unrühmliche rolle eingenommen zu haben, ist alles nur menschlich.

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nabelschau (06)

 

du sprichst mit menschen, plötzlich greifen sie in ihre hosentasche, wenden ihren blick von dir ab und schielen auf das display ihres handys, das sie gerade hervorgeholt haben. wenn man sie dann fragt, ob sie verstanden haben, was man gerade gesagt hat, erklären sie, natürlich hätten sie die ganze zeit zugehört. fragt man genauer nach, stellt sich heraus, dass sie nur die hälfte des zuletzt gesagten mitbekommen haben. „aber es war eine ganz wichtige sms, auf die ich schon die ganze zeit gewartet habe.“

du sitzt in einer sitzung, ein handy liegt auf dem tisch. ihr besprecht nicht ganz unwichtige dinge. es klingelt. ein teilnehmer der sitzung geht dran und meint: „du, kannst du noch einmal in einer stunde anrufen, dann bin ich hier fertig.“. kaum weitergemacht, klingelt es schon wieder, gleiche prozedur, gleiches gespräch. das ganze geschieht noch ein drittes mal, inzwischen verdrehen alle anderen teilnehmerInnen der sitzung die augen. die lapidare reaktion ist: „ich erwarte einen dringenden anruf!“, der dann auch irgendwann endlich kommt. die alternative, die festnetznummer des raumes durchzugeben oder beim klingeln des handys den raum zu verlassen, wird nicht in betracht gezogen. man ist wichtig, es ist wichtig.

du sprichst mit einem mitarbeiter. plötzlich ertönt ein metallisches piep-klingel-geräusch, das ein wenig an den kommunikator in „raumschiff enterprise“ errinnert. du fragst im raum nach, was das war. „nur eine sms.“ auch der mitarbeiter greift zu seinem handy, liest, tippt etwas nebenher ein. ihr sprecht weiter miteinander. abermals dieses geräusch. du sagst: „da ist schon wieder eine sms.“ er erklärt, dass es keine sms wäre, er chatte. toll!, denkst du, zwei gespräche gleichzeitig, ein virtuelles und ein reales. ab diesem moment bist du dir sicher, dass dir dein mitarbeiter die ganze zeit nicht richtig zugehört hat.

die selbstüberschätzung der besitzerInnen von handys ist außergewöhnlich groß. Weiterlesen