jeder mensch hat seine geheimnisse, die niemand anderes kennt. daran ist nichts verwerfliches oder problematisches, nein sie sind teil der eigenen identität. schwieriger wird es aber mit so genannten „lebenslügen“. sie bedeuten, dass nach außen, anderen menschen gegenüber etwas vorgegaukelt wird, eventuell sogar sich selber gegenüber, was nicht der eigenen einstellung und manchen eigenen handlungen entspricht. lebenslügen sind oft gekoppelt an die doppelmoral.
beim biografischen, also der aufschlüsselung der eigenen lebensgeschichte, lässt es sich kaum vermeiden, mit seinen eigenen lebenslügen konfrontiert zu werden. hier besteht zumindest die selten gelegenheit, sie sich vor augen zu führen und zu notieren. das bedeutet nicht, dass sie in die eigene biografie, die veröffentlicht oder anderen zugänglich gemacht werden soll, einfließen müssen. doch die chance, einmal genauer hinzuschauen, wo man anderen oder sich selbst unrecht getan hat, sollte nicht ungenutzt an einem vorüberziehen.
wenn man so etwas wie hier oben schreibt, muss man aufpassen, dass dies nicht nach einem generalverdacht klingt. menschen neigen nicht selten dazu, wenn sie einmal mit der suche nach „wahrheiten“ anfangen, gleich das kind mit dem bade auszuschütten. nicht jeder mensch trägt dinge mit sich herum, die unbedingt offen gelegt werden sollten. nicht überall versteckt sich eine lebenslüge. hier ist auch etwas toleranz sich selbst gegenüber gefordert. es gab im leben eines menschen viele gute gründe für das jeweilige verhalten. oder man rutschte in eine haltung, die man schwer vor sich aufrecht erhalten konnte, man vertrat sie aber weiter.
das biografische schreiben bietet in diesem moment die möglichkeit von ausführlichen analysen der gründe und aufschlüsselungen der haltungen. dies kann einem selber zugute kommen, indem man anderen eine begründung offerieren oder sich bei ihnen entschuldigen kann. dieser aspekt des biografischen schreibens ist eigentlich ein angenehmer, da er befreiende Wirkung haben kann. denn eines ist allen lebenslügen gemein, sie sind sehr anstrengend.