Tagesarchiv: 14. Mai 2009

wortklauberei (38)

„sei welt
  sei meister
  sei berlin“

juhuuu, ein wortspiel. und was für eines flimmert einem nach getaner arbeit auf den bildschirmen in der u-bahn entgegen. „sei begeistert“ möchte man rufen, auch wenn viele die aussage überhaupt nicht verstehen werden. aber sport wird seit eh und je der raum gegeben, den er nicht verdient hat. so auch in der werbung für die stadt berlin. immerhin soll der obige spruch ja nicht die berliner besänftigen, dass im august wahrscheinlich wieder das verkehrschaos über sie hereinbrechen wird, sondern die touristen davon überzeugen, dass sie nach berlin kommen.

doch weshalb ist dann berlin welt? bezieht sich das auf die multikulturalität der stadt? bezieht es sich auf anstehende meisterprüfungen in den verschiedenen handwerksberufen? und was bedeutet es „berlin zu sein“? eigentlich müsste der spruch „sei welt, sei meister, sei berlin“ noch erweitert werden um „sei leicht“ und vor allen dingen um „sei athlet“, erst dann erschließt sich, was der kleine spruch uns sagen wollen können dürfte.

man kann alles auch anders verstehen: „weltmeister berlin“, aber worin? bis jetzt in nichts, ist es doch eine aufforderung, die dort ausgestrahlt wird. also bemühen wir uns berlin zu sein, meister zu werden und irgendwie größenwahnsinnig welt zu sein. nur weil man hier so eine schrubbelige tourismusbörse und einen karneval der kulturen hat, kann man doch nicht der meinung sein, gleich die ganze welt zu sein. und auch wenn ein amerikanischer präsident einmal gerufen hat „ich bin ein berliner“, bedeutet dies noch lange nicht, dass alle präsidenten der welt so etwas rufen würden. also doch der berliner größenwahn in reinkultur als auffordernder spruch.

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biografisches schreiben und tägliche rituale

der mensch sei ein gewohnheitstier ist eine behauptung, die nur so lange aufrecht zu erhalten ist, so lange er an arbeitszeiten und öffnungszeiten gebunden ist. einzig unveränderlich scheint vielen der schlafrhythmus. haben sie einmal ihren rhythmus gefunden, sollte er nicht zu oft verändert werden. und so stattet der mensch oft seinen tagesablauf mit ständig wiederkehrenden ritualen aus. diese behalten viele menschen auch nach ihrem arbeitsleben aufrecht, da sie dem tag eine struktur geben

bei der betrachtung der eigenen lebensgeschichte sollte ein blick auf den tagesablauf geworfen werden. denn so ein ablauf sagt viel zu den möglichkeiten im laufe des lebens aus. bietet das eigene leben zeit für muße? wie oft ermöglicht der eigene tagesablauf soziale kontakte zu anderen? sind diese sozialen kontakte überhaupt erwünscht oder hat man lieber seine ruhe? und wie wird die ruhe gestaltet? um dies alles zu erfassen, kann eine ganz schlichte übung durchgeführt werden. man notiert für jede halbe stunde eines tages, was man meist zu dieser zeit macht oder machte.

dann kann man zum beispiel notieren, ob zeiten für das essen sich täglich wiederholen, wieweit ein blick in bücher, tageszeitungen oder andere medien möglich sind, wann man zum schreiben kommt. der blick auf den eigenen tagesablauf kann dann noch unter einem anderen aspekt betrachtet werden: was hätte man denn gern geändert? wie sollte der ideale tagesablauf aussehen? und vor allen dingen, auf welche rituale möchte man auf keinen fall verzichten?

je mehr man ins detail geht, umso leichter lassen sich die eigenen rituale aufspüren. muss zum beispiel erst der hund rausgelassen werden, bevor man sich zum mittagessen setzt. und interessant scheint die frage, wie wichtig einem überhaupt struktur im leben ist? möchte man einen festen tagesablauf haben? wie würde es sich für einen anfühlen, wenn alles flexibler gehandhabt würde? wäre dies eine bedrohung oder eine befreiung? viele weitere aspekte können sich aus einem notierten tagesablauf ergeben.