Tagesarchiv: 9. Juni 2009

biografisches schreiben und fehlverhalten

gern ausgeklammert bei der betrachtung der eigenen vergangenheit werden momente, in denen man sich nicht fair verhalten hat, eventuell sogar anderen menschen schadete. dabei kann wahrscheinlich jeder mensch in der kindheit anfangen, als er in der kita oder in der schule andere kinder hänselte, sie neckte oder vor anderen bloßstellte. es ist nicht neu, dass kinder ganz schön grausam sein können, und selten hat dieses unbeholfene einüben von sozialem verhalten jemand ausgelassen.

auf der zeitlinie des eigenen lebens lässt sich dieser gedanke weiter verfolgen. dabei fallen vielleicht die ersten partnerschaften ein, in denen man das gegenüber nicht besonders nett behandelt hat. oder man befand sich im konkurrenzkampf in der schule, in der ausbildung oder im studium. wie war das noch mal, als in der bibliothek die wichtigen stellen der lehrbücher geschwärzt wurden oder seiten rausgerissen (so etwas gibt es wirklich)?

dann gibt es da das thema klatsch und tratsch. wann hat man anvertraute geheimnisse ausgeplaudert oder über andere schlecht geredet? auch davor ist wahrscheinlich niemand gefeit. es gibt so viele lügen, die lang aufrechterhalten werden, um das gesicht nicht zu verlieren. im ersten moment würde wahrscheinlich jeder mensch von sich sagen, dass er sich so nie verhalten hat. im zweiten moment wird man erkennen, dass dies wohl die erste lüge ist.

es geht beim schreiben der eigenen lebensgeschichte und biografie natürlich nicht darum, in selbstgeißelung zu verfallen und letzte geheimnisse zu veröffentlichen. aber es kann bei genauerer betrachtung einem selbst offenbaren, dass vielleicht nicht alles so perfekt war, wie man es im ersten moment gern darstellen würde. dazu gehört natürlich auch die enttäuschung, von anderen nicht fair behandelt worden zu sein. aber vielleicht zeigen einem all die kleinen verfehlungen und verletzungen, wieweit das eigene leben auch dadurch beeinflusst wurde. und wie solche verhaltensweisen sich durch die „altersweisheit“verflüchtigt haben, da manche idealisierungen an stärke verloren haben.

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kreatives schreiben und putzen

viele menschen, die gern für sich schreiben möchten oder schreiben müssen, kennen die situation, ausweichhandlungen vorzunehmen. eine der beliebtesten strategien ist es, die wohnung aufzuräumen und von oben bis unten zu putzen. just in dem moment, in dem sie sich an den schreibtisch setzen wollen, fällt auf, dass noch geschirr gespült werden müsste, das eine fenster so dreckig erscheint und das sonnenlicht nur noch gedämpft hereinlässt und dass es längst mal wieder an der zeit wäre, den zeitungsstapel auszusortieren. so sind dann im anschluss die wohnung tiptop aus, aber es wurde keine zeile geschrieben.

aber vielleicht kann man sich ja überlisten. einfach das putzen zum thema des schreibens zu machen. man kann zum beispiel in dem moment, in dem man anfängen möchte das geschirr zu spülen, ein freewriting zum thema geschirrspülen durchführen. oder man notiert sich akribisch, wie man beim geschirrspülen, wenn man keine spülmaschine hat, vorgeht. die mit spülmaschine beschreiben, wie sie sie einräumen, wie sie einzelne töpfe von hand spülen und was bei den einstellungen der spülmaschine zu beachten ist.

man kann dann noch einen schritt weitergehen und sich fragen, welche funktion putzen überhaupt hat. was es bedeutet, dreck zu produzieren und dann wieder zu beseitigen. in diesem moment kann man ins philosophische schreiben wechseln. oder man geht ein wenig psychologischer an die sache ran. man kann sich fragen, wie denn ein emotionaler frühjahrsputz bei einem selber aussehen könnte. was sollte endlich einmal aussortiert werden an persönlichen belastungen und was müsste aufpoliert werden, um sich wohler zu fühlen?

es kann dann noch eine kleine geschichte zum leben in bakterienkolonien verfasst werden, man kann sich fragen, wieweit man ohne die üblichen reinigungsmittel klar käme oder wie sinnvoll man die gesellschaftlichen reinigungsrituale findet. das ergebnis: eine etwas schmutzigere wohnung, aber endlich wieder geschrieben eigene texte.