selbsterkenntnis, ethik und moral

entdeckt der mensch sich, entdeckt er auch, was er gut und was er schlecht findet. vorher entdeckte er nur, was andere gut und schlecht finden. nun bedeutet das ergründen der eigenen haltung nicht, alles zu verwerfen, was andere vor einem schon entdeckt haben. es bedeutet nur, sich stück für stück ein eigenes bild zu machen. und das bild bekommt farben, formen, muster und begrenzungen. der mensch entwickelt seine subjektive ethik. sie versucht er zu vertreten, zu leben und anderen zu vermitteln. denn abermals vom grundsatz ausgehen, dass der mensch eigentlich gut ist, basiert bei vielen die ethik auf einer großen „menschlichkeit“, auf sozialer verantwortung und solidarität.

zur schwierigkeit wird ein anderes, ein nicht kontrollierbares machtgefüge, die anmutungen von außen. meine ethik, meine moral kann noch so gut begründet sein, kann den mensch noch so sehr hofieren, irgendwann stehe ich vor der entscheidung, ob ich sanktionen in kauf nehmen, um authentisch zu bleiben, oder ob ich einen kompromiss für mich finde. ein kompromiss ist nicht das schlechteste, denn nicht jede haltung kann ich allein auf meinem rücken tragen. ich finde mich in einer zwickmühle, die nur die widersprüche, die in der gesellschaft existieren, wiederspiegelt. verharre ich in meiner haltung, klinge ich auch schnell moralisch. bin der meinung alles besser zu wissen, als die anderen, die mich auffordern nachzudenken und eventuell etwas an meiner position zu verändern.

es ist nicht per se schlecht, stur zu bleiben. selbsterkenntnis und selbstwert verdienen respekt, können nicht einfach über den haufen geworfen werden. wer sich zum beispiel einmal entschieden hat, dass pazifismus die einzige möglichkeit ist, sinnlose kriegstreibereien zu überwinden, muss es wahrscheinlich auch aushalten, dass man ihm sagt, er sei naiv angesichts der weltlage und der bedrohung. und doch bleibt es für einen unvorstellbar, einen anderen menschen zu töten. natürlich kann man nie wissen, ob nicht eine aktuelle situation das eigene denken, die eigene haltung so stark in frage stellt, dass man anders handelt, entgegen der erkannten ethik und moral. aber die gedankliche vorwegnahme von eventuellen ereignissen kann nicht maßstab für eigene handlungen sein. denn das gedankenspiel wird immer spekulativ sein. aufgrund von spekulationen entscheidungen zu treffen, ist wie lotto spielen. die eigene erfahrung, auch ohne prügel und gewalt, bis jetzt ganz gut durch das leben gekommen zu sein, kann aber ein anhaltspunkt für zukünftiges verhalten darstellen.

erstaunlich zum beispiel dass sich die vorstellungen vom schutz des besitzes und eigentums beinahe widerspruchslos in unser soziales gewissen einfügt, aber nicht die vorstellung von der tötungshemmung gegenüber den anderen. wir nehmen in kauf, dass andere aufgrund unseres lebensstils verhungern. man stelle sich nur vor, verhungern. wie grausam muss das für einen menschen sein? aber es schein weit weg, die zusammenhänge zwischen uns und den hungernden schwer nachvollziehbar. also drückt unsere ethik einmal ein auge zu. auch der krieg entfernt sich immer weiter von uns. vor-vor-generationen können davon noch berichten, wie ihr alltag zwischen den kämpfen und toten aussah. sie wollten so etwas nie wieder erleben. und doch haben ihre kinder und kindeskinder nicht verstanden, wie groß das gut des „leben lassens“ ist. da scheint etwas schief gelaufen zu sein.

die eigentliche gefahr für ethik, moral und selbsterkenntnis besteht in der mächtigen verallgemeinerung. der versuch alle menschen ihres subjektiven standpunktes zu berauben und zu beschreiben. in diesem moment verliert jeder einzelne die möglichkeit, sich zu entwickeln, anhand des erlebten und erfahrenen sich zu verändern. man muss erst einmal auf die idee kommen, dass die eigenen erfahrungen auch auf alle anderen menschen übertragbar sein können und somit aus den eigenen ethischen und moralischen haltungen, allgemeingültige werden. dazu bedarf es einer gewissen macht. früher (aber auch heute noch) wurden gern götter vorgeschoben, für jeden lebensaspekt einer oder eine. irgendwann war man so weit, alles wichtige in einem gott vereinen zu können. er hält her, wenn unser soziales gewissen am alltag scheitert. hier ist jede entwicklung abgeschnitten, da der glaube ethik und moral in beton gießt.

selbsterkenntnis bedeutet nicht selten die entfernung von den sichtbaren und unsichtbaren göttern, hin zu einem selbstbewussten ich, von gottesfolgerInnen gern als frevlerisch und egoistisch bezeichnet. ja, die diagnose des größenwahns findet sich nicht selten gegenüber abtrünnigen eine glaubens an eine unfassbare macht. dabei ist macht so klar definiert und so eindeutig aufzuschlüsseln. größenwahn tritt erst dann zu tage, wenn ich aufhöre mich verstören und in frage stellen zu lassen. so lange ich im diskurs mit dem drumherum bleibe, so lange ich es schaffe, ab und zu eigene haltungen über den haufe zu werfen, so lang signalisiere ich, dass ich gern dazu lerne. das kann kein größenwahn sein. es wäre auch zu viel verlangt, per se über mich hinausdenken zu können. so scheinen gerade deshalb die götter allzu menschlich. keine schlechte sache, wenn sie nicht so viele regeln aufstellen würden und gleichzeitig dagegen verstoßen. selbsterkenntnis eröffnet das entwickeln eigener regeln, erlaubt auch dagegen zu verstoßen, fragt aber gleichzeitig nach, wie weit man gehen möchte. es scheint, als ob der graben zum größenwahn groß und breit ist. es ist noch nicht geklärt, wer ihn eigentlich immer mal wieder zuschüttet. irgendwie hat die angst ihre finger im spiel.

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