was soll in meiner biografie stehen?

wenn die entscheidung getroffen wurde, seine lebensgeschichte zu schreiben, steht auch schon die nächste an: für wen schreibe ich eigentlich? erst einmal sollte man davon ausgehen, man schreibt nur für sich. gerade bei der nabelschau ist es sinnvoll nicht gleich die leserInnen mitzudenken. biografisches schreiben ist in erster linie eine annäherung an sich selber. doch wenn dann überlegt wird, die eigene lebensgeschichte zu veröffentlichen, sollte man sich gut überlegen, was man von sich preisgeben möchte.

hier ergibt sich das übliche problem von veröffentlichenden schreiberInnen. was machen die leserInnen mit meinem text? man kann es nicht wissen. schon bei ergebnisse des kreativen schreibens kann ein unangenehmes gefühl in bezug auf die veröffentlichung auftreten. in jeden text fließt auch ein stück von mir selber ein. auch wenn ich nicht explizit biografisch schreibe, schöpfe ich doch aus meinen eigenen beobachtungen und erlebnissen. der text steht einem nahe. jede kritik daran, wird gern schnell als kritik an der eigenen person verstanden. es fällt vielen schwer in diesen momenten zu abstrahieren.

dessen sollte man sich bewusst sein, wenn man sich an die öffentlichkeit begibt. selbst wenn ich mich noch so ausführlich ausdrücke, werden leserInnen meine vollständigen beweggründe für eine geschichte, für eine lebensgeschichte nicht nachvollziehen können. ich sollte mich also von meinen geschichten verabschieden können, wenn ich an die öffentlichkeit gehe. bei biografischen texten liegt das private für alle interessierten offen, wenn ich es öffentlich mache. ich gebe viel von mir preis. kritik am geschriebenen kann darum um so stärker treffen. hier sollte man unterscheiden zwischen stilistischer kritik, die eine hilfe für die eigene schreibkompetenz sein kann, und der kritik am inhalt. der inhalt von biografien ist eigentlich nicht zu diskutieren, da das biografische schreiben einen subjektiven blick auf das erlebte darstellt. dem lässt sich nichts entgegensetzen. lässt man sich auf eine inhaltliche kritik ein, lässt man sich sehr schnell auf die diskussion um die eigene person ein. einzig die frage, ob eine lebensgeschichte zu viel ausblendet, verleugnet könnte diskussionswürdig sein. doch auch hier gilt, dass nur veröffentlicht wird, was autorInnen veröffentlichen wollen.

also schreibe ich beim biografischen schreiben wahrscheinlich zwei lebensgeschichten auf. zum einen die eigene, ganz persönliche, zum anderen, die mit den mitgedachten leserInnen. doch was möchte ich nun genauer beim schreiben betrachten. von außen kann man bemerken: am interessantesten für einen selber, aber auch für leserInnen sind die momente, in denen viele emotionen im spiel waren. es ist nicht sehr interessant zu erfahren, wann jemand morgens aufsteht, wenn man nicht gerade mit der person eine beziehung pflegt. aber es interessiert, was einen an der person anzog, mit der man sein ganzes leben verbrachte. es interessieren die momente, die das leben der schreibenden stark verändert und beeinflusst haben.

meist sind dies auch die momente, die in der erinnerung haften bleiben, außer sie waren so erschütternd und bewegend, dass sie nur durch verdrängungsleistungen zu bewältigen waren. das biografische schreiben bietet hier zwei möglichkeiten. zum einen worte für das erlebte zu finden, zum anderen das verdrängte seit langem das erste mal wieder zu benennen. es gibt keinen zwang zur selbstanalyse beim schreiben, die letztendliche entscheidung liegt immer bei den schreibenden. aber wie schon geschrieben, ein schlichtes tagesprotokoll findet niemand interessant. und noch einmal die bemerkung: nicht das interesse der leserInnen steht im vordergrund. in erster linie ist es mein interesse an mir selbst, das die grundlage für das biografische schreiben bildet. finde ich mich nicht interessant, macht das schreiben auch keinen sinn.

und wenn man genau hinschaut, dann ist jeder mensch interessant. also kann auch jeder mensch ein interesse an sich selber und seinen interessen entwickeln. die aussage „ich habe nichts interessantes erlebt“ löst sich meist in luft auf, wenn einmal angefangen wurde über die eigenen emotional starken momente nachzudenken.

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