Tagesarchiv: 6. Oktober 2010

schreibidee (180)

ist die freiheit stark beschränkt, dann kommt meist die norm zum tragen. soll heißen, es wird vorgegeben, was, wie zu gestalten ist, wie handlungen aus zu sehen haben. das kann sicherheit vermitteln, denn man weiß, was man hat. es kann aber auch als große einschränkung erfahren werden. beide erfahrungen dürfen bei dieser schreibidee eine rolle spielen. es geht um „texte der normierung„, die verfasst und betrachtet werden sollen.

als einstieg wird in der schreibgruppe von den teilnehmerInnen gesammelt, welche formen der normierung bekannt sind. dabei können die din-maßstäbe benannt werden, die mode, formen des qualitätsmanagements, die handelsklassen und vieles mehr. man erinnere sich an die euro-gurke und die euro-banane. im anschluss wird ein kurzes beispiel für eine din-verordnung vorgelesen. nun wählen sich die teilnehmerInnen einen gegenstand aus, für den sie einen „normierungs-text“ verfassen. die texte werden ohne feedback gegenseitig vorgetragen.

als nächstes wählen sich alle jeweils einen gegenstand oder eine angelegenheit, die eigentlich nicht normiert werden können (zum beispiel gefühle, zufällige ereignisse, …). beim kreativen schreiben sollen die vorstellungen vom schwer fassbaren überwunden werden und einfach eine norm erstellt werden. die entstandenen texte werden nicht vorgetragen, bilden sie doch nur eine fingerübung für den folgenden text.

denn als nächstes werden alle schreibgruppenteilnehmerInnen aufgefordert eine din-verordnung für „liebe“ zu verfassen. wie diese verordnung ausfällt bleibt allen überlassen. es kann zum beispiel zwischen der din 01 und der din 08/15 liebe unterschieden werden. es kann aber auch in der din-norm klar ausformuliert werden, wie liebe generell zu gestalten und zu leben ist. ja, es können sogar kontrollinstrumenten für das einhalten der din-norm erfunden werden. diese texte der normierung von liebe werden im anschluss in der schreibgruppe vorgestellt und es wird ein feedback gegeben.

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biografisches schreiben und freiheit

freiheit ist ein weiter begriff. es gibt keine eindeutigen und klaren definitionen, was denn unter freiheit zu verstehen ist. außerdem ist zu unterscheiden zwischen gesellschaftlichen voraussetzungen, die freiheiten zulassen, und dem persönlichen denken, wie frei man sich fühlt. denn selbst in gesellschaften, die eine menge freiheiten geben, kann der einzelne das gefühl haben, eingeengt und fremdbestimmt zu sein.

zur subjektiven vorstellung von freiheit gehört eben die lebensgeschichte. welche erfahrungen von freiheit habe ich denn im laufe meiner lebens gemacht? wie weit wurde mir vermittelt, dass ich über viele aspekte meines lebens selbst bestimmen kann? durfte ich als kind die erfahrung relativer freiheit machen? bin ich menschen begegnet, die ein leben abseits vieler konventionen und regeln führten, und beeindruckten mich die menschen?

der mensch ist ein zwiespältiges wesen. zum einen strebt er hohe freiheitsgrade an, wenn sie ihm möglich erscheinen. doch er möchte nicht allein in der welt stehen. so kann eine vielzahl von entscheidungsoptionen auch angst verursachen. die wortwörtliche „qual der wahl“ kommt hier zum tragen. nicht selten fehlen anhaltspunkte ob derer entscheidungen getroffen werden können. so begrüssen viele eine struktur, die ihnen vermittelt und vorgegeben ist. andere wiederum gestalten ihre freiheit auf kosten weiterer mitmenschen. und generell bleiben wir soziale wesen, die auf kontakt zu anderen menschen angewiesen sind. so ist freiheit ohne lebensgeschichte und kontext nicht benennbar.

das biografische schreiben bietet hier eine gute möglichkeit, sich seinem eigenen, ganz persönlichen freiheitsbegriff anzunähern. man kann sich beim notieren der eigenen lebensgeschichte fragen: in welchen momenten fühlte ich mich zu sehr eingeschränkt? wann habe ich mich eventuell selber eingeschränkt? habe ich inzwischen eine form für mich gefunden, die vielen meiner bedürfnisse nahe kommt und die mir viele selbstständige entscheidungen ermöglicht? Weiterlesen