es ist die zeit der jahresendzeitfeierlichkeiten. zwei wochen vorher werden die menschen in den nahverkehrsmitteln schon genervter, gestresster und mürrisch. abseits der abendlichen alkoholisierten truppen von weihnachtsfeierteilnehmerInnen, bereiten sich viele auf „das fest der liebe“ vor. ein fest, das oft das gegenteil des titels wird. hohe erwartungen, noch höhere erwartungen und viele enttäuschungen vereinen sich mit dem vorhergehenden stress zu einem kleinen pulverfass. aber das ritual der weihnachtlichen zusammenkunft möchten die wenigsten menschen durchbrechen.
bei der betrachtung der eigenen lebensgeschichte könnte jedoch ein blick auf familiäre rituale die augen für das system, in dem man aufgewachsen ist, öffnen. ja, man kann eine erklärung für den nachhall mancher verhaltensweisen in sich selber finden. denn familien sind familien, da sie auf etlichen ritualen basieren.
man werfe einmal einen blick darauf, wie geburtstage in der eigenen familie begangen wurden. wie sah solch ein moment aus? was geschah dann oder was geschah auch nicht, obwohl man es gern gehabt hätte? gab es feste zeitabläufe, gab es die erfüllung von wünschen? oder man schaut sich einmal an, wie weihnachten begangen wurde. wurde dieses ritual allen familienmitgliedern gerecht? konnte man einen emotionalen bezug zu den feierlichkeiten herstellen? führt man das ritual weiter, so wie man es kennengelernt hat?
am spannendsten bei ritualen ist es, festzustellen, wer welche rolle übernommen hat. als kind wird einem dabei eine rolle zugeschrieben, die sich im laufe der zeit verändern kann. wollte man diese rolle eigentlich übernehmen oder wurde das ritual als unveränderbar dargestellt? und daraus ergibt sich für die lebensgeschichte, auch für die geschichte einer gesellschaft, welche rituale sich vielleicht überlebt haben. sie funktionieren nicht mehr, sie kitten keine gruppe mehr zusammen, sondern sie spalten eher auf.
wenn man seine eigene biografie aufschreibt können gerade die ereignisse bei familienritualen einen knackpunkt in der eigenen entwicklung darstellen. denn eines spiegeln diese feste und feierlichkeiten, aber auch andere festgefügten abläufe wider, die konstellation der eigenen familien. sie sind oft eine lupe für die konflikte und freuden in einem sozialen gefüge. es lohnt sich die lupe zu benutzen, um eigene position noch besser beschreiben zu können.