web 2.0 und verheissungen

die fülle des internets kann man genießen oder als anstrengend empfinden. sie fordert uns auf, uns beständig zu entscheiden, was wir denn nun genau betrachten und lesen wollen. manch eine(r) fühlt sich unter druck gesetzt, die qual der wahl zu haben. man kann im web 2.0 versinken und erfasst doch nur einen bruchteil des vorhandenen. ob es sich dabei um informationen, spaß oder soziale interaktion handelt, es spielt keine rolle. man muss sich im web 2.0 selbst beschränken.

die andere seite der medaille sieht aber so aus, dass einem plötzlich eine unendliche welt zur verfügung steht. die virtuelle grenzenlosigkeit verheisst input zu allem. egal was mich interessiert, wen ich treffen möchte oder wozu ich fragen habe, ich finde es im internet. das kann spaß machen, wenn es mich nicht stört, mich ab und zu zu verirren oder in einer sackgasse zu landen. es wird anstrengend, wenn ich gern eine klare, eindeutige antwort suche. denn kaum habe ich eine antwort oder einen kontakt gefunden, bieten sich auch schon zehn alternativen an.

ich kann die alternativen ignorieren und mich für die eine antwort, für die eine person entscheiden, aber ich habe die alternativen wahrgenommen. sie sitzen bildlich geschrieben, in meinem hinterkopf und quengeln dort rum. wie kann ich mir sicher sein, dass der von mir gewählte weg der richtige ist, wenn andere menschen im internet anderer meinung sind. das sind überlegungen, die man auch ohne das internet anstellt. immer wieder entscheidet man sich für einen weg, obwohl es noch andere abzweigungen gibt.

aber die scheinbare unendlichkeit an möglichkeiten im internet verheisst die chance, die wirkliche, ja wahre antwort finden zu können. dies setzt unter druck, zu suchen. nicht aufhören zu suchen, bis man die richtige seite, die perfekte person oder die allgemeingültige antwort auf die eigenen fragen gefunden hat. durch diese hoffnung erscheint vielen die welt immer komplexer, unüberschaubarer und kaum mehr fassbar. nicht ohne grund gibt es inzwischen die gegenbewegung, alles wieder einfacher zu gestalten.

nur leider baut auch diese einfachheit wieder auf verheissungen auf. wenn ich meine wahrnehmung reduziere, den blickwinkel selber verenge, dann erlebe ich wieder eindeutigkeiten, die ich so lang vermisst habe. ein trugschluss meiner ansicht nach, da es diese eindeutigkeiten nie gegeben hat. wahrscheinlich sind wir aufgerufen, das „sich treiben lassen“ einfach als gegebene menschliche fähigkeit zu schätzen, dem zufall wieder raum zu geben, auch wenn wir gern alles unter kontrolle hätten. und eine chance bietet das internet: auf großer ebene diskurse zu führen, welche regeln man sich als menschen geben möchte.

die diskurse bieten die einmalig chance, einen breiteren konsens zu finden, als er bisher in der kleinen nicht-digitalten welt möglich war. das web 2.0 ist nur das werkzeug dazu und bleibt trotz aller verheissungen auch begrenzt, aber auf einer größeren ebene. und die zahl der am diskurs beteiligten wird weiter wachsen. es bietet zumindest die chance, mehr menschen als vorher am diskurs beteiligen zu können. wie das ergebnis aussehen wird, bleibt offen. aber entwicklungen finden stetig statt. so lange dies einen nicht unter druck setzt, kann man das web 2.0 als spannende möglichkeit erleben.

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