biografisches schreiben und entschuldigungen

anlass dieses posts sind die suchbegriffe, die zum schreibschrift-blog führen. immer wieder wird danach gefragt, wie entschuldigungstexte zu schreiben sind. man könnte sagen, man möge einfach „entschuldigung“ oder „tut mir leid“ oder „sorry“ schreiben. doch es hängt mehr an einer entschuldigung. es ist selbstreflexion und selbsterkenntnis notwendig, um sich entschuldigen zu können. und in diesem moment berühren sich biografisches schreiben und entschuldigungstexte.

denn ich betrachte vor der entschuldigung die vergangenheit. ich lasse ereignisse und mein erinnertes verhalten revue passieren. das betrachten der eigenen biografie und der eigenen lebensgeschichte erstreckt sich nicht ausschließlich auf lang zurückliegende ereignisse. es kann sich auch auf vor kurzem geschehene dinge beziehen. das biografische schreiben bietet auch für diese momente genug techniken, um zu einer selbstreflektiven haltung zu kommen. und ganz abgesehen davon, entschuldigen sich manche menschen für ereignisse, die schon jahre oder jahrzehnte zurückliegen.

der erste schritt besteht sicherlich darin, für sich festzustellen, wann es einen konflikt, eine diskrepanz oder einen kontrast zwischen, gesagtem, gedachtem und reaktionen gab. dies kann einem beim nachdenken auffallen, beim tagebuchschreiben oder bei unterhaltungen, wenn man erlebtes berichtet.

im zweiten schritt stellt man fest, dass etwas unangemessen war. kam es zum beispiel zu körperlicher gewalt, dann fällt diese erkenntnis vielen menschen sehr leicht (manchen leider überhaupt nicht). doch oft finden die verletzungen in der alltäglichen kommunikation statt. sie werden unterschwellig und unbeabsichtigt verursacht. erst die reflexion macht einem klar, was geschehen ist oder erst die reaktion des gegenübers zeigt einem, was man getan hat.

im dritten schritt muss man an den punkt gelangen, dass es einem wichtig erscheint, den eindruck des gegenübers zu relativieren, zu korrigieren. hier wäre es nun angebracht, einfach „entschuldigung zu sagen, oder zu schreiben. auch dafür halten das biografische und das kreative schreiben einige möglichkeiten parat. aber so einfach funktioniert es oft nicht, denn neben der verletzung des anderen, geschehen zwischen menschen in der kommunikation noch ganz andere dinge. im hintergrund finden machtkonstellationen platz, sind die verletzungen gegenseitig oder regiert unsicherheit gegenüber dem eigenen selbst.

also wird im vierten schritt die entschuldigung verpackt in viele worte, in begründungen, in erklärungen oder in ausreden. zu oft ist die angst groß, blöße zu zeigen. doch dies lässt die entschuldigung gern zu strategisch erscheinen. das macht es schwer, sie anzunehmen. doch wenn die entschuldigung, ruhig auch mit begründungen für das eigene verhalten, den eindruck von wahrhaftigkeit hinterlässt, dann können menschen wieder aufeinander zugehen.

und im biografischen schreiben kann man generell einmal schauen, wie man im laufe seines lebens mit entschuldigungen umgegangen ist. es lohnt sich die frage: was wäre damals oder auch heute das schlimmste, was mir passiert, wenn ich mich entschuldigen würde? meist verliert man dadurch viel weniger als man annimmt. nicht immer, doch immer öfter. es wird nicht schnell das gesicht verloren, man gewinnt es manchmal sogar zurück.

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