web 2.0 und entschuldigungen

das internet füllt sich minütlich mit persönlichen statements. abseits der ganz subjektiven befindlichkeiten, die ausgebreitet werden und manchmal detailversessen sind (heute habe ich … gefrühstückt), wird stellung zu allen gesellschaftlichen fragen bezogen. es werden filme, musik, bücher, theaterstücke, fernsehprogramme und personen des öffentlichen lebens bewertet, kritisiert oder gefeiert. und wie sich in den nordafrikanischen ländern gezeigt, wird politik gemacht, werden ganze gesellschaften umgewälzt, ganze systeme und regime verändert.

es zeigt sich, dass das geschriebene wort weiterhin macht hat, auch wenn alle welt von der visualisierung der gesellschaften schreibt und spricht. ohne ein paar geschriebene worte, ohne aufrufe, ohne geschriebene statements erreichte man nur die halbe wirkung. doch gerade bei den kritiken und statements verrutscht im web 2.0 gern mal die sprache. geschriebene gewaltige worte treffen manche(n) härter als daher gesagtes. die äußerungen lösen reaktionen aus, die wieder über kommentare oder eigene posts einen diskurs entfachen.

besonders schön kann man das bei diskussionsforen über computer- oder digitale anwendungsprobleme feststellen. plötzlich geht es nicht mehr um das eigentliche problem. es geht um die kenntnisse der person, es geht um die fähigkeiten oder um das auffassungsvermögen. und der rest des forums streitet sich dann über tonfall, die umsetzung der problemlösung und die verteidigung der eigenen kompetenzen. hier wird es persönlich.

manche schreibenden mögen kurz darauf, wenn sie noch einmal ihr statement durchlesen, feststellen, dass sie zu stark formuliert haben, dass sie sich getäuscht haben, dass es einen schritt zu weit ging. aber man findet selten im internet, dass sich jemand für das geschriebene entschuldigt. eher das gegenteil ist der fall: man legt noch einmal nach, wenn man kritisiert und angegriffen wird. anscheinend schafft die virtuelle distanz einen rahmen, hinter dem man sich verstecken kann.

das bietet vorteile (siehe nordafrika) aber auch den nachteil, dass oft genug gegenseitige verletzungen im internet stattfinden. aber seltsamerweise ist es in einer halbanonymen welt schwerer einen fehler einzugestehen oder eine position zurückzunehmen, als im alltag. würden sich mache streiterInnen gegenüberstehen, wäre ihre sprache eine andere. auch hier ist wieder die frage, die man sich selber stellen angebracht: „was ist das schlimmste, das passieren kann, wenn ich zugeben, ich habe einen fehler gemacht, habe falsches geschrieben oder eine zu harte position eingenommen?“ es würde öffentlich werden, dass man ein mensch ist, der sich verändern kann.

doch meist gehen die gedanken in eine andere richtung: „ich gebe mir eine blöße in aller öffentlichkeit, das stellt mich in frage, das untergräbt meine position, das macht mich verletzlich – das geht also gar nicht. ich werde mich nicht entschuldigen. ich muss mein gesicht wahren.“ tja, die folge besteht darin, alle anderen lesen nicht mehr weiter im forum, denn warum sollten sie sich um persönliche auseinandersetzungen kümmern, die kein ergebnis finden werden und das computerproblem auch nicht lösen.

zum schluss kann ich nur noch schreiben: sorry, dass der text schon wieder so lang geworden ist, aber mir würde noch so viel zu dem thema einfallen, dass ich mich sowieso nur auf das wesentliche beschränkt habe 😉

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