Tagesarchiv: 13. Mai 2011

liste (37) – kritik

wer lust hat, kann sich diese seite ausdrucken und ausfüllen. ich schlage listen vor, die einem vielleicht einen überblick zu verschiedenen themen der eigenen lebensgeschichte geben können. dieses mal geht es um die „kritik„.

die selbstkritischen gedanken, die ich mir am häufigsten über mich mache:

die kritik, die ich am häufigsten zu hören bekomme:

die kritik, die ich wirklich von anderen annehmen kann und die zu veränderungen in meinem verhalten führen:

kritik, die ich generell voll daneben finde:

kritik, die ich an meiner umwelt geübt habe oder noch üben möchte:

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nabelschau (43)

zur strecke bringen. die wortwahl ist eine vertrackte sache. da versucht man die ganze zeit, menschen habhaft zu werden, die anderen etwas angetan haben, um sie, wie man so schön sagt, „einer gerechten strafe zu zu führen“. als innenminister ist man der chef derjenigen, die den straftätern auf der spur sein sollten. soweit die gesellschaftliche abmachung, der konsens vieler.

und dann wird da ein weltweit gesuchter terrorist umgebracht. man kann geteilter meinung sein, wie weit dies nun ein gesellschaftlicher erfolg ist oder auch nicht. doch man kann schwerlich sagen, dass es gut sei, einen menschen umzubringen, dazu muss man nicht christlichen glaubens sein. wir haben aus guten gründen keine todesstrafe mehr. leider muss man immer wieder daran erinnern, dass demokratische gesellschaften auch manche dinge aushalten müssen, weil diese gesellschaftsform unserer meinung nach den archaischen überlegen ist.

aber unser innenminister friedrich äußerte sich zur „erfolgreichen“ terroristenjagd in den tagesthemen vor etlichen tagen beständig mit dem satz, er sei „zur strecke gebracht worden„. da diskutiert das land, ob sich die bundeskanzlerin freuen dürfe, und im gleichen atemzug verwundert niemanden die formulierung des ministers, der der strafverfolgung vorsteht. ich assoziiere mit „zur strecke bringen“, die waidmännische vorstellung, tiere im wald abzuknallen, wild zu erlegen. am schluss wird ihnen ein zweiglein tannegrün in den mund gesteckt.

nun kann sich ein mensch ja mal verplappern, die falschen worte wählen. wenn man diesen ausdruck aber in einem interview immer wieder verwendet, vor allen dingen als politiker, der sich normalerweise sehr wohl der wortwahl bewusst ist, dann sagt dies schon etwas über die geisteshaltung aus. und gelinde geschrieben, das klingt problematisch. unsere gesellschaft hat dem abgeschworen, menschen zur strecke zu bringen. wir wollten auch keine kriege mehr führen, sondern uns nur verteidigen, wenn wir angegriffen werden. auch dann kann es nicht darum gehen, jemanden zur strecke zu bringen.

man kann dies als übertriebene krittelei abtun. aber gerade die verwendete sprache ist oft ein zeichen für gesellschaftliche veränderungen, die parallel verlaufen. es stimmt einfach bedenklich.

biografisches schreiben und kritik

beim biografischen schreiben kann kritik verschiedene funktionen habe, nur eine funktion ist undenkbar: ein lebenslauf, eine lebensgeschichte kann nicht als gut oder schlecht bezeichnet werden, sie ist nicht bewertbar, und kaum kritisierbar. wenn man davon ausgeht, dass alle menschen erst einmal aus ihrer sicht gute gründe für ihre handlungen haben, dann wäre höchstens in manchen zusammenhängen zu fragen: „wie konnte es dazu kommen?“.

was ist in einem leben passiert, dass jemand anfängt, gewalt auszuüben? was ist passiert, wenn jemand sich und anderen schadet? erst einmal ist der mensch nicht bestrebt, sich selbst oder anderen etwas anzutun, aber er kann sich dorthin entwickeln. natürlich trägt man für einen großen teil seiner handlungen auch die verantwortung, denn man hat entscheidungen getroffen. und doch bleibt es diskussionwürdig, auf welcher grundlage man entscheidungen getroffen hat. ja, man kann mit lebensgeschichten verständnis haben.

in anderen zusammenhängen kann beim biografischen schreiben kritik sehr wohl ein thema sein. die schreibenden können zum beispiel betrachten, wie sehr ihr leben von selbstkritik oder kritik von außen geprägt war. und vor allen dingen, woraus entstand diese kritik? sind das die eigenen regeln gewesen, die wiederum die eigenen handlungen in frage stellten oder sind es vermittelte, von außen nahe gelegte regeln, die einen immer wieder in selbstkritik stürzten? und warum folgte man eventuell regeln, die einem gar nicht gefielen, die man nicht begründen kann?

außerdem kann biografisches schreiben dabei helfen, aufzuschlüsseln, wie viel kritik man weitergegeben hat. es bleibt schwierig, selber beurteilen zu können, ob die kritik angemessen war oder nicht. hier ist es hilfreich, die menschen, die einem nahe stehen, einfach zu fragen. Weiterlesen