Tagesarchiv: 16. August 2011

schreibidee (300)

eine schwierige anregung zum 300ten schreibidee-jubiläum, es darf ja auch einmal „ans eingemachte“ gehen 😉 selbstkritik ist sehr beliebt, sie kommt nicht selten unerbittlich, direkt und unverblümt zur sprache. es wurde gelernt, gern nach den eigenen fehlern zu suchen, um ein besserer mensch zu werden. und so bemühen wir uns alle vehement. gelernt haben wir nämlich, dass die andere seite stinkt, das eigenlob. gut, bei der selbstvermarktung, da wird dann gern mit dem eigenlob marktschreierisch übertrieben, das ist aber marketing und fällt vielen schwer. hier sei das bodenständige „perfekte eigenlob“ angeregt.

schon der einstieg mag manchen schreibgruppenteilnehmerInnen schwer fallen. man kann sie an bewerbungsunterlagen, die man irgendwann einmal in seinem leben erstellen musste, erinnern. denn in stichworten sollen die persönlichen vorzüge notiert werden. die liste wird nicht vorgetragen.

anschließend erhalten alle teilnehmerInnen eine liste in die sie nur ihren namen eintragen. dann wird die liste rundherum an alle anderen schreibgruppenmitglieder weitergegeben. alle sind aufgefordert, für die jeweils namentlich vermerkte person eine positive eigenschaft zu notieren. wenn es geht, sollten sich keine aussagen doppeln und es genügen stichworte, gern auch ein oder zwei sätze. zum schluss erhalten alle ihre jeweilige liste zurück und können ihre eigene aufstellung durch die aussagen der kollegInnen erweitern.

nun wird mit einzelnen sätzen begonnen: zehnmal soll der satz „ich finde an mir gut, dass … “ vervollständigt werden. auch diese sätze werden nicht vorgetragen. anschließend erstellt man aus allen vorarbeiten ein „zeugnis“. der text ist in der dritten person formuliert und beginnt zum beispiel mit „frau / herr zeichnet sich dadurch aus, dass …“. so ein „zeugnis“ bietet noch die möglichkeit der distanz und klingt, wie wenn es durch andere formuliert wurde.

zum abschluss wird dann das ultimative „perfekte eigenlob“ in der ich-form verfasst. einzelne eigenschaften und vorzüge dürfen ausgeschmückt, begründet oder in ein beispiel gefasst werden. es kann und darf ein längerer text entstehen. so weit es geht, sollte der innere zensor überwunden werden. im anschluss werden das zeugnis und das perfekte eigenlob in der schreibgruppe vorgetragen. vor und nach dem vortrag dürfen keine einschränkungen oder relativierungen vorgenommen werden. anschließend findet eine feedbackrunde statt, die sich hauptsächlich mit der frage, wie schwer es war, solch einen text zu verfassen, auseinandersetzt. und es gibt die hausaufgabe, den text auszudrucken und über das eigene bett zu hängen 😉

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schreibidee (299)

der stete wandel der gesellschaft vollzieht sich schnell, im laufe der jahre für viele menschen zu schnell. es ist wahrscheinlich sowohl eine alterserscheinung als auch realität, dass man das gefühl hat, der wandel beschleunige sich stetig. dazu kommt, dass im alter gefühlte zeit schneller vergeht. es gibt untersuchungen dazu, dass dieses gefühl bei allen älteren menschen früher oder später aufkommt. und gleichzeitig verstärkt sich die vorstellung, mit dem gesellschaftlichen wandel nicht mehr mithalten zu können. die vergangenheit erscheint häufiger gülden und rosa, die gegenwart wirkt fremd und schal. eine schreibanregung zur aussage „früher war alles besser„. (eine aussage, die heute auch schon gern von 30-jährigen getroffen wird.)

diese schreibanregung ist eher biografischer natur. es wäre in der schreibgruppe vorher zu klären, ob interesse daran besteht. dann kann zum einstieg notiert werden, welche dinge, gegenstände und verhaltensweisen man aus früheren zeiten vermisst. manches davon existiert heute weiter (zum beispiel das brausepulver), manches ist verschwunden (die klebenden spülmittelblumen). von generation zu generation werden dies verschiedene erinnerungen sein. die stichworte sollten in der schreibgruppe vorgestellt werden, da man entweder andere generationen kennenlernen kann oder parallelen zu den anderen schreibgruppenteilnehmerInnen finden kann.

nun sind zwei kurze texte zu verfassen: zum einen ein maximal zweiseitiger text voller unverständnis für die heutige zeit. welche entwicklung, welcher wandel strengen einen an, kann man nicht nachvollziehen? und zum anderen eine auch maximal zweiseitige hymne auf das güldene zeitalter vor etlichen jahren. was vermisst man heute, was hat einem damals besonders gefallen oder was würde man gern neu beleben?. auch diese texte werden kurz vorgetragen, es findet keine feedbackrunde statt.

anschließend wird eine längere geschichte oder betrachtung zu der aussage „früher war alles besser“ geschrieben. natürlich darf man dieser behauptung widersprechen. trotz allem sollte der text recht persönlich gehalten werden, also nicht unbedingt übergreifende philosophische betrachtungen angestellt werden. die geschichte wird anschließend vorgetragen und es findet eine feedbackrunde statt. in der runde können nur aussagen zur schriftlichen umsetzung der eindrücke getroffen werden, es können keine persönlichen eindrücke verhandelt werden.

zum abschluss dann noch einen blick weiter zurück. mensch verklärt nicht nur gern die eigene vergangenheit, auch etliche zeitalter werden idealisiert. so feiern die einen das mittelalter, die anderen die zeit der römer, der griechen oder der azteken. bei genauerer betrachtung wird man schnell mit grausamkeiten konfrontiert, die man heute in unserer gesellschaft nicht mehr erleben möchte. alle schreibgruppenteilnehmerInnen wählen sich ein zeitalter und formulieren in einem maximal zweiseitigen text, warum dieses zeitalter keinen spaß machte. historisch muss das nicht ganz stimmig sein, fantasie und kreativität dürfen gern eingesetzt werden. die texte werden in der gruppe vorgetragen.