wie gut ist mein gespür gegenüber menschen und situationen? auf diesen nenner lassen sich wahrscheinlich gedanken zum biografischen schreiben und fühlen bringen. es soll nicht darum gehen, ob man selber emotional ist und gefühle zulassen kann. diese frage stellt sich in einzelsituationen immer wieder. aber wie sieht es mit dem fühlen an sich aus?
spürte man zum beispiel die stimmungen von mitmenschen und konnte man sie treffend einordnen? das meint nicht die vorstellung, dass man auf menschen zugeht und ihnen sagt: „ich weiß genau wie es dir geht, ich spüre das!“. das würden sich zwar viele paare in ihrer beziehung wünschen, endet aber immer in einem ungerichteten „deuten“ von stimmungen, das zu fünfzig prozent falsch sein kann.
es geht eher darum, wie man auf andere menschen zugeht. natürlich bilden sich normalerweise erste eindrücke. ob sie treffend sind, lässt sich nur durch kommunikation klären. aber schaffte man es dann auch in dem kontakt zu anderen menschen (ganz gleich, ob im beruf oder im privatleben), mit ihnen mitfühlen zu können, empathie zu entwickeln und eine angenehme ebene der kommunikation zu finden? man kann das „fühlen“ auch als einen bestandteil sozialer kompetenz betrachten.
beim biografischen schreiben kann man also einen blick darauf werfen, wie man mit anderen menschen in kontakt gekommen ist, und wie weit man sich dabei auf seine gefühle verlassen konnte. denn es ist nicht selten, dass menschen im laufe ihres lebens verlernt oder gelernt haben, ihren eigenen gefühlen zu trauen. auch in die andere richtung kann man einen blick darauf werfen: bei welchen menschen hatte man das gefühl, dass sie einen so gut kennen, dass man sich auf ihr fühlen verlassen konnte, sie einem also auch hilfreiche rückmeldungen geben konnten, wie man auf sie wirkt?
mit diesem fühlen und spüren ist ein gefühl von aufgehobenheit eng verknüpft. wann haben einem andere menschen zurückgemeldet, dass sie sich bei einem aufgehoben fühlen? und wann hat man anderen zurückgemeldet, dass man sich bei ihnen aufgehoben fühlt? das hat viel mit vertrauen zu tun, und vertrauen basiert zu einem guten teil darauf, dass mein gegenüber oder auch eine situation authentisch erscheint. auch so ein modischer begriff, diese „authentisch“, ähnlich wie „empathie“. beide begriffe sind schwer zu definieren und umschreiben, oder einfach formuliert: man spürt schon, wann man sich sicher und wohl fühlt.
das hat nie nur mit einem selber zu tun, sondern immer auch mit den menschen und situationen, die einen umgeben. und es hat etwas damit zu tun, im laufe seines lebens, die eigene wahrnehmung aus den gemachten erfahrungen zu schärfen. man bekommt ein immer besseres gespür dafür, wie man andere menschen zu beginn einzuschätzen hat. wichtig scheint mir in diesem zusammenhang, sich gleichzeitig die freiheit zu bewahren, später festzustellen, dass man sich in seinem fühlen und spüren getäuscht hat. die entwicklung zu immer mehr gespür steckt vielleicht in dem spruch, dass „das alter weise mache“.
im biografischen schreiben kann man sich diese eigene entwicklung noch einmal genauer ansehen. und man kann sein soziales umfeld fragen, wie sie einen in diesem zusammenhang erlebt haben. man kommt sich bei diesen betrachtungen garantiert noch einen schritt näher, selbst wenn man erkennt, wie oft man schief lag 😉