Monatsarchiv: September 2011

schreibidee (311)

doch mal wieder eine schreibanregung oder schreibübung, die dem biografischen schreiben zugeordnet werden kann. nach dem motto „zeige mir, wie du wohnst, und ich sage dir wer du bist“ wird dazu angeregte, sich mit hilfe einer fantasierten umgebung, auszudrücken, denn ohne unsere träume würde uns die motivation fehlen, etwas zu verändern. darum also eine schreibidee zu „lebens(t)raum-geschichten„.

zum einstieg werden die schreibgruppenteilnehmerInnen aufgefordert, eine liste mit wichtigen bestandteilen oder aspekten ihrer „idealen“ wohnung oder ihres „perfekten“ lebensraums zu erstellen. aus dieser liste greifen sie die fünf wichtigsten aspekte heraus und teilen sie den anderen teilnehmerInnen ohne große erklärung mit. die daten werden stichwortartig am flipchart gesammelt.

anschließend wendet sich die gruppe vom schreiben ab und es kann mit stiften und farben ein bild, ein grundriss oder eine ansicht des idealen lebensraums gezeichnet werden. wie sieht ihr lebens(t)raum aus? ist es ein haus, eine wohnung, eine landschaft oder ein fantasiegebilde? dabei dürfen natürlich auch dinge gezeichnet werden, die gar nicht existent sind oder technisch bis heute nicht möglich sind. es soll eine fantasiewelt werden, die vielleicht in ansätzen auch erreicht werden kann.

wenn das bild fertig ist, dann schreiben alle schreibgruppenteilnehmerInnen einen maximal dreiseitigen text, der ihren lebens(t)raum darstellt. danach findet eine kleine präsentation der räume statt. die bilder werden der schreibgruppe gezeigt und die beschreibung des lebens(t)raums wird gleichzeitig vorgelesen. es findet keine feedbackrund statt. alle teilnehmerInnen sollen die träume der anderen nur auf sich wirken lassen. wer nun noch etwas ändern möchte, kann dies an seinem bild oder text vornehmen.

denn zum abschluss soll eine längere geschichte verfasst werden, die in dem lebens(t)raum spielt. wer möchte, kann vorher noch ein cluster erstellen. es gibt keine vorgaben für die geschichte. anschließend werden die geschichten in der schreibgruppe vorgetragen und es findet eine feedbackrunde statt. und vielleicht vereinbaren alle, dass sie sich in etlichen jahren wiedertreffen, um zu besprechen, wie weit sie ihren lebens(t)raum verwirklichen konnten.

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liste (69) – qual

wer lust hat, kann sich diese seite ausdrucken und ausfüllen. ich schlage listen vor, die einem vielleicht einen überblick zu verschiedenen themen der eigenen lebensgeschichte geben können. dieses mal geht es um die „qual„.

die qualvollsten momente in meinem leben:

mit diesen dingen quäle ich mich immer wieder rum:

diesen menschen habe ich leider qualvolle momente bereitet:

die schwierigsten qualen der wahl in letzter zeit:

die besten strategien in meinem leben, um qualvolle momente abzuwenden:

wissenschaftliches schreiben und qual

wie schon beim thema „schreibberatung und qual“ erwähnt, sind es oft die beruflichen texte, die schwierigkeiten bereiten können und den emotionalen druck erhöhen. beim wissenschaftlichen schreiben kommt noch ein wichtiger aspekt dazu: es geht für viele um die zukunft. angefangen bei prüfungsrelevanten texte, wie hausarbeiten oder referaten, über die abschlussarbeiten eines studiums bis zu den doktorarbeiten den habilitationen oder den veröffentlichungen im drittmittelbereich, neben der wissenschaftlichen herangehensweise spielt die bewertung von außen eine große rolle.

beim wissenschaftlichen schreiben kommt man nicht drumherum, die leserInnen immer mitzudenken. sonst ist es ja hilfreich, erst einmal nur für sich zu schreiben und später auf die reaktionen zu schauen. aber hier muss man die reaktionen der prüferInnen, der forschungsgelder-geberInnen oder der lektorate wissenschaftlicher fachzeitungen antizipieren, da man sonst, sehr drastisch formuliert, keine chance hat.

in diesen momenten ist man damit konfrontiert, dass in den wissenschaften zwar immer so getan wird, wie wenn es klare standards einer wissenschaftlichen arbeit gebe, gleichzeitig in die bewertungen einer arbeit eine menge subjektive haltungen und eigene vorstellungen, was enthalten sein sollte, mit einfließen. von der bewertung der anderen hängt jedoch nicht selten die eigene berufliche zukunft und die finanzielle absicherung in den arbeitsbereichen der wissenschaften ab. darum ist der emotionale druck teilweise so enorm, dass das schreiben des textes zur qual wird.

viele unsicherheiten und probleme lassen sich meist durch das fragen der betreuenden, zuständigen wissenschaftlerInnen klären. manchmal bekommt man auch informationen von anderen menschen, die schon einmal bei der gleichen person eine betreuung erfahren haben. und doch beschäftigt man sich über einen teilweise sehr langen zeitraum (für eine doktorarbeit mehrere jahre) mit ein und demselben thema mit der betreuung von ein und derselben person. das kann (muss aber nicht) die lust am schreiben trüben.

um nicht in qualvolle gefühlszustände zu rutschen, empfiehlt sich auf der einen seite zwar ein kontinuierliches arbeiten am forschungsgegenstand, aber auch klare auszeiten und Weiterlesen

wortklauberei (81)

„krümelschutz“

heutzutage kann man sich vor beinahe allem schützen, wenn man der werbung glauben mag. ob es viren, gewalttaten, unpässlichkeiten oder witterungsfolgen sind, man kauft den passenden schutz, mietet die richtige utensilie oder versichert sich gegen die negativen folgen von ereignissen. doch das leben folgt nicht immer unseren vorstellungen von sicherheit. es kommt überraschend und unerwartet daher, wirft alle schutzmechanismen über den haufen und löst veränderungen aus.

eine der großen bedrohungen für ältere menschen liegt in der unzulänglichen haftcreme für die dritten zähne. jedem kann es passieren, dass die eigenen zähne nicht mehr halten, nicht mehr das tun, was sie versprechen. also wird ein künstliches gebiss hergestellt und eingesetzt. das sollte halten und möglichst nicht kenntlich sein. doch leider haftet es nicht immer so, wie gewünscht. das liegt auch daran, dass sich die kieferknochen im alter beständig verändern und der kiefer kleiner wird. eigentlich ein natürlicher lauf der dinge, aber mensch vesucht dies zu verhindern, eben mit superstarker haftcreme.

die zweite bedrohung besteht darin, dass sich kleine essensreste unter die dritten schieben und das kauen unangenehm machen. dafür soll es jetzt einen „krümelschutz“ geben. denn der gemeine krümel, der sich alle ritzen, hohlräume und falten sucht, um sich dort niederzulassen, ist kaum in schach zu halten. wer einmal in seinem leben im bett gefrühstückt hat, kann ein lied davon singen. schön, dass man inzwischen anscheinend mit einer creme die dritten zähne so weit rundum-versiegeln kann, dass kein krümel der welt sich mehr einnisten kann.

ich warte in der folge auf die creme für das frühstücken im bett, für die computertastatur, die sofaritzen und die groben dielen im wohnungsflur, die mich vor den fiesen krümeln bewahren. vielleicht sollten wir unser ganzes leben beschichten, damit alles von ihm abperlt, das ihm in die quere kommen könnte. da wäre dann der krümelschutz für das künstliche gebiss nur ein symbol für die ängstlichkeit der menschheit 😉

schreibgruppen selber gründen (08)

geld / kosten

generell ist schreiben eines der preiswertesten hobbys, wenn man nicht gerade einen füller aus platin, hangeschöpftes papier und ein laptop der extraklasse verwendet. somit sind auch die kosten für schreibgruppen im überschaubaren bereich. dazu ist es aber notwendig, dass die gruppe sich selbstorganisiert. ist die nicht der fall, kann es schnell etwas teurer werden. sucht man sich zum beispiel eine professionelle schreibgruppenleitung (was sicherlich viele vorteile hat), dann ist diese natürlich zu bezahlen.

es gibt noch mehr details, die kosten für eine schreibgruppe verursachen können. vor allen dingen ein raum, der sich für gemeinsames schreiben eignet, ist nicht immer für lau zu haben. da kommt es auf die umgebung an, in der man lebt. für selbstorganisierte gruppen stellen in manchen regionen stadt(teil)zentren räume kostenlos zur verfügung, andere hätten gern die übernahme der selbstkosten und richtige tagungsstätten verlangen auch miete.

früher hatten viele kneipen kleinere hinterzimmer und nicht unbedingt nur säle oder große räume für feiern. das ist heute nicht mehr so oft der fall. doch wenn man solch einen ort findet und das gefühl hat, dass genug ruhe zum schreiben herrscht, dann kann man solche räume, wenn getränke konsumiert werden, oft auch kostenfrei erhalten.

für kleinere schreibgruppen kann man sich auch privat bei jemandem treffen. doch dabei sollte man gut überlegen, ob man den veranstaltungsort zum beispiel reihum wechselt oder sich immer bei derselben person trifft, da sie den idealen raum besitzt. soll nebenher gegessen und getrunken werden? gibt es einen klaren zeitlichen anfang und ein Weiterlesen

schreibberatung und qual

„qual“ ist ein recht drastischer begriff für die situation, in die jemand aufgrund seiner schwierigkeiten mit dem schreiben geraten kann. es ist immer ein subjektives empfinden, wie groß der leidensdruck ist. „leidensdruck“ ist eigentlich der bessere begriff, da „druck“ variieren kann. das hängt mit der frage zusammen, welche strategien und ausweichhandlungen zur verfügung stehen, um die schwierigkeiten zu umgehen. dies ist zwar nicht die ideale lösung, aber es ist eine möglichkeit, den druck zu reduzieren.

und doch mag es von manchen menschen als qual empfunden werden, einen bericht oder eine text schreiben zu müssen, vor dem leeren papier oder bildschirm zu sitzen und nicht starten zu können. ein gedanke, versagensangst oder vielleicht zu hohe erwartungen an sich selbst führen zu der schwierigkeit, mit dem schreiben zu starten oder es unverkrampft weiterzuführen.

wichtig in der beratung ist es, die beschreibung des leidensdrucks, den klientInnen zu überlassen. nur sie empfinden so und beraterInnen können diesen zustand niemals vollständig nachvollziehen. da mag jemand eine situation beschreiben, die einem als beraterIn nicht dramatisch erscheint, und doch fühlt es sich für die oder den ratsuchenden so an. es ist kontraproduktiv, wenn man versucht den emotionalen zustand in der beratung zu bagatellisieren. in diesem moment fühlen sich alle klientInnen übergangen oder denken, sie seien die einzigen mit diesen schwierigkeiten, alle anderen kommen damit besser klar.

auch der hinweis, dass man ja schon viel geleistet habe, das wetter schön sei und gelassenheit weiterhelfen kann, ist für ratsuchende in diesen momenten nicht nachvollziehbar. empathische atmosphäre zu schaffen, bedeutet klientInnen in ihren anliegen ernst zu nehmen, also auch in ihren emotionalen befindlichkeiten. und ist „qual“ das was die ratsuchenenden empfinden, dann ist es die aufgabe von schreibberaterInnen, gemeinsam mit den klientInnen nach handlungsmöglichkeiten zu suchen, wie sich das gefühl von qual Weiterlesen

selbstbefragung (122) – qual

die fragebögen zur selbstbefragung versuche ich unter rubriken zu bündeln. dieses mal geht es um die „qual„.

  • quält sie zur zeit etwas? warum?
  • welche momente erleben sie in ihrem arbeitsleben als qualvoll? beschreiben sie.
  • welche momente erleben sie in ihrer freizeit als qualvoll? beschreiben sie.
  • was denken sie über folter?
  • womit quälen sie sich in ihrem alltag am häufigsten herum? warum immer noch?
  • mit welchen strategien begegnen sie der qual? beschreiben sie.
  • in welchem lebensmoment fühlten sie sich am ohnmächtigsten?
  • aktuelle momente, in denen sie die qual der wahl haben?
  • was denken sie, womit haben sie im laufe ihres lebens andere menschen gequält?
  • welche qual nehmen sie gern auf sich? warum?

kreatives schreiben und verzeihen

„stoff“ für geschichten sind gern die beziehungskisten. dabei scheinen weniger die ruhigen, alltäglichen und vertrauensvollen beziehungen für leserInnen interessant zu sein. nein, es sind die kämpfe und krämpfe, die erst so richtig stimmung in das geschriebene bringen. einen hauch dramatik mit einem schuss romantik und alle sind zufrieden.

die dramen gibt es in abstufungen, von großer katastrophe und extremen äußeren widrigkeiten, die gewillt sind, die beziehungen zu zerstören, bis zu den kleinen nervereien, die sich ansammeln und sich irgendwann angehäuft bahn brechen. der klassiker in geschichten ist der verlust des vertrauens bis zur angedeuteten trennung. letztendlich gibt es dann nur noch zwei möglichkeiten. die eine besteht in der endgültigen trennung, die andere in einem neuen versuch, wieder aufeinander zu zu gehen.

doch dies ist leichter gesagt und getan, weshalb sich viele filme und geschichten um die unbeholfenen versuche einer erneuten annäherung drehen. es geht in diesem moment darum, dass sich partnerInnen die gegenseitigen verletzungen verzeihen können und in diesen momenten nicht gleich wieder neue hinzufügen. in realen beziehungen klappt das mit dem verzeihen oft ganz gut (wenn es sich nicht um zig wiederholungstaten handelt), in der literatur und in filmen eher schlecht.

denn würde wirklich in den kreativen stories verziehen werden, dann rutscht die geschichte gern ins kitschige. es ist ein phänomen, dass beim lesen die überzeichnung des geschehenen die geschichte erst interessant macht und sie realistisch erscheint. das reale im kreativen schreiben aufzugreifen und umzusetzen, scheint dagegen seltsam Weiterlesen

schnickschnack (102)

manchmal fehlen einem die worte. da befindet man sich in einer auseinandersetzung oder man musste sich eine frechheit anhören, doch es fällt einem gerade nichts passendes ein. kaum hat man sich von seinem kommunikationspartner verabschiedet, schon fallen einem die passenden, knackigen und treffenden antworten ein. am liebsten würde man die zeit zurückdrehen, um alles noch einmal durchzuspielen und seine antworten anzubringen.

es ist eine übungssache, just-in-time reagieren zu können. die so genannte schlagfertigkeit kann man am besten dadurch erlernen, dass man viel kommuniziert und die hemmung verliert, klartext zu reden. ja, es darf dabei auch mal etwas rausrutschen, das nicht so treffend ist. aber dies ist besser, wie wenn man immer den mund hält. bestimmte formen des schlagabtauschs basieren auf keiner bösartigkeit, sondern sie sind oft arten des grenzen auslotens. manch einer kennt seine grenzen nicht.

darum ist es besser immer schön in der übung zu bleiben und vor allen dingen seine eigenen grenzen benennen zu können, ja, ein überschreiten der grenzen schnell zu registrieren und dem einhalt zu gebieten. das internet bietet da unterstützung. der rhetoriktrainer matthias pöhm hat eine große bibliothek an schlagfertigen antworten zusammengestellt. es geht nicht darum, immer witzig zu sein, sondern es geht darum, den wind aus den segeln zu nehmen und den ball zurück zu spielen. zu finden ist die „antwortbibliothek“ unter http://www.schlagfertigkeit.com/antwortbibliothek/ .

und um es auf das schreiben runterzubrechen: beim schreiben von dialogen kann diese sammlung von antworten sehr hilfreich sein. abgesehen davon, kann man schlagfertigkeit einmal zum thema einer schreibgruppe machen und weitere eigene antworten finden. die kann man dann übrigens herrn pöhm über seine homepage mitteilen und somit den pool an schlagfertigen antworten erweitern. auf dass einem nie wieder die worte fehlen 😎 .

wortklauberei (80)

„schmutzfangmatten“

staub, krümel, flusen und andere kleinteilige überreste sorgen schnell dafür, dass die wohnung oder die geschäftsräume verdreckt sind. das ist nicht schön und sieht nicht gut aus. also sollte man etwas dagegen unternehmen. einmal auf der homepage eines heimwerkermarktes und man weiß, was man zu tun hat. vorbei sind die zeiten der besen, der staubsauger und der scheuerlappen. heutzutage schafft man sich „schmutzfangmatten“ an.

sie sind ähnlich wie haustiere, man muss sie erst bändigen und erziehen, sonst fängt die matte nicht nur schmutz, sondern auch alles andere kleinteilige, das so rumliegen kann: den verlorenen perlenohrring, kleine schrauben des brillengestells oder das goldene haar des teufels. das will man ja nicht. ist die schmutzfangmatte jedoch gut dressiert, dann kann man es sich auf dem sofa bequem machen, abwarten, bis der schmutz aus seinen ritzen, löchern oder unter dem sofa hervorkommt und „fass!“ rufen. schon macht sich die matte über das kleine böse her.

eine schmutzfangmatte ist ein unkomplizierter zeitgenosse. sie möchte ab und zu mit dem staubsauger ein wenig gekrault werden. sie benötigt keine weitere nahrung, sie ernährt sich vom schmutz. manche matten haben einen fetisch entwickelt und bevorzugen das „spanking“ (mit einem harten gegenstand geschlagen werden) dem kraulen mit dem staubsauger. dadurch sollte man sich nicht irritieren lassen, diese schmutzfangmatten sind genauso folgsam und effektiv, wie die anderen auch.

einmal mit einer schmutzfangmatte gelebt, fällt es schwer, sich wieder von ihr zu trennen. in regionen, in denen die luftfeuchtigkeit sehr hoch ist, da kann es vorkommen, dass die schmutzfangmatten anfangen zu schimmeln und unangenehme gerüche von sich geben. hier empfiehlt es sich, sein leben lieber mit einem „schlammabstreifgitter“ zu verbringen. es ist zwar lauter, aber nicht minder zutraulich.

kampf der notizzettel – ein surftipp

sie kennen die kleinen, meist gelben zettelchen, quadratisch und selbstklebend, die in keinem büro fehlen dürfen? man kann sie wunderbar für das kurze zwischendurch-notieren von schreibideen oder anderen notizen verwenden. doch wenn man sie zum beispiel in einem zettelkasten verstauen will, dann kleben sie aneinander und sind schwer zu sortieren.

aus frankreich kommt nun ein trend, was man mit beschriebenen oder unbeschriebenen post-its ® noch machen kann: die welt bunter. ganze bürogemeinschaften gehen nicht ihrer arbeit nach, sondern gestalten die großflächig verglasten arbeitsplätze zu klebeflächen für notizzettel. unsortiert und eindrucksvoll sind in frankreich an den glasfassaden bilder zu sehen. die städte werden zu museen eine ungeplanten kunstaktion. einziger nachteil: die kosten für das büromaterial müssen enorm in die höhe schnellen.

also, ist die schreibblockade nahe, sucht man nach ausweichhandlungen, dann nehme man seinen block selbstklebender notizzettel, ziehe die vorhänge zurück oder die jalousien hoch und lasse der eigenen kreativität freien lauf. in frankreich ist das zumindest inzwischen ein wettbewerb geworden. siehe: http://www.postitwar.com .

mich bringt das auf die idee, hier in nächster zeit eine neue rubrik zu eröffnen: „die schönsten ausweichhandlungen, um nicht schreiben zu müssen“. notizzettelbilder-kleben wird dabei sicherlich berücksichtigt werden. 😀

70 buchtipps aus diesem blog

im laufe der zeit habe ich hier manche bücher vorgestellt. diese vorstellungen erheben weder anspruch auf irgendeine vollständigkeit noch sind sie irgendein standard. sie purzelten hier einzig in der reihenfolge des lesens herein. doch hier ein gebündelter überblick, mit den links zu den jeweiligen posts (einfach auf den titel des buchs klicken).

erst lesen, dann schreiben“ herausgegeben von olaf kutzmutz und stephan porombka

mein klassiker – autoren erzählen vom lesen“ herausgegeben von sascha michel, mirjam neusius und lea katharina ostmann

verteidigung des privaten“ von wolfgang sofsky

extrem laut und unglaublich nah“ von jonathan safran foer

stilfibel“ von ludwig reiners

das ende der schublade: die macht der neuen digitalen unordnung“ von david weinberger

66 schreibnächte“ von katrin girgensohn und ramona jakob

die logik der sorge. verlust der aufklärung durch technik und medien“ von bernard stiegler

wege zum ruhm“ von robert gernhardt

stilübungen“ von raymond queneau

das erste buch. schriftsteller über ihr literarisches debüt“ herausgegeben von renatus deckert

reimlexikon“ von willy steputat

absichten und einsichten. texte zum selbstverständnis zeitgenössischer autoren“ herausgegeben von markus krause und stephan speicher

maschinenwinter. wissen, technik, sozialismus. eine streitschrift“ von dietmar dath

schreiben lernen – schreiben lehren“ herausgegeben von josef haslinger und hans-ulrich treichel

der sprung in den papierkorb“ von thomas hürlimann

geflügelte worte“ von georg büchmann

krankheit als metapher – aids und seine metaphern“ von susan sontag

abstrakt negiert ist halb kapiert“ herausgegeben zum 60. geburtstag von morus markard

wie romane entstehen“ von hanns-josef ortheil und klaus siblewski

auf meinen spuren. das entdecken der eigenen lebensgeschichte“ von herbert gudjons, marianne pieper und birgit wagener

schwarzes quadrat“ von max frisch

wer bin ich?“ von rolf dobelli

warum denken traurig macht“ von george steiner

fragebogen“ von max frisch

dinge geregelt kriegen – ohne einen funken selbstdisziplin“ von sascha lobo und karhrin passig

the book of questions“ von pablo neruda

vom leben, vom tod und vom übirgen auch dies und das – frankfurter poetikvorlesungen“ von urs widmer

vergessenheit“ von david foster wallace

unglücklich glücklich“ von eric g. wilson

erinnern, wiederholen, durcharbeiten“ von lutz von werder

wer reden kann, macht eindruck. wer schreiben kann, macht karriere“ von ulrike scheuermann

kopf schlägt kapital“ von günter faltin

die sandwirtschaft“ von uwe tellkamp

raum zum schreiben – creative writing in 200 genialen lektionen“ von bonni goldberg

kein schöner land“ von patrick findeis

ruhm“ von daniel kehlmann

das ende der liebe“ von sven hillenkamp

am beispiel des hummers“ von david foster wallace

suchmaschinen“ von david gugerli

schöner wird´s nicht“ von david sedaris

emergenz digitaler öffentlichkeiten“ von stefan münker

wie der bauch dem kopf beim denken hilft“ von bas kast

wie man den bachmannpreis gewinnt“ von angela leinen

ich frage mich“ von janne mathis eick
die kunst, frei zu sein“ von tom hodgkinson

fuckt it!“ von john c. parkin

als hitler das rosa kaninchen stahl“ von judith kerr

fragebuch“ von mikael krogerius und roman tschäppeler

warum?“ von nikolai popov

666 spiele“ von ulrich baer

nachtstücke – ein lesebuch“ von hans ulrich hirschfelder (hg.) und gert nieke (hg.)

das lesikon der visuellen kommunikation“ von juli gudehus

verirren“ von kathrin passig und aleks scholz

die 50 werkzeuge für gutes schreiben“ von roy peter clark

arbeitszeugnisse formulieren und entschlüsseln“ von christian püttjer und uwe schnierda

don´t make me think!“ von steve krug

checker dichten!“ von sabine samonig

die schreibfitness-mappe“ von ulrike scheuermann

ich will so werden wie ich bin“ von volker kitz und manuel tusch

heringers reizwörterbuch“ von hans jürgen heringer

praxisbuch networking“ von andreas lutz

empört euch!“ von stéphane hessel

verführung mit worten“ von karen christine angermayer

kreativitätstechniken“ von georg schumacher

wissenschaftlich schreiben leicht gemacht“ von martin kornmeier

frei geschrieben“ von judith wolfsberger

der therapeut für die hosentasche“ von therese borchard

reality hunger“ von david shields

schreibend lernen“ von gerd bräuer

„schreibend lernen“ von gerd bräuer – ein buchtipp

dass schreiben mehr als nur das aneinanderreihen von von wörtern auf papier oder auf dem bildschirm ist, das habe ich hier oft beschrieben. doch was ist schreiben denn dann noch? gerd bräuer stellt in seinem buch „schreibend lernen – grundlagen einer theoretischen und praktischen schreibpädagogik“ die verbindung zur pädagogik und zu all den disziplinen her, in denen man im rahmen des lernprozesses schreiben muss.

dabei spannt er den bogen sehr weit und zeigt, dass beinahe jeder lernprozess durch diverse schreibtechniken, selbstreflexionen und gruppenarbeiten gefördert, verändert und vertieft werden kann. es geht ihm also nicht nur um die entwicklung im schreiben, sondern, um die ganzheitliche betrachtung, die alles andere aus dem umfeld und den lebensumständen einbezieht. schreiben (und seine pädagogik) sind sozusagen nur das vehikel, das den weg zu einem autonomeren lernen ebnet.

bei seinen betrachtungen bringt bräuer vor allen dingen erfahrungen aus dem amerikanischen und engschlischsprachigen raum ein und setzt sich mit den dort entstandenen theorien und praxisansätzen auseinander. denn die pädagogischen institutionen in den usa haben schon lang eine schreibkultur etabliert, die in ihrem rahmen einen diskurs über pädagogik und lehr-lern-verhältnisse entfachte. um es sehr verkürzt zu formulieren: wenn man erkennt, dass schreiben immer ein subjektiver prozess ist, dann wird auch lernen ein subjektiver prozess und die rolle der bewertung und beurteilung tritt in den hintergrund, denn wie sollen subjektive entwicklungen in einen notenkanon eingeordnet werden.

bräuer lenkt den blick von produktorientiertem schreiben („schreibe eine erörterung zu den thesen von xy!“) zu prozessorientiertem schreiben. dabei veröffentlicht er unzählige beispiele, schreibanregungen oder fragenkataloge für selbstreflexionen und selbstbefragungen. aus diesem pool lässt sich vortrefflich für sich selber als auch für lehrende oder lernende tätigkeiten schöpfen.

manchmal fragte ich mich beim lesen, ob der bogen der selbstreflexion nicht ein wenig überspannt wird, wenn man den schreibprozess dermaßen kleinteilig durchleuchtet. ob dies nicht ab einem bestimmten moment wieder vom „kreativen“ und „lustvollen“ schreiben und lernen abbringt vor lauter prozess-betrachtungen. irgendwann möchten vor allen dingen menschen, die noch wenige erfolge in ihren schreibbiografien erlebt haben, einen „erfolg“, ein „ergebnis“ in händen halten. ich möchte dabei die stete entwicklung und das lebenslange lernen auch über den schreibprozess nicht in abrede stellen, aber vielleicht muss nicht alles in einer ganzheitlichen selbsterfahrung enden.

doch ich kann das buch guten gewissens empfehlen, da es zu neuen betrachtungen des schreibprozesses anregen und diskurse verursachen kann, ganz abgesehen von den vielen praktischen vorschlägen, die zudem helfen, die theorie in die praxis zu tragen. das buch ist 1998 in innsbruck, wien beim studien-verlag erschienen. ISBN 978-3-7065-1308-1

schreibidee (310)

wer einmal angefangen hat, regelmäßig zu schreiben, der oder die notiert sich zwischendurch ideen, aufgeschnapptes, relevantes oder gelesenes. da sammelt sich im laufe der zeit so manches auf zetteln, in karteikästen und notizbüchern an. manches wird verarbeitet, aufgegriffen und in texte gebracht. aber anderes bleibt liegen, bildet kompost und wartet auf die spätere verwendung. in dieser schreibanregung ist die zeit dafür gekommen. es ist eine schreibanregung zur verwertung von „notizbuchresten„.

die schreibgruppenteilnehmerInnen werden eingeladen, zum nächsten schreibgruppentreffen ihre notizbücher, zettelsammlungen und karteikästen mitzubringen. diese schreibanregung ist also nur mit schreibenden möglich, die schon länger schreiben und sich angewöhnt haben, ideen zu sammeln, zu notieren. zu beginn des schreibgruppentreffens wählen alle teilnehmerInnen aus ihren sammlungen fünf ideen, notizen oder bemerkungen aus, die sie noch nicht bearbeitet haben und die ihnen gerade auffallen.

aus den fünf notizen ist nun eine geschichte zu schreiben. wie die teilnehmerInnen dies miteinander verbinden wird nicht vorgegeben, das bleibt ihnen überlassen. die geschichte sollte eine länge von drei seiten nicht überschreiten. im vorfeld können gern verschiedene assoziationstechniken oder fokussierte freewritings angewendet werden. die geschichten werden in der gruppe vorgelesen und es findet eine feedback runde statt.

im zweiten schritt werden abermals fünf notizen ausgewählt. im vorfeld wird von der schreibgruppenleitung mitgeteilt, dass die notizen weitergegeben werden sollen (stichwortartig), damit niemand eine idee weitergibt, die noch eingesetzt werden soll. nun werden die notizen in der schreibgruppe getauscht und alle schreiben abermals von den fremden notizen eine geschichte von maximal drei seiten länge. auch diese geschichten werden vorgetragen und wieder gibt es eine feedbackrunde.

zum abschluss wählen alle noch einmal fünf notizen aus. diese werden nicht weitergegeben, sondern den vorher verwendeten eigenen notizen hinzugefügt, damit eine sammlung von 10 notizen entsteht. auch aus diesen ideen oder anmerkungen soll eine eigenständige geschichte entstehen. dabei sollte genug zeit zur verfügung stehen, um eine längere geschichte verfassen zu können. die geschichten werden im anschluss in der schreibgruppe vorgetragen und es findet eine ausführliche feedbackrunde statt.

vielleicht entstehen bei dieser schreibanregung weitere neue ideen, die gleich in die notizbücher aufgenommen werden können. vielleicht kann man sich auch von manchen ideen oder notizen verabschieden, da man sie nun bearbeitet hat. man kann sich aber sicher sein, dass der pool oder die sammlungen unerschöpflich bleiben werden.

schreibidee (309)

sie ist noch nicht beendet, die suche nach plagiaten im wissenschaftlichen bereich. darin unterscheidet sich das wissenschaftliche schreiben, das erlangen eigener erkenntnisse, vom kreativen schreiben, dem neu-kombinieren von ideen. die literatur hat sich schon immer existierender vorlagen bedient, sie verändert, umgeschrieben und neu geschaffen. und in anlehnung an das buch von david shields (https://schreibschrift.wordpress.com/2011/09/22/reality-hunger-von-david-shields-ein-buchtipp/) soll dies in der vorliegenden schreibanregung auf die spitze getrieben werden, es sollen „zitat-stories (remixed)“ verfasst werden.

diese form der schreibanregung muss ausführlich vorbereitet werden, da spontanes zitieren meist nicht sonderlich gut funktioniert. für die erste übung muss die schreibgruppenleitung ausführlich vorbereiten. es ist ein bunter mix aus den verschiedensten zitaten zu erstellen (das dürfen ruhig etliche din-a4-seiten sein). alle schreibgruppenteilnehmerInnen bekommen den katalog an zitaten in die hand. sie werden aufgefordert einen teil der zitate zu kombinieren, um so einen gedankengang, der ihnen beim durchlesen der texte, entstehen zu lassen. die kombination wird nicht vorgelesen.

im anschluss bringen die teilnehmerInnen ihren gedankengang beim „remixen“ der zitate noch einmal gesondert zu papier. auf maximal zwei seiten formulieren sie, was sie mit ihrer kombination ausdrücken wollen, was sie dabei gedacht haben. auch dieser text wird nicht vorgelesen. nun nehmen sie sich ihren mix abermals vor und formulieren eigene gedanken dazwischen. diese können die zitate miteinander verknüpfen (die zitate werden nicht als solche markiert), sie können sie kommentieren oder ganz selbständig daneben stehen. der (re)mix an zitaten wird dann in der schreibgruppe vorgetragen und es findet eine kurze feedbackgruppe statt, wie der text auf die anderen gewirkt hat.

der zweite teil des schreibgruppentreffens muss von den teilnehmerInnen vorbereitet werden (dies kann ein wenig aufwendig sein und sollte früh genug angekündigt werden. die teilnehmerInnen wählen für sich im vorfeld zitate aus, die ihnen gefallen. diese können aus büchern, zitatsammlungen, zeitschriften und zeitungen oder werbebroschüren sein. sie bringen diese zitate möglichst ausgedruckt mit oder senden sie vorher an die schreibgruppenleitung, damit diese sie vorher ausdrucken können.

nun werden alle zitat-sammlungen auf einem großen tisch, um den herum alle sitzen können, ausgelegt. alle können aus allem auswählen. sie können ihrem remix hinzufügen, was sie wollen. sie erstellen daraus einen ganz neuen text, eine kombination von textabschnitten, die eine eigene bedeutung ergeben, einen eigenständigen ausdruck. es darf so viel an eigenen gedanken hinzugefügt werden, wie man gerade lustig ist. anschließend werden die neuen texte vorgetragen und es findet zum abschluss eine feedbackrunde statt. in der feedbackrunde geben alle teilnehmerInnen wieder, zu welchen gedanken sie der text angeregt hat. dies kann sich stark von den intentionen der autorInnen unterscheiden.

schreibberatung und verzeihen

nein, es geht nicht darum, dass sich schreibberaterInnen und klientInnen gegenseitig verzeihen. es mag situationen geben (selten), in denen dies notwendig sein kann. aber ich gehe von einer professionellen haltung bei schreibberatungen aus, die genug raum gibt für das klären eines fehlers oder schwierigen verhaltens.

es geht mir darum, dass gerade in der schreibberatung, das sich selbst verzeihen können, ein wichtiges thema werden kann. schreibkrisen und schreibblockaden hängen nicht selten mit vehementen selbstverurteilungen zusammen. klientInnen verzeihen sich nicht, dass sie fehler in ihrem text finden, dass das geschriebene nicht ihren hohen erwartungen und ansprüchen genügt. daraus entsteht die schwierigkeit, dass ein text nicht abgeschlossen, sondern ständig überarbeitet oder verworfen wird.

man kann in diesen momenten der beratung zwar schreibtechniken vermitteln, die vielleicht im laufe der zeit, einen schreibfluss ermöglichen, aber in manchen fällen muss man damit rechnen, dass ein freewriting als firlefanz und gehaltloses schreiben von den klientInnen beurteilt wird. die denkschleife, dass die eigenen schriftlichen produkte schlecht und ungenügend sind, benötigt eine andere aufarbeitung der schwierigkeit.

in diesem moment macht es sinn, die schreibbiografie ein wenig genauer zu betrachten und vielleicht noch darüber hinaus zu gehen, und der gesamten biografie einen blick zu zu werfen. woher kommt der gedanke, dass man stetig „unzureichendes“ produziert? ist dies irgendwo vermittelt worden und hat man die person von anderen menschen übernommen oder haben einen misserfolge in die denkrichtung gesteuert?

hier ist es notwendig die subjektivität von textkritiken aufzuschlüsseln. daneben muss eventuell betrachtet werden, warum man den urteilen anderer so viel gewicht gibt und dem eigenen Weiterlesen

schreibgruppen selber gründen (07)

(schreib)gruppenleitung

vor dem start der gruppe steht die entscheidung, ob es eine gruppenleitung geben soll und ob man sie selber leiten möchte, wenn man sich für eine gruppenleitung entschieden hat. es besteht auch die möglichkeit, aus der gruppe heraus eine gruppenleitung zu wählen oder die leitung immer wieder untereinander zu wechseln. der vorteil einer gruppenleitung besteht darin, dass sich jemand direkt verantwortlich für die durchführung des schreibgruppentreffens fühlt. dies ist bei wechselnder leitung oder bei gemeinsamer durchführung nicht immer gegeben.

doch was gehört nun zu einer angemessenen schreibgruppenleitung?

  • an erster stelle sicherlich spielraum, den man sich selber schaffen muss. bevor die gruppe überhaupt startet, sollte man sich bewusst sein, dass sie nie so verläuft, wie man sich das vorstellt, darum sollte man flexibel auf abläufe reagieren können.
  • dann benötigt man angenehme durchsetzungskraft. bei einer freiwilligen gruppe, die sich selber eine anleitung gibt, möchten alle teilnehmerInnen, dass ihre bedürfnisse berücksichtigt werden, sie möchten aber gleichzeitig, dass es eine klare linie gibt. also: führen sie mit nachdrücklichem charme ihre vorstellungen durch. nehmen sie nicht eine störung ernster als die andere.
  • haben sie alternativideen im kopf. es kann zum beispiel schreibanregungen geben, die sie selber ganz wunderbar finden, aber alle teilnehmerInnen langweilig. was haben sie in diesem moment noch zu bieten?
  • sie müssen den mut haben, jemanden zu unterbrechen, wenn er sich zu viel raum bei rückmeldungen oder feedbacks nimmt und darum andere nicht mehr zu wort kommen. können sie unterschwellige konflikte aushalten?
  • es wird gern bei gruppenpädagogik gesagt, dass störungen vorrang haben. doch störungen können auch einfach nur ätzende störungen sein. sie sollten dies unterscheiden können und dann klare worte dafür finden.
  • um es auf die spitze zu treiben (auch wenn dies selten notwendig ist): trauen sie sich, jemanden aus der gruppe zu werfen, ohne persönlich zu reagieren? dann sind sie der / die richtige.
  • und dann sollten sie noch die quadratur des kreises hinbekommen: schaffen sie eine möglichst hierarchiefreie zone (es ist ja keine kaserne) und verlieren sie trotzdem ihre autorität nicht.
  • und letztendlich müssen sie sich überlegen, ob sie selber mitschreiben wollen und auch in den feedbackrunden dabei sind. denn ihrer bewertung wird eventuell wegen ihrer rolle von den teilnehmerInnen mehr gewicht gegeben. na ja, und gern schreiben sollten sie sowieso wollen, auch wenn sie nicht mitschreiben.

das klingt jetzt sehr anspruchsvoll, ist es wahrscheinlich auch, aber es ist leichter, als es jetzt hier klingt. man kann bei (schreib)gruppen nie vorher wissen, was passiert, aber man kann sich im vorfeld seiner rolle vergewissern und sich überlegen, ob dies für einen angenehm ist, vor allen dingen, wenn man vorher noch nie eine gruppe angeleitet hat, die schreibgruppe selber gründet und gern seine vorstellungen in der gruppe umgesetzt sieht. das kreative setting bedeutet aber meist sehr viel spaß, auch als gruppenleitung, und lässt einen selber viel lernen, jedes mal wieder.

liste (68) – verzeihen

wer lust hat, kann sich diese seite ausdrucken und ausfüllen. ich schlage listen vor, die einem vielleicht einen überblick zu verschiedenen themen der eigenen lebensgeschichte geben können. dieses mal geht es um das „verzeihen„.

dinge, die ich mir schwer fallen, zu verzeihen:

menschen, denen ich inzwischen verzeihen kann:

menschen, denen ich nie verzeihen werde:

hoffentlich können diese menschen mir irgendwann verzeihen:

unverzeihliches, das ich getan haben:

bei diesen situationen ist mir absolut unklar, woher der konflikt kommt:

biografisches schreiben und verzeihen

häufig wird der satz „das letzte was ich zu ihm / ihr gesagt habe, war … “ ausgesprochen, und dies nicht nur in filmen. oft genug realisieren menschen erst beim tod eines nahestehenden anderen menschen, welche chancen, situationen zu klären, versäumt wurden. auf der anderen seite gilt dann wiederum, dass über tote nicht schlecht zu reden sei. aber es gibt genauso gut unverzeihliche situationen, die eine versöhnung oder verzeihung unmöglich machen.

beim biografischen schreiben kann man einmal einen blick darauf werfen, wo es im eigenen leben konflikte gibt, die bis dato nicht bewältigt sind. gibt es situationen, in denen dem / der anderen verzeihen vorstellbar wäre? gibt es situationen, in denen versöhnliche schritte von der eigenen seite überhaupt nicht vorstellbar sind?

so sollte es opfern und gewalttätigen und sexuellen übergriffen selbst überlassen sein, inwieweit sie das geschehene verzeihen oder auch nur ruhen lassen können. hier darf es keine moral- oder handlungsweisungen geben. es mag zwar manchmal sehr edel wirken, wenn eine schlimme tat verziehen wird, es kann aber ebenso hilfreich sein, sich nicht mehr mit täterInnen auseinanderzusetzen und keine weitere auseinandersetzung führen zu wollen. auch „das verzeihen“ darf zu den akten gelegt werden.

gleichzeitig kann beim biografischen schreiben festgehalten werden, wen man selber um verzeihung gebeten hat. wo waren die eigenen fehltritte, die zu einem riss in freundschaften und beziehungen geführt haben? und wo brauchte man lang, bis man realisierte, dass der eigene anteil doch ein recht großer war und es an der zeit wäre, sich bei der anderen person zu entschuldigen, sie um verzeihung zu bitten?

man kann noch ein wenig tiefer gehen und sich selber fragen, Weiterlesen

„reality hunger“ von david shields – ein buchtipp

wie dieses buch beschreiben? für mich war es eines dieser bücher, das man zufällig beim buchhändler entdeckt, das man anfängt zu lesen und das man nicht mehr weglegen kann. denn es regt zum denken an. man unterbricht sein lesen immer wieder, um sich eigene gedanken zum gelesenen zu machen. und dabei geht es um solch unspektakuläre themen, wie biografisches schreiben, fiktionale und nicht-fiktionale literatur, um das abbilden von wirklichkeit, um den subjektiven anteil der autorInnen beim schreiben und um das kopieren in der kunst.

das buch setzt sich beinahe ausschließlich aus zitaten zusammen, die der autor „remixed“ hat. und wie er es in seinem werk beschrieben hat, ergibt sich ein ganz neues mosaik, das eine eigene aussage transportiert. das buch ist ein provokation. david shields nennt es selber „reality hunger – ein manifest„. ein manifest für eine neue schreibe in der heutigen zeit, in der seiner ansicht nach, fiktionale romane eigentlich nicht mehr geschrieben und gelesen werden können oder wie ein zitat bescheinigt „plots sind was für tote„.

die zukunft liegt im neu kombinieren, im mixen, im plagiieren und kopieren, so wie es die musik, aber nicht nur sie, sondern eigentlich jede kunstrichtung, schon immer vorgemacht haben. die neue mediale welt erleichtert diesen prozess zusehends und ermöglicht es immer mehr menschen, ihre eigenen wahrheiten und darstellungen zu veröffentlichen. das wirbelt die kunstwelt durcheinander. die verteidigungskämpfe der alten medialen gepflogenheiten versuchen das abgrenzende kunstverständnis aufrecht zu erhalten. doch die welt ist schon längst weiter.

so wird sich nach shields auch die literatur verändern. wir dürsten nach wahrheiten und wirklichkeiten, die keine sind. können sie auch nicht sein, wenn man dem zitat eines zitates glaubt: „man verfälscht die wahrheit, wenn man schreibt. man kann nicht so tun, als würde man versuchen, zur wörtlichen wahrheit zu gelangen. und wenn man sich diesen mangel eingesteht, besteht der einzige trost darin, dass man zur dichterischen wahrheit zu gelangen sucht, die sich allein durch erfindung, imagination und stilisierung erreichen lässt. ich strebe nach authentizität; an ihr ist nichts wirklich.

und so wollte shields die verwendeten zitate in seinem mosaik nicht kennzeichnen, aber der verlag bestand aus rechtlichen gründen darauf. denn der autor hat etwas neues geschaffen, etwas, dass das schreiben neu definieren könnte. spannend und lesenswert. „wenn wir unsicher sind, sind wir am leben„.
das buch ist 2011 bei c.h.beck in münchen erschienen. ISBN 978-3-406-61361-6