kreatives schreiben und weinen

beim kreativen schreiben ist die wahrscheinlichkeit größer, dass einem die freudentränen in die augen steigen, als dass man über das geschriebene so traurig wird, dass geweint wird. hier unterscheidet sich das kreative schreiben vom biografischen schreiben. aber das möchte ich nicht genauer betrachten. es stellt sich für mich eher die frage, wie lässt sich weinen in texten umsetzen.

die gefahr, protagonistInnen in der eigenen geschichte weinen zu lassen, besteht darin, dass es recht schnell kitschig und gefühlig wird. da in der deutschen sprache die worte für das weinen und die tränen fehlen, also nicht viele verschiedene varianten gewählt werden können, ist zu überlegen, ob man die große traurigkeit oder hilflosigkeit nicht in metaphorische umschreibungen packt. dabei wird das eigentliche weinen zwar in den hintergrund gedrängt, aber für die leserInnen erschließt sich die gefühlslage besser.

in dialogen lässt sich das weinen noch schwerer darstellen. es klingt nicht unbedingt gut, wenn man „huhuhu“ schreibt, um dem weinen einen klang zu geben. „schnief“ und „schneuz“ gehören eher in den comic, als in einen dialog. es müssen also verbale ausdrücke für die traurigkeit gefunden werden und vielleicht kann man dann noch die regieanweisung angeben, wann jemandem die tränen herunterlaufen. mehr kann man nicht machen.

beim weinen unterscheidet sich das schreiben sehr stark vom film oder theater, wo dieser gefühlsregung die unterschiedlichsten ausformungen gegeben werden können. aber man kann dafür die zuspitzung der traurigkeit durch lautes und niedergeschriebenes denken schriftlich umsetzen. hier ist der spielraum wiederum unendlich. wie erlebt ein mensch innerlich die sich zuspitzende krise? welche gefühlsregungen machen sich breit? ab wann erreicht jemand einen karthatischen zustand und ergibt sich seinen gefühlen? und welche wirkung hat das weinen auf die eigenen gedanken, auf die eigene befindlichkeit?

da kann dann auch die reaktion der umwelt, der nahestenden menschen unter die lupe genommen werden. aber auch hier ist vorsicht geboten, um nicht ins kitschige abzudriften. denn sätze wie „sie tupfte ihm die tränen aus dem gesicht“ sind eher untypisch und sehr schmalzig. auch das obligatorisch gereichte taschentuch hat eher einen muffigen charakter. da sollte man eher umschreibungen für den klang des schluchzens finden oder die rotzfäden, die aus der nase laufen, beschreiben. man kann in die geröteten augen blicken und dergleichen mehr.

nähert man sich lyrisch dem weinen an, dann lassen sich allerdings wieder viele bilder und umschreibungen für das weinen finden. in der lyrik finden tränen und das weinen ganz andere verwendung und wirken längst nicht so gefühlig. tränen erhalten nicht selten einen symbolischen charakter und stehen für einen starken gefühlsausdruck. so wie nina hagen in ihrem lied „seemann“ den tränen raum gibt.

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