schreibpädagogik und kuschelig

schreibgruppen haben etwas widersprüchliches an sich. erst einmal besuchen menschen schreibgruppen, die gern in einem kreativen umfeld selber aktiv werden und etwas produzieren, ja verfassen wollen, das sie dann anderen vorstellen und mit ihnen darüber diskutieren können. diese vorstellung lässt eine lebhafte atmosphäre mit direkter kommunikation erwarten.

tja, aber da gibt es die andere seite: menschen besuchen auch schreibgruppen, weil sie einen schutzraum suchen. ihre sonstige umwelt steht dem schreiben und der kreativität häufig skeptisch gegenüber. schreibgruppen sind für sie ein ort, an dem sie durchatmen können und auf menschen mit ähnlichen interessen treffen. da möchten sie nicht weitere skepsis und konflikte erleben.

aus dieser melange an widerstreitenden wünschen und bedürfnissen sind schreibgruppen ein komplizierteres gebilde, als man glauben mag. nicht selten kommt es vor, dass eine kuschelatmosphäre herrscht, die kritische bemerkungen zu texten und geschichten lieber aussetzt und relativiert, denn sie zu äußern. und es knallharte gruppen, in denen es zum guten ton gehört, texte gnadenlos zu zerpflücken, ohne auch nur im ansatz rücksicht auf die autorInnen zu nehmen.

gut, man kann schon sagen, dass kuscheln weniger lernpotential in sich birgt als kritik-sturzbäche. das problem der knallharten kritiken entsteht eher dadurch, dass sie oft genug den text verlassen und personalisierend, ja deutend mit den autorInnen umgehen. auf der anderen seite ergibt sich die schwierigkeit im kuscheligen ambiente, dass kritik sehr schnell persönlich genommen wird, obwohl sie am text entlangarbeitet. dieser widerspruch ist nur dann aufzulösen, wenn man wieder einmal den goldenen mittelweg findet.

der baut darauf auf, dass teilnehmerInnen von schreibgruppen erwachsen sind und von sich aus formulieren können, was sie wollen, kuscheln oder nicht kuscheln. das sollte von allen ernst genommen werden. auch wenn man der meinung ist, die welt sollte harmonischer werden, gibt es auch eine erdrückende beruhigung von kritiken, die den wunsch der autorInnen ignoriert, dass klare worte gefunden werden. diese kuschelattacken werden oft als harmloser dargestellt, gehen aber ebenso aggressiv über die bedürfnisse der schreibenden hinweg wie vernichtende kritik.

es ist schön, wenn eine schreibgruppe in einem harmonischen miteinander schwingt und sich alle teilnehmerInnen aufgehoben fühlen, doch es sollte immer freigestellt sein, ob man mitschwingen möchte oder nicht. dann sind schreibgruppen an den bedürfnissen aller ausgerichtet.

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Eine Antwort zu “schreibpädagogik und kuschelig

  1. Lieber Christoph,

    Du beschreibst es gut – und Du weißt auch, wie man mit Gruppen umgeht, ich hab Deine Workshops an der Uni immer positiv erlebt.

    Die Dynamik in Schreibgruppen stellt eine große Herausforderung an SchreibgruppenleiterInnen. Es geht nicht nur darum, Menschen einen Platz zum Schreiben anzubieten, sondern den Schutz- und Entfaltungsraum zu gewähren, den Du in Deinem Artikel ansprichst. Schreibgruppenleiter sind gut beraten, auf der Beziehungsebene Vertrauen in der Gruppe herzustellen, damit die Schreiberei und das Vorlesen bei guter Laune stattfinden kann. Selbst kritische Bemerkungen können dann besser angenommen werden. Ist ja auch Absprachesache, ab wann und in welcher Form ‚kritisiert‘ wird. Es geht um Verbesserung, und die hört nie auf… um den Prozess und nicht nur das Produkt. Kleine Übungen im Anfangsstdium und immer wieder Ausbalancieren, wenn mal Unausgesprochenes die Atmosphäre trüben sollte – damit läuft’s meistens rund und die Gruppenmitglieder entfalten sich mit der Freude, die so ein schöpferisches Umfeld herstellen kann.

    Beste Grüße,

    Susanne

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