schreibberatung und fremde

der gang zur schreibberaterin, zum schreibberater, mutet immer noch befremdlich an. für viele ist dies ein armutszeugnis, gehen sie doch davon aus, dass lesen, rechnen und schreiben zu den grundkenntnissen der modernen menschen gehören. ein großer irrtum. das fängt schon bei der vorstellung an, allen menschen in der heutigen gesellschaft seien lesen, schreiben und rechnen in ihren grundzügen vermittelt worden. nein, die zahl der analphabetInnen ist weiterhin ordentlich, sie versuchen nur nicht aufzufallen, da sie sich schämen.

aber selbst die menschen, die die grundkenntnisse erlangt haben, sehen sich tatsächlich scheitern, wenn sie einmal eine schreibkrise und schreibblockade erleben. ähnlich wie beim burn-out, bei der drogen-abhängigkeit oder auch bei analphabetInnen, versuchen menschen ihre schreibschwierigkeiten vor anderen zu vertuschen. sie weichen aus, wenn sie gefragt werden, wie sie mit ihren schriftlichen (abschluss)arbeiten vorankommen. sie plagt ein schlechtes gewissen, das im laufe der zeit weiter anwächst.

da ist der nächste schritt, nämlich sich professionelle hilfe zu holen, ein sehr großer, da im vorfeld eingestanden werden muss, dass es so nicht weitergeht und dass man sich unterstützung suchen muss. da schreibberatung aber in deutschland immer noch ein nischendasein fristet, kommen viele überhaupt nicht auf die idee, dass es so etwas geben könnte oder es erscheint ihnen sehr fremd und sie können sich nichts darunter vorstellen.

manche vermuten hinter einer schreibberatung formen der schreibtherapie, andere vor allen dingen hilfen bei schreibfehlern und bei der grammatik, und etliche gehen davon aus, dass die schreibberatung für analphabetInnen sein, damit diese schreiben lernen können. all diese punkte können auch eine rolle in der schreibberatung spielen, doch im vordergrund steht hier die hilfe zur selbsthilfe, die ressourcenorientierte beratung bei schwierigkeiten, in einen schreibfluss zu kommen. oder einfach formuliert: wenn schreiben regelmäßig oder einmalig zur qual wird, dann kann schreibberatung helfen.

um der schreibberatung das befremdliche zu nehmen, bedarf es sicherlich noch eine ganze zeit. denn erst einmal muss gesellschaftlich anerkannt werden, dass jeder mensch in (schreib)schwierigkeiten geraten kann. leider hat sich auch bei uns das bild, dass manche tätigkeiten im leben eben kein zuckerschlecken sind, jeder da durch müsse, auch in bezug auf das schreiben sehr verfestigt. man findet immer noch in büchern über das wissenschaftliche und literarische schreiben, dass alles nun mal eine große anstrengung sei. natürlich schreiben sich diese texte nicht von selbst, aber immer wieder fehlt der aspekt, dass die schreibprozesse auch spaß machen können, da sie eine entwicklung, eine entdeckung und vieles mehr sein können.

so lang aber das schreiben mit diesen grundauffassungen vermittelt wird, so lang mutet das schreibschwierigkeiten-haben als „normal“ und die schreibberatung als „fremd“ an. es ist wünschenswert, dass sich dies ändert, doch dafür braucht es beständige aufklärung.

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