wie in der eben geposteten schreibidee aufgezeigt, kann man schreibend unglaublich viel nähe herstellen. doch nun möchte ich noch einen anderen aspekt im zusammenhang mit dem kreativen schreiben beleuchten: wie nah sollen meine kreativen texte an meinem leben sein? was will ich preisgeben und was nicht? denn jedesmal, wenn wir kreativ sind, fließen anteile von uns in das geschaffene und geschriebene ein. kreativität speist sich unter anderem aus unseren erfahrungen.
während des kreativen schreibens kann ein befreiendes gefühl auftreten, da man mit geschichten, gedichten und texten einen ausdruck für die eigene gefühlslage findet und „dinge loswerden“ kann. dieser aspekt ist nicht zu unterschätzen, wenn man später stolz auf das geschaffene blickt und überlegt, es der öffentlichkeit preiszugeben. man ist dem text nahe und der text geht einem nahe. (vorsicht mit deutungen: nicht jeder text spiegelt das seelenleben der autorInnen wieder!)
doch man sollte bedenken, dass man die reaktionen der öffentlichkeit auf das geschriebene nie einschätzen kann. man weiß nicht, wenn man ein buch veröffentlicht oder einen text ins internet stellt, wie er auf andere wirkt. schnell kann es zu kritiken kommen (natürlich auch zu lob, anerkennung und jubel), die einen noch stärker treffen, wenn man eine große nähe zum inhalt des textes hat. es ist sinnvoll, bevor man einen text veröffentlicht, eine gewisse distanz zu ihm aufzubauen, sich vom text zu verabschieden.
das mag jetzt recht kryptisch klingen, doch es benötigt gelassenheit, wenn jemand das selbstgeschriebene, das einen bewegt, zerpflückt. denn auch in kritiken fließen persönliche momente ein. stimmungen einzelner menschen, berührungen und nähe durch die gelesenen texte, lassen sich nicht erahnen. natürlich kann man sich beim schreiben die idealen leserInnen vorstellen, aber es wird auch andere geben. darum gehört es zum schreiben dazu, für sich strategien des selbstschutzes zu entwickeln.
dazu könnte gehören: texte, die mir sehr nah sind, veröffentliche ich nicht. beim schreiben achte ich darauf, nicht zu viel nähe zum geschriebenen herzustellen. ich spiele gedanklich durch, was das schlimmste wäre, das aufgrund meiner veröffentlichung geschehen könnte. dann bin ich vorbereitet auf alle widrigkeiten, die eintreten könnten. ich lese keine kritiken zu meinen texten und möchte auch keine feedbacks, wenn ich sie veröffentlicht habe. ich überlege mir sehr genau, wo ich veröffentlliche. texte, die mir nahe sind bekommen nur gute freundInnen. ich entwickle für mich rituale, mich von einem text zu verabschieden.
die krux bei diesen überlegungen ist: texte und geschichten, die mit viel nähe zu den autorInnen geschrieben wurden, sind oft auch die intensivsten und spannendsten. das ist ein ähnlicher effekt, wie wenn schauspielerInnen sich voll auf eine rolle einlassen und viele persönlichen anteile einfließen lassen. und es kann nicht sinn des schreibens sein, sich persönliches zu untersagen, denn dann würde das schreiben seinen befriedigenden und verarbeitenden aspekt verlieren.