das „neue kreative schreiben“ – ein lese- und diskussionstipp

wissenschaften und professionen leben von diskursen. dabei geht es meist um definitionen, neueste wissenschaftliche erkenntnisse oder herangehensweisen. gleichzeitig sind wissenschaften und professionen ein großer markt – schlicht geschrieben, es geht auch ums geld. das hat häufig den effekt, dass versucht wird, einen alleinigkeitsanspruch auf die definitionshoheit oder auf professionen zu erheben.

das beste beispiel dafür ist die finanzierung der psychotherapien in deutschland. es werden nur bestimmte therapierichtungen von krankenkassen bezahlt, andere nicht. der laie geht davon aus, dass es gute gründe für diese vorgehensweise geben muss, dabei war es nur gute lobbyarbeit. es gibt bis heute keine fachliche begründung, welche therapieform wirklich „effektiver“ ist. warum die systemisch therapie nicht finanziert wird, die psychoanalyse aber schon, hat nichts mit ihren jeweiligen positiven wirkungen zu tun.

leider gibt es auch beim kreativen schreiben ähnliche abgrenzungsversuche: stephan porombka versucht eine definition des „neuen“ kreativen schreibens und grenzt sich von einem „alten“ kreativen schreiben ab. den versuch einer neuen (seiner ansicht nach aktuelleren) definition des kreativen schreibens kann man hier nachlesen: http://www.gfl-journal.de/2-2009/porombka.pdf . auf einen einfachen blickwinkel runtergebrochen, handelt es sich bei dem text um die auseinandersetzung „schreibbewegung“ vs. „postmodernes schreiben“.

was in anderen wissenschaften und professionen schon vor jahren stattgefunden hat, hat vor einiger zeit auch das kreative schreiben erreicht. es ist der krampfhafte versuch, sowohl in den sozial- und naturwissenschaften, als auch den darauf aufbauenden professionen, das emotionale subjekt (den menschen mit all seinen ausdrücken, wahrnehmungen und erfahrungen) in den hintergrund zu drängen. dies findet sich in den diskursen über den „freien willen“, in den genetischen und neuropsychologischen forschungen und nun auch in dem „neuen kreativen schreiben“ wieder.

ich werde das hier noch ausführlicher analysieren, doch so viel sei schon einmal geschrieben: ein trost bleibt, dass es schon längst wieder gesellschaftliche gegenbewegungen gibt und das subjekt einfach nicht aus den ereignissen dieser welt verschwindet. entsolidarisierung und (selbst)ausdrucksarmut sind zwei seiten einer medaille. einhergehend mit einer ungezügelten digitalisierung gibt es nur ein ziel: die marktwirtschaftliche verwertbarkeit, die als professionalisierung verkauft werden soll.

es lohnt sich, den text zu lesen, um zu diskutieren, ob das „neue kreative schreiben“ wirklich „neu“ ist und welche gesellschaftliche funktion das daraus resultierende literarische schreiben hat.

der text von stephan porombka ist im gfl-journal (german as a foreign language), no 2-3/2009 erschienen. ISSN 1470-9570.

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