vor allen dingen beim feedback-geben zu texten ist es manchmal für teilnehmerInnen von schreibgruppen oder schreibwerkstätten verführerisch, die texte in bezug auf die autorInnen zu deuten. dabei handelt es sich um aussagen wie: „du wolltest wahrscheinlich damit sagen, dass …“. oder noch direkter: „diese stelle zeigt, dass du …“. hier wird über die wahrnehmung des bewusst geschriebenen hinausgegangen und ein bezug zu den angenommenen gedanken (bewusste und unbewusste) der autorInnen hergestellt.
in diesen momenten müssen meiner ansicht nach gruppenleiterInnen eingreifen, wenn sich die angesprochenen autorInnen nicht selbstständig dagegen wehren. kein mensch kann von außen beurteilen, welche bewussten und unbewussten gedankenprozesse bei schreibenden während des schreibens stattfinden. man begibt sich in diesen momenten in den bereich der spekulation, die keinen sinn bei textbesprechungen macht. darum kann man entweder entscheiden, nachzufragen, was die intention war, einen text zu verfassen, welche gedanken dabei auftraten, oder man beschränkt sich darauf, zu betrachten, was der text bei einem selbst auslöst.
nicht nur beim biografischen schreiben, sondern bei allen schreibarten fließen auch persönliche anteile der autorInnen ein. ob dies nun bewusst oder unbewusst geschieht, spielt eigentlich keine rolle, da nur das ergebnis von interesse ist. natürlich kann einem beim schreiben manches bewusster werden, können selbstreflexionen verstärkt werden. dies kann man offen legen, wenn es einem notwendig erscheint und zum textverständnis beiträgt. ist dies nicht der fall, befindet sich eine schreibgruppe schnell in der rolle einer beichtrunde oder einer selbsterfahrungsgruppe.
die schreibgruppenleitung sollte schon im vorfeld mit der gruppe abklären, wie weit man auf bewusste oder unbewusste effekt beim schreiben und beim thema des treffens eingehen möchte. natürlich bietet gerade biografisches schreiben die möglichkeit, sich in einer gruppe selbst zu vergewissern. und doch kann dieser schritt nur von den autorInnen vorgenommen und gewünscht werden. alle anderen handlungen der deutung sind übergriffig und problematisch.
zudem kann es aber auch für andere teilnehmerInnen belastend werden, wenn sie mit zu vielen selbstoffenbarungen durch einzelne teilnehmerInnen konfrontiert werden. verknappt geschrieben: „dinge, die ich nie erfahren wollte.“. sind die betrachtungen in einen text verpackt, ergeben sich ganz andere umgangsmöglichkeiten. man kann sich als hörerInnen leichter von den persönlichen anliegen distanzieren und sich auf den textstil konzentrieren.
all diese prozesse sind einzig eine frage der absprache. diese absprachen zu treffen, liegt in der verantwortung von schreibgruppenleitungen. denn manchmal rutschen gruppen gern in einen prozess der offenbarung, der erst im nachhinein als belastend erlebt wird. das muss nicht sein und kann rechtzeitig entschieden werden.