Tagesarchiv: 20. März 2012

kreatives schreiben und bürokratie

post, ja heute kam post: „für die bearbeitung des antrages ist ein aussagefähiger schriftlicher bericht über die bisherige …tätigkeit mit folgenden inhalten erforderlich“. danach zählt man fünf punkte auf, deren zeitlicher aufwand in keinem verhältnis zum ergebnis stehen. das ist nicht neu, doch immer wieder faszinierend.

wer im psychosozialen bereich bei freien trägern arbeitet, kennt das zur genüge. anträge bei der eu werden teilweise in siebenfacher ausfertigung verlangt. doch nicht genug damit, allein für die zwischenberichte könnte man eine eigene arbeitskraft beschäftigen. die eigentliche (wichtige, notwendige, sinnvolle, soziale …) tätigkeit trat im laufe der letzten jahrzehnte mehr und mehr in den hintergrund, die zeit ist mit bürokratie zu füllen. hier ist ein parallelmarkt entstanden, der wiederum neue berufsgruppen hervorruft. inzwischen gibt es menschen, die gegen eine beteiligung, die anträge für einen ausfüllen.

das kreative schreiben kann mehrere funktionen in diesem zusammenhang übernehmen. mit hilfe seiner schreibtechniken fällt es leichter anträge zu formulieren und zu schreiben (auch wenn die buchhaltung definitiv nicht aufgelockert werden kann). der frust über das antrag-schreiben kann in possierliche geschichten der bürokratischen nebenbeschäftigung gepackt werden, ebenso wie die ohnmacht gegenüber den antragsentscheiderInnen.

aber man kann noch einen schritt weiter gehen. man kann eine bürokratie-freie gegenwelt entwerfen. wie war das noch einmal mit der steuererklärung auf einem bierdeckel? es war absurd, da ein ganzer markt zusammenbrechen würde, der mehr beschäftigte als „schlecker“ vorweisen kann. der alternative glorreiche tipp in büchern zum zeitmanagement: lassen sie spezialisten die zeitaufwendigen dinge erledigen. und so gibt es das outsourcing, das sich inzwischen in regionen der welt verlagert, die preiswerter sind als unsere spezialisten. wir exportieren also unsere bürokratie und importieren die lösung des problems gegen bezahlung aus billiglohnländern.

hier finden sich für das kreative schreiben unzählige absurde geschichten, die den mechanismus des um-sich-selbst-drehens wunderbar entlarven können. wie würden außerirdische unsere bürokratie wahrnehmen? „welchen weg legt ein joghurtbecher zurück bis er im laden steht?“ kennen wir alle, aber „welchen weg legt ein finanzantrag zurück bis er entschieden wird“ wäre noch zu schreiben. und man kann geschichten im bürokraten-sprech verfassen.

und zum schluss kann man noch einen blick hinter die kulissen werfen. denn die bearbeiterInnen der bürokratie unterliegen ebenso fürchterlichen zuständen. sie müssen etwas umsetzen, das sie selber kaum mehr nachvollziehen können. sprechen sie mal mit mitarbeitern in der arbeits- oder finanzverwaltung über die ständigen neuen gesetzgebungen. machen sie eine geschichte daraus. fragen sie, wie der umgang mit den entnervten und ohnmächtigen kunden aussieht. soziale behörden haben inzwischen einen direkten draht zur polizei. wir schützen unsere bürokratie mit aller staatsmacht. das hat potential für geschichten, stories und gedichte.

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web 2.86 – in praise of copying

die frage, wer eigentlich was besitzt und wer wovon profitiert, geht in die nächste runde. in der digitalen welt werden von (kultur-)konzernen maßstäbe angelegt, die fragwürdig scheinen. kunst und kultur lebten immer von der kopie. sich künstlerische techniken anzueignen hatte von je her mit kopien zu tun. und wie die süddeutsche zeitung heute im feuilleton zum verdienst der künstlerInnen mitteilte: „urheber und verwerter (musik- und buchindustrie – anm.d. autors) haben mitnichten die gleichen interessen“.

und der kunde hat dann auch noch einmal ganz andere interessen. es mag juristisch einwandfrei sein, doch logisch ist es nicht: ich kaufe eine ware und darf mit ihr nicht machen, was ich möchte. das wäre, wie wenn ich die gurke für den gurkensalat schäle und die schale als beweis, dass ich den salat gegessen habe, wieder zurückbringen müsste. und der gastronomie-verband verlangt von mir eine abgabe, wenn ich andere zum essen einlade. vielleicht sollten künstlerInnen immer öfter einen „hofladen“ aufmachen.

letztendlich landet man bei der diskussion immer wieder an zwei punkten: was ist uns kultur wert? und wie geht man mit kopien um?. was geschieht zum beispiel mit menschen, die einen nachgemalten rembrandt oder van gogh in ihrer wohnung haben?

lange vorrede, kurzer sinn: der blog von marcus boon versammelt beispiele des multimedialen copy & paste auf seiner homepage. gleichzeitig lädt er dazu ein, seine wissenschaftliche arbeit „in praise of copying“ herunterzuladen. vielleicht sollte man sich erst einmal mit dem prinzip des kopierens auseinandersetzen, bevor man moralische und strafrechtliche urteile fällt. mehr unter: http://inpraiseofcopying.wordpress.com .