nabelschau (63)

tag-und-nacht-gleiche. ausgewogen sollten die gewichte sein, wie die tag-und-nacht-gleiche. hell und dunkel sollten gleich lang andauern, je nach vorliebe wäre für jeden genauso viel dabei. zum frühlings- und zum herbstanfang ist dies der fall. leider nicht zu allen anderen jahreszeiten. leider auch sonst nicht in unserem restlichen leben. es gibt keine zeitliche und keine bedingungsgerechtigkeit. das problem abseits der natur besteht aber darin, dass wir die ungleichheit selbst produzieren. wir werten auf und werten ab – und was noch schlimmer ist, wir ignorieren diese ungerechtigkeit.

es ist nicht mehr zu verstehen, weshalb die trauerfeier um kinder, die in einem bus gestorben sind, der gegen eine tunnelwand raste in den hauptnachrichten staatlicher sender platz findet, aber die trauerfeiern für die kinder, die täglich in afrika verhungern nicht einmal gezeigt werden. so schlimm der unfall im tunnel ist, so schlimm das erlebte für belgische eltern ist, so unklar ist die gewichtung. gut, die geographische nähe ist ein unterstützender faktor, das zugpferd katastrophe sicherlich auch.

aber der alltag in afrika ist auch ein katastrophe, die leider täglich stattfindet. und wir tun immer noch so, wie wenn wir nicht daran beteiligt wären. wir gewichten also das leid und die kinder (ja, es wird auch das label „kind“ in diesem zusammenhang für die meldung genutzt) verschieden. es ist zu vermuten, dass sich „ohnmacht“ – nämlich ein unfall – besser verkauft, als schlechtes gewissen. darum wird wohl die rede einer schwester eines opfers zur hauptsendezeit verbreitet. wir bilden aber nicht (oder fairer weise sollte ich schreiben „kaum“) die ohnmacht einer mutter ab, die ihr kind verhungern lassen muss.

da mag es mancher „unerträglich moralisierend“ finden, was hier steht. aber es scheint mir interessant, weshalb so gewichtet wird. die distanz allein kann es nicht sein. schon die zahl der opfer in afrika spricht gegen die alleinige distanz. es scheint, hier wird der bildungs- und informationsauftrag öffentlich-rechtlicher anstalten absichtlich missverstanden. es geht um die quote! zum bildungsauftrag gehört auch, unbequemes zu thematisieren. aber eine der begründungen für manches infotainment ist: die menschen wollen nicht immer nur schlimme nachrichten vernehmen.

doch tod ist tod – ein mensch wird aus dem leben gerissen. andere menschen werden ihn vermissen, sie trauern. aber es gibt hier eine schräge sichtweise. der tod in belgien ist wichtiger als der tod in afrika. und wenn man genau hinhört, dann schwingt in vielen berichten auch die unterscheidung von unverschuldet und selbst verschuldet mit. die erwähnung von bürgerkriegen wird im zusammenhang mit einer hungersnot sehr gern gebracht. wie wenn der klimawandel und die trockenheit nicht vor allen dingen von uns mitverursacht werden. manchmal wünscht man sich in den nachrichten eine tag-und-nacht-gleiche so zum an die eigene nase fassen. und dann vielleicht wenigstens, allerwenigstens den co2-ausstoss zu verringern.

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