Monatsarchiv: April 2012

web 2.89 – bbc-dimensions

vieles können wir uns nicht vorstellen. wir sehen es zwar im fernsehen und lesen es in der zeitung, aber die dimensionen der ausmaße von ereignissen sind schwer zu fassen. oder haben sie eine ahnung, was es bedeutet, wenn die fläche der jährlich zerstörten regenwälder in hektar angegeben wird? wenn ihnen jedoch jemand sagt, dass es sich dabei um eine fläche von xy fussballfeldern handelt, dann können sie ein wenig die dimension der zerstörung erfassen.

das sz-magazin hat gestern eine spannende homepage der bbc vorgestellt. es gibt bbc-dimensions, ein projekt, das zwei seiten enthält „howbigreally“ und „howmanyreally“. beide seiten zeigen an handfesten beispielen auf, wie zahlen zu verstehen sind. wie viel fläche würde zum beispiel der mond verdecken, wenn er auf die erde fällt? es ist erstaunlich wenig. ich dachte, das ding muss größer sein. oder wenn sie in einem bus sitzen – wie viele menschen in dem bus wären anteilig an pest erkrankt, wenn man die zahlen der damaligen erkrankten in london nimmt. eigentlich jeder zweite mensch. die pest raffte damals halb london dahin.

die webseiten bringen uns auf den boden der tatsachen zurück. wenn zum beipiel tschernobyl in texas gewesen wäre, über welche fläche der usa wäre die strahlenwolke hinweggezogen? über beinahe die gesamte usa. auch wenn die daten oft mit britischen regionen oder städten verglichen werden, der blickwinkel ist ein grandioser und verständlicher. bei „howmanyreally“ kann man sogar eigene maßstäbe angeben, um diese ins verhältnis zu setzen. machen sie sich einfach mal ein bild von vielem unbegreiflichen – hier: http://www.howbigreally.com und http://www.howmanyreally.com . und dann verstehen wir eventuell wirklich, was es bedeutet, wenn alle paar sekunden ein mensch auf der welt verhungert.

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wortklauberei (104)

endlagersuchgesetz

wie lautet es bei den schwäbischen kabarettischen sängern „ernst & heinrich“ so schön? „such, such, such!“ und „der mensch ist ein suchender.“ und inzwischen macht er dafür sogar gesetze. wir suchen ja schon lang ein endlager für den atommüll, aber anscheinend wurde nie richtig gesucht. nach gefühlt einem halben jahrhundert wird jetzt ein gesetz erlassen, damit endlich mal richtig gesucht wird. abgesehen von der frage, ob man das nicht schon von anfang an wusste, dass es wahrscheinlich keinen anständigen ort für ein endlager gibt, ist die wortschöpfung für den titel des gesetzes einer der schönsten und bürokratischsten: das „endlagersuchgesetz“.

da kommen einem viele ideen in den sinn: erst einmal die schlichten varianten: die ostereiersuchverordnung oder die versteckenspielensuchregeln. doch dann kann man weiter gehen: wo kommen wir gerade nicht so richtig weiter? was benötigt wahrscheinlich noch ein gesetz? zum beispiel ein rettungsschirmbürgermitsprachesuchgesetz wäre chic. oder ein werdrehtanderbenzipreisschraubesuchgesetz – um auch den populistischen bereich abzudecken. doch dann kämen da noch das woentstehenmonopole(undpreisabsprachen)suchgesetz, das wiealsradfahrerindergroßstadtüberlebensuchgesetz, das wogibteswährendderfussballeuropameisterschaftkneipenohnepublicviewingsuchgesetz, das atomkraftwerkausschaltknopfsuchgesetz, das ichweißgarnichtmehrwasichsuchsuchgesetz in frage.

doch nicht genug damit, als nächstes sollten die schützunsnichtfliegervorfluglärmverordnung, das tvwerbeunterbrechungsverkürzungsgesetz, die gutefilmezurprimetimesendeverordnung, das ruhezoneninöffentlichenverkehrsmittelnvergrößerungsgesetz, die wirerziehenunserekinderzuhausezuegotrippernverhinderungsverordnung, das vorratsdatenspeicherungskammerundservergesetz und das tauschhandelistwiedererwünschtgesetz erlassen werden.

und wenn alle gesetze und verordnungen berarbeitet und erlassen wurden, dann wird man sicherlich auch ein endlager finden. aber so lang kommt bei mir der strom einfach aus der steckdose.

schreibpädagogik und sonne

da es gerade sommer wird, greife ich gern den begriff „sonne“ auf und wende mich der frage nach helligkeit und wärme in schreibgruppen zu. nein, ich möchte hier nicht noch mehr schreibanregungen zum thema „sonne“ präsentieren, die finden sich schon beim biografischen und kreativen schreiben. es macht sinn, einmal nach dem wohlfühlen in gruppen zu schauen.

winter und sommer sind inzwischen häufig gezeichnet von extremen wetterverhältnissen. dies führt dazu, dass man in räumlichkeiten entweder die heizung voll aufdrehen muss oder für ein wenig kühlung sorgen sollte. es ist bei schreibgruppen und beim schreiben unangenehm, wenn man friert oder kurz vor dem hitzschlag steht. schwierig wird es dadurch, dass wärme- und kälteempfinden von menschen sehr verschieden sind. darum sollte man zwischendurch einmal fragen, ob sich alle so weit wohl fühlen. ist dies nicht der fall und gehen die meinungen auseinander, muss ein kompromiss gefunden werden.

in diesen momenten ist die schreibgruppenleitung gefragt, denn abstimmungen oder diskussionen über die jeweiligen befindlichkeiten können schnell ausufern. darum sollte man sich selber gewisse standards geben. die raumtemperatur sollte bei 20-21 grad celsius liegen (und es sollte angemerkt werden, wenn dies wegen der wetterlage nicht möglich ist). bei viel sonnenschein und großer hitze sollten genug getränke zur verfügung stehen. man kann bei sehr extremer hitze die gruppe entscheiden lassen, ob man sich eventuell auf einen anderen termin vertagen möchte.

dazu kommt das bedürfnis nach frischer luft. bei mehreren menschen in einem raum ist schnell der sauerstoff aufgebraucht. zumindest sollte in pausen gut gelüftet werden. sauerstoffmangel ermüdet und lässt das schreiben immer schwerer fallen. auch hier müssen eventuell kompromisse wegen der temperaturschwankungen und der frischen luft gefunden werden. am rande macht es sowieso sinn, immer wieder pausen in den ablauf einer gruppe einzubauen. gruppenleitungen vergessen diesen aspekt öfter, wenn sie Weiterlesen

„reisen im skriptorum“ von paul auster – ein buchtipp

es handelt sich bei dem buch um keine neuerscheinung, eigentlich kommt es vom grabbeltisch der mängelexemplare. doch das bedeutet eigentlich nichts, bücher können ja zeitlos sein. die geschichte, die paul auster in seinem buch „reisen im skriptorum“ erzählt, könnte jeden menschen treffen, der schreibt. plötzlich wacht man auf und fragt sich wo man ist. es fehlen einem im ersten moment die worte für die eigene situation, das umfeld ist unklar.

das ganze hat etwas bedrückendes. handelt es sich um alzheimer oder andere altersgebrechen? oder handelt es sich um einen traum, den man gerade nicht verlassen kann? auster entblättert in seiner geschichte stück für stück, dass die situation des erzählers wohl mit dem schreiben von geschichten und romanen zu tun hat. so langsam erkennt der schreibende, dass er die personen, die ihn pflegen und versorgen kennt, ebenso wie seine besuche. doch er weiß nicht genau, woher er sie kennt. so viel sei geschrieben, es sind die geister, die er rief.

während des lesens wird einem bewusst, dass es sich um mehr als eine altenpflegestation handeln muss, dass der erzähler gefangen ist in einem wirrwarr aus ungereimtheiten, deren grundlagen er immer mehr auf die spur kommt. man ahnt, wer die personen um ihn herum sein könnten. man ahnt es darum, da sie ihm so viele vorwürfe machen, da er so viel macht über sie hatte. doch den schluss der geschichte kann man nicht ahnen. er gibt dem ganzen geschehen eine fiese note.

ein buch, das einen hineinzieht in eine welt der bedürftigkeit und hilflosigkeit. ein buch, das einen ebenso lang im unklaren lässt, wie den protagonisten. und ein buch, das am schluss die frage entstehen lässt, woher eigentlich die eigenen geschichten und personen beim schreiben von geschichten und romanen kommen. eine schöne story für zwischendurch. das buch ist 2007 bei rowohlt in reinbek bei hamburg erschienen. ISBN 978-3-498-00074-5

schnickschnack (119)

hier stelle ich immer wieder gern (foto)sammlungen vor, die man als anregung verwenden. als anregung für geschichten, als anregung für biografisches schreiben oder als anregung, eigene sammlungen ins leben zu rufen. und es gibt wieder eine schöne sammlung, die gestern im fernsehen vorgestellt wurde.

die new yorker stadtverwaltung hat fotografien aus vielen jahrezehnten (insgesamt wohl über 870 000) ins netz gestellt. das interessante an den fotografien ist, dass sie nicht unbedingt nur die sehenswürdigkeiten abbilden, sondern viel alltag. denn die fotos wurden von angestellten der stadtverwaltung im laufe der jahre gemacht. und so kann man sich durch eine der lebhaftesten städte der welt in einer zeitmaschine bewegen. würde man zumindest gern, wenn der server nicht überlastet wäre. anscheinend hat die stadt new york mit ihrem angebot das interesse vieler geweckt.

nun versuchen sie mal historische bilder von berlin in einer sammlung zu finden. oh je, es gibt dermaßen verstreute angebote, dass man sich einen wolf suchen kann. das ist schade. und die stadtverwaltung bietet zwar aktuelle fotos aus der stadt, doch darauf sind ausschließlich touristische attraktionen abgebildet. die archive werden nicht geöffnet, bleiben weiter verschlossen. auch bei suchen auf der plattform „europeane“, der kulturdatenbank der eu, finden sich bilder von berlin aus norwegen, österreich oder anderen ländern, aber kaum aus berlin selber.

darum also erst einmal den blick nach new york wenden, wenn der erste ansturm auf den server vorüber ist, und eine kleine story verfassen: http://www.nyc.gov/html/records/html/gallery/home.shtml .

wie man den spass am schreiben abgewöhnt (04)

vorsichtige verlage

es gibt wahrscheinlich eine menge menschen, die schreiben, die interessantes schreiben und die gern das geschriebene veröffentlichen würden. also drucken sie ihre texte aus, schreiben einen brief dazu und senden das ganze an einen verlag. oder sie wandeln den text in eine pdf-datei, schreiben eine mail und senden das ganze auch an einen verlag. und die meisten werden keine antwort erhalten, geschweige denn eine zusage bekommen.

es mag sein, dass darunter literarische produkte sind, die leserInnen nicht schätzen werden. aber ich schätze, dass es viele werke gibt, die mindestens so interessant sind, wie das angebot im buchhandel. doch sie werden nie den werbeaufwand erleben oder einen großen verlag finden. denn die verlage sind vorsichtig geworden. es gibt nur noch wenige experimente. man greift auf bewährtes zurück und hält dieses angebot, bis es sich erschöpft hat.

man schaue sich die bestsellerlisten an und man weiß, was zur zeit „mode“ auf dem buchmarkt ist. das traurige an dieser vorgehensweise stellt eine parallele zum öffentlich-rechtlichen fernsehen dar: eigentlich befindet sich der buchmarkt in deutschland in einer recht geschützten position: es gibt eine buchpreisbindung, die verdrängung auf dem markt kann also schwer über dumpingpreise geschehen. und ein niedrigerer mehrwertsteuersatz soll das buch fördern. insgesamt also zu anderen wirtschaftszweigen eine sicherere position.

doch man folgt eher den einer unausgesprochenen anspruchslosgikeit. hier hat sich eine seltsame allianz gebildet. schon in der schule werden die klassiker gelesen, selten greifen lehrerInnen zu moderner, außergewöhnlicher literatur. im fernsehen gibt es ein paar büchersendungen, die man an einer hand ablesen kann und deren sendeplatz sich in den randzonen befindet – vergleicht man dies mit dem sport, packt einen das grauen. und dann beherrschen ein paar große verlage den markt. wie soll mensch in diesem moment von neuen büchern erfahren?

die existentielle fähigkeit des lesens wird schlecht behandelt, im gegensatz zur fähigkeit der bewegung und des sehens oder des handels. wie wäre es mit einem buchtipp vor den hauptabendnachrichten anstatt der börsenkurse? tja, und in diesem moment gehen schreibende davon aus, dass sie ihr buch oder ihren text sowieso nie losbekommen werden und stecken das werk in die schublade, manche veröffentlichen vielleicht noch im eigenverlag oder im internet. heute gibt es wenigstens books on demand und e-books, also recht preiswerte möglichkeiten das geschriebene zu verbreiten.

und doch werden sich viele überlegen, ob sie überhaupt ein buch veröffentlichen wollen, sich also an das schreiben eines langen textes wagen wollen, wenn es sowieso niemand anders als vielleicht ein paar gute freunde lesen werden. gut es gibt schreibwettbewerbe, in denen man kleinere texte platzieren kann. aber es gibt eigentlich nur den ingeborg-bachmann-preis in österreich für längere werke. vergleicht man auch dies mit wissenschafts-, sport-, film- oder musikwettbewerben, so ist der betriebene aufwand für neu geschriebenes und unveröffentlichtes auffällig gering. warum keine buch-berlinale?

und wenn sie nicht gestorben sind, dann sitzen sie noch heute in ihrem kämmerlein und schreiben für sich den außergewöhnlichen roman, eine grandiose lyriksammlung oder die ultimative abenteuergeschichte. andere werden davon nie erfahren.

liste (108) – sonne

wer lust hat, kann sich diese seite ausdrucken und ausfüllen. ich schlage listen vor, die einem vielleicht einen überblick zu verschiedenen themen der eigenen lebensgeschichte geben können. dieses mal geht es um die „sonne“.

meine liebsten sonnenplätze:

meine besten rezepte gegen hitze:

meine schönsten nackten momente in der sonne:

die schlimmsten momente zu vieler sonne in meinem leben:

die menschen mit dem sonnigsten gemüt, die ich kenne:

biografisches schreiben und sonne

ganz schlicht: welche rolle hat die sonne in ihrem leben bisher gespielt? auf diese frage kann man den aspekt „sonne“ beim biografischen schreiben reduzieren. natürlich schließen sich meist andere fragen an: wie? was soll die sonne mit meinem lebens zu tun haben? warum sollte ich mich das fragen?

es ist eine möglichkeit, einen zugang zur eigenen lebensgeschichte zu finden. wenn man bei adam und eva beginnen möchte, dann basiert unser ganzes leben auf der sonne. die pflanzen benötigen die sonne, um energie mit hilfe des chlorophyls zu speichern und zu verwenden. inzwischen werden wir wie die pflanzen und bauen solaranlagen für unseren energiebedarf.

aber man kann an der sonne entlang die eigene lebensgeschichte wie an einer schnur aufreihen: wie waren die ersten familienurlaube? was spielte man als kind draußen? ging man in freibäder und an seen, um freundInnen zu treffen? was passierte da? wie war es mit den ersten flirts draußen? wie romantisch war der eigene naturbezug? garten und schönes wetter? wo fuhr man mit den eigenen kindern zum urlaub hin? hatte man einen job draußen oder drinnen? wie stark beeinflusst das wetter das eigene einkommen? spürt man den klimawandel? ist das eigene gemüt immer sonnig gewesen oder auch bewölkt? und wie war es mit der stimmung wann? wie ist der bezug zum eigenen körper? mag man es nackt in der sonne zu liegen? …

es gibt so viele möglichkeiten die sonne in die betrachtungen und als startpunkt einzubeziehen. dies natürlich nur, wenn es einem schwer fällt, einen ausgangspunkt für das aufschreiben der eigenen biografie zu finden. ansonsten sind die sonne, das wetter, die natur eventuell einzelne aspekte in der eigenen lebensgeschichte. man erinnert sich oft an harte winter oder heisse sommer im zusammenhang mit anderen ereignissen. diese müssen nicht mit dem wetter im zusammenhang stehen, doch die temperaturen können Weiterlesen

kreatives schreiben und sonne

nun, zur zeit sieht der himmel anders aus. ein grobes grau zieht über das land hinweg. aber bald, bald soll die sonne hervortreten und einen vorgeschmack von sommer bringen. bis dahin, kann man sich überlegen, wie sich die sonne mit dem kreativen schreiben verbinden lässt?

der einfachste weg: man geht zum schreiben raus. wenn die sonne scheint und die temperaturen es zu lassen, dann lohnt sich ein besuch im grünen, ganz gleich ob allein oder mit einer schreibgruppe. unter den gesichtspunkten des kreativen schreibens handelt es sich dabei um einen perspektivwechsel. man kann zum beispiel erst ort vor dem haus durch das fenster beobachten und darüber schreiben. dann begibt man sich vor das haus und nimmt die veränderten eindrücke auf, bringt sie zu papier.

so lang die sonne keine drückende hitze mitbringt, entspannen sich die menschen zusätzlich. man kann als schreibender mensch stimmungen auffangen und die reaktionen auf das wetter beobachten. oder man begibt sich an typische orte für sonnige tage: strassencafes, freibäder, seen und gärten. auch aus dieser perspektive lassen sich ideen und geschichten einfangen.

es gibt viele weitere möglichkeiten, wie die sonne ins kreative schreiben eingebunden werden kann. erstaunlicherweise erhält der mond in gedichten oder geschichte, gefühlt mehr bedeutung als die sonne. machen sie doch einmal einen sonn(en)tag zum schreibthema. was ist die sonne überhaupt? welche wirkungen hat sie? (wüste, schneeschmelze, erblühen, austrocknen, verhungern, wärme …). schreiben sie ein sonnengedicht. suchen sie worte mit „sonne“ und nutzen sie diese als schreibanregung (sonnenschirm, sonnenstrahlen, sonnenbrand, sonnenuntergang, sonnenaufgang …)

folgen sie der sonne beim schreiben in ihrer bewegung. setzen sie sich zum beispiel an einen ort und notieren sie ihre eindrücke im stundentakt von Weiterlesen

schreibidee (361)

eine schlichte idee, die trotzdem beim durchführen von schreibgruppen für abwechslung sorgen kann und dabei viel spaß macht. der frühling beschert uns auch die ersten süßen früchte des jahres. das spielt zwar keine große rolle mehr, da wir beim verzehr von obst inzwischen jahreszeitenungebunden sind, aber frisch gepflückte erdbeeren schmecken meist besser als importierte. darum heute eine schreibanregung zu „obst-korb-stories“.

die schreibgruppenleitung organisiert vor dem gruppentreffen je nach anzahl der teilnehmerInnen unterschiedliche obstsorten. diese werden auf einer platte oder in einem korb präsentiert. nun suchen sich alle teilnehmerInnen jeweils eine sorte aus, über die sie schreiben möchten. sollte es zu keiner einigung kommen wird gelost oder es wird ein obst-quiz veranstaltet und je nach ranking darf gewählt werden. zum einstieg notieren die teilnehmerInnen zu ihrer obstsorte ein paar eigenschaften und assoziationen.

im anschluss wird ein kurzer text (maximal zwei seiten) in form einer obst-beschreibung verfasst. um was für ein obst handelt es sich? wie wächst es? wie schmeckt es? wann wird es geerntet? wie schmeckt es? … bei dieser beschreibung kann viel mit metaphern zu geschmack, farbe, aussehen gearbeitet werden. das jeweilig obst wird in einer kleinen präsentation der schreibgruppe vorgestellt.

nun wird eine längere geschichte geschrieben, in der die obstsorte eine wichtige rolle spielt. was für eine story kann zum beispiel von einer kiwi handeln? was passiert bei einem bananen-blues? es gibt keine vorgaben, welche rolle das obst spielen muss. anschließend werden die geschichten vorgelesen und es findet eine feedbackrunde in der schreibgruppe statt. da das obst nicht nur zum anschauen da sein soll, bereitet die schreibgruppe gemeinsam einen obstsalat zu.

auch schreibend wird nun ein obstsalat verfasst. ideal wäre es, wenn die jeweiligen obst-beschreibungen während der salatzubereitung vervielfältigt werden können. alle halten nun die kurzbeschreibungen der obstsorten in der hand. während der salat zieht, wählen die teilnehmerInnen für sich die beste obstsalat-kombination aus den früchten aus und schreiben eine kürzere geschichte dazu. während der salat verzehrt wird, werden die jeweiligen geschichten zum abschluss vorgetragen.

web 2.0 und haltung

das web 2.0 lädt dazu ein, eine haltung einzunehmen: „gefällt mir“-buttons, bewertungssternchen oder ranglisten zu hauf. dies sind abkürzungen einer haltung, denn die eigentliche begründung fehlt bei diesen schnell-bewertungen. umstritten bleibt diese vorgehensweise, da sie zum einen inzwischen professionell genutzt wird und menschen beauftragt positive statements zu produkten abzugeben. amazon schwächt dies dadurch ab, dass rezensionen eingestellt werden können und wiederum leserInnen bewerten können, ob sie die rezensionen hilfreich fanden oder nicht.

und auf der anderen seite hängen von den bewertungen inzwischen das wohl und wehe ganzer industriezweige ab. die schnellbewertungen fördern das konkurrenzdenken und feuern manchmal gerüchteküchen an. darum gibt es auf vielen seiten eine zusätzliche komponente: die kommentarfunktion. es können gründe für bewertungen abgegeben werden. leider werden aber die kommentarfunktionen oft genug für spam oder für spass-bewertungen genutzt. darum werden alle ernsthaften seiten inzwischen moderiert und lassen sich nicht mehr auf die freie zugänglichkeit für kommentare ein.

generell lässt sich aber sagen, befördert das web 2.0 den diskurs. denn wenn menschen sich nicht in gegenseitigen abqualifizierungen erschöpfen, dann können über kommentare oder foren meinungsbildungen stattfinden. die immer noch leichte zugänglichkeit, im gegensatz zu den früher üblichen leserbriefen, erleichtert es leserInnen eine haltung einzunehmen.

befördert wird der prozess zusätzlich dadurch, dass das internet halb-anonymität zulässt. viele sehen das als problem. doch wenn man sich genau umschaut, wird man feststellen, dass im laufe der letzten jahre immer mehr menschen eine gewisse ernsthaftigkeit bei ihren stellungnahmen an den tag legen, da sie keinen sinn darin sehe, mit Weiterlesen

selbstbefragung (163) – sonne

die fragebögen zur selbstbefragung versuche ich unter rubriken zu bündeln. dieses mal geht es um die „sonne“.

  • sitzen sie gern in der sonne? warum?
  • in welcher jahreszeit gefällt ihnen die sonne am besten?
  • stehen sie mit dem sonnenaufgang auf? warum?
  • welches war ihr schönster sonnenuntergang? beschreiben sie.
  • waren sie schon einmal in einem solarium? warum?
  • wie sonnig ist ihr gemüt? beschreiben sie.
  • ab wann scheint ihnen die sonne zu heiss?
  • ihr letzter sonnenstich?
  • ihr letzter sonnenbrand?
  • ihre sonnenseiten des lebens? beschreiben sie.

die letzten 150 selbstbefragungen sind als links hier gebündelt: https://schreibschrift.wordpress.com/2012/01/05/1500-fragen-zur-selbstbefragung-aus-diesem-blog/

nabelschau (66)

die muße-verachtung. bei begegnungen mit menschen kann man zur zeit etwas erschreckendes feststellen (na ja, ganz neu ist es nicht, aber gefühlt nimmt es zu) – viele laufen am limit. es gab sie schon immer, die gestressten, die wirbelwinde, die workaholics. der große unterschied besteht meiner ansicht nach darin, dass die hektik, die taktung und der stress nicht mehr frei gewählt sind. sie sind da in etwas reingerutscht, aus dem sie kaum mehr herauskommen.

noch interessanter wird das ganze, wenn man den nebeneffekt mitbekommt. selbst in momenten der totalen erschöpfung und am anfang der erholungsphasen wird von betroffenen der muße oder dem nichtstun abwehr und abwertung entgegengesetzt. die schwierigkeit besteht darin, dass sie sich dadurch selber abwerten. denn sie haben nichts nötiger, als eine längere ruhephase, als eine rückbesinnung auf sich selber. heutzutage gibt es nichts schlimmeres als nichts zu tun. ruhephasen stehen unter rechtfertigungsdruck.

also muss die freizeit ebenso gefüllt, getaktet und überfrachtet werden wie das arbeitsleben. oder die kräfte reichen nur noch zum zudröhnen, also zum beballern mit eindrücken und chemischen zusatzstoffen. ruhephasen geraten so zu störungen und sind oft genug gestört. schlafen klappt nicht mehr richtig, dösen ist unangebracht und gedanken schweifen lassen wirkt lethargisch in den augen vieler. und alle haben im hinterkopf, dass sich die außenbewertung vor allen dingen auch an einer sinnvollen gestaltung der freizeit orientiert. hier möchte man einen eindruck hinterlassen.

lang habe ich mich gegen den „mode“-begriff burn-out gewehrt. doch ich kann nicht umhin zuzugeben, dass es wohl mehr als eine mode ist, die selbst- aber vor allen dingen auch fremdüberforderung zu benennen. die körperlichen und seelischen reaktionen sind zu heftig. und vor allen dingen die abwehr gegenüber Weiterlesen

schnickschnack (118) – tagebücher von keith haring

manchmal gibt es richtig schöne, spannende projekte im netz. man findet sie wirklich nur dadurch, dass man entweder durch zufall darauf stösst, die anderen auf einen selber zufällig stossen oder man es an einem anderen ort gelesen hat. dieses mal habe ich den hinweis in der zeitschrift „art“ gefunden.

in new york (brooklyn) gibt es zur zeit eine ausstellung zu den frühen jahren von keith haring. und parallel dazu werden frühe tagbücher / journale von keith haring veröffentlicht. jeden tag eine seite aus den notizen. sie sind lesbar und zeigen zumindest einen prozess der selbstannäherung und ideenfindung. da die ausstellung nun seit gut einem monat geöffnet hat und bis anfang juli läuft, werden noch etliche seltenheiten im netz zu finden sein.

wenn man sich die seiten durchliest, dann zeigt sich, dass kreativität und kunst schwer von selbstreflexion zu trennen sind. und dass die sammlung von spontanen gedanken und ideen nur schriftlich funktioniert. der gedanke, man könne alles im kopf behalten, ist ein trugschluss. keith haring schreibt am anfang seines tagebuchs, das er mit 20 jahren führte, er habe die jahre vorher zu viele ideen und eindrücke vergessen, die grundlage von weiterführendem waren oder sein könnten. darum werde er beginnen, die eindrücke möglichst schnell zu notieren.

eine feine sache ist es, dass diese gedanken nicht verloren sind, sondern zumindest auschnitthaft allen zugänglich gemacht werden. nach dem motto „lernen von den alten“ – obwohl „alt“ im zusammenhang mit keith haring natürlich der falsche ausdruck ist, bieten persönliche niederschriften oder lebensgeschichten doch viele anregungen und momente, die zur eigenen weiterentwicklung beitragen können. und wer es bis dahin noch nicht gemacht hat, fängt nach der lektüre vielleicht auch an, ein eigenes tage- und ideenbuch zu führen.

zu finden sind die seiten unter http://keithharing.tumblr.com/ .

schreibpädagogik und haltung

schreibgruppen bieten die tolle möglichkeit, dass menschen zu bestimmten themen schriftlich eine haltung einnehmen und darüber in den diskurs einsteigen. natürlich sollte man sich als schreibgruppenleitung teilweise vorher die zustimmung der gruppe einholen, ob man nun einmal die zeit für einen intensiven diskurs nutzt. kommt die zustimmung, kann es sehr spannend werden.

das schreiben lässt diskurse schnell sehr intensiv werden, da es ein großer unterschied ist, ob ich etwas sage, oder es gleich niederschreibe. geschrieben und veröffentlicht liegt es schwarz auf weiß vor, kann verbreitet werden und immer wieder aus der schublade gezogen werden. also überlegen sich viele menschen genauer, welche haltung sie einnehmen und wie sie sie formulieren, wenn sie sie aufschreiben. dies fördert manchmal eine intensivere auseinandersetzung.

auf der anderen seite ist eine einmal schriftlich eingenommene haltung schwerer zu revidieren. persönliches umdenken wird mündlich eher verziehen als schriftlich. es genügt meist nicht, geschriebenes mündlich zu revidieren, es muss auch schriftlich noch einmal dagegen angeschrieben werden. der journalismus ist ein gutes beispiel dafür. bis eine gegendarstellung erschienen ist, hat sich manche position schon verfestigt und ist der ruf ruiniert.

auch dies kann in einer schreibgruppe vermittelt werden: schriftlich eine haltung einzunehmen – vor allen dingen, wenn sie veröffentlicht wird, sollte wohl bedacht sein. an diesem punkt wird vor allen dingen das internet oft unterschätzt. es mag schnelllebig sein, aber das digitale gedächtnis ist teils unerbittlich. dies soll aber nicht bedeuten, dass man am besten schriftlich keine haltung mehr einnimmt, da man ja umdenken könnte. denn der positive aspekt einer schriftlichen haltung besteht in der mächtigeren wirkung. nicht ohne grund werden schriftstellerInnen Weiterlesen

mein computer und ich – eine umgangslehre (17)

fehler

wir sind sowieso eine gesellschaft, die sich mit fehlern schwer tut. tolerant formulieren wir, dass es zum lernen und leben gehört, fehler zu machen. doch geschehen fehler, wird schnell die kompetenz in frage gestellt. also bemühen wir uns, stets fehlerfrei zu agieren. in der zusammenarbeit mit dem computer ist das aber schier unmöglich. je komplexer die systeme werden, um so leichter ist es, einen fehler zu machen.

sogar wenn die bedienungsoberfläche des betriebssystems oder der software unseren gewohnheiten angepasst ist, ist es natürlich möglich fehler zu machen. dazu gehört auch, dass selten die zeit vorhanden ist, sich wirklich in die rechenprozesse einzuarbeiten und zumindest einen teil der abläufe im computer zu verstehen. die meisten menschen lesen nicht die bedienungsanleitungen von software durch und schauen sich auch nicht die lehrfilmchen im internet an. sie nutzen ihren computer auf die learning-by-doing-weise. einfach ausprobieren und machen, daraus ergeben sich die bedienungsmöglichkeiten.

bei diesem vorgehen sind die fehlerquoten natürlich hoch. doch ungern wird darüber gesprochen. es kostet teilweise viele nerven, in dieser weise ein programm zu nutzen. das schon gestaltete, geschriebene oder bearbeitete verschwindet plötzlich und scheint nicht mehr auffindbar. es nimmt formen an, die nicht rückgängig gemacht werden können. eigentlich müsste mal gemessen werden, wie viele tätigkeiten an computern doppelt und dreifach gemacht werden. würde dies veröffentlicht, verflüchtigte sich die illusion sehr schnell, dass computer alles beschleunigen.

bei dieser vorgehensweise taucht ein zusätzliches problem auf: da man sich dem digitalen nicht unbedingt professionell annähert, werden die meisten funktionellen fehler der programme meist erst einmal als eigene fehler angenommen, als persönliches versagen verbucht. und dies geschieht nicht nur durch die nutzerInnen der programme, sondern oft genug auch durch die expertInnen, die erklären, das könne gar nicht sein, dass das nicht funktioniere. da müsse man einen fehler gemacht haben. bis wirklich überprüft wird, ob ein programm fehlerhaft ist, muss man sich eine dicke haut zulegen und am besten jeden schritt benennen können, den man vorgenommen hat.

digitales degradiert den menschen zu einer fehlerquelle (wie man es zum beispiel aus den argumentationen um die sicherheit von atomkraftwerken kennt). das programm wird erst einmal als fehlerlos angenommen. das ist ein gigantischer trugschluss, der ständig sehr viel geld und manchmal auch menschenleben kostet. in der technikhörigkeit, die meint alle fehler ausschließen zu können, ist nur der mensch ein störfaktor. dass aber zum beispiel Weiterlesen

liste (107) – haltung

wer lust hat, kann sich diese seite ausdrucken und ausfüllen. ich schlage listen vor, die einem vielleicht einen überblick zu verschiedenen themen der eigenen lebensgeschichte geben können. dieses mal geht es um die „haltung“.

in diesen situation will ich unbedingt die haltung bewahren:

diese situationen machen mich immer haltlos:

das gehört für mich zu einer persönlichen haltung dazu:

die wichtigsten aspekte meiner politischen haltung:

die haltung dieser menschen bewundere ich am meisten:

schreibberatung und haltung

beratungen sind eine gratwanderung, was den austausch von persönlichem angeht. auch in der schreibberatung müssen die beraterInnen einen weg finden, nicht als abweisende, herzlose menschen zu wirken, aber gleichzeitig auch nicht zu viel persönliches einfließen zu lassen. es geht hierbei nicht darum, dass privates bei der arbeit nichts verloren hätte, sondern es geht um die spezielle situation bei beratungen.

wer schon öfter beraten hat, kennt die frage von klientInnen, wie man denn selber bestimmte probleme oder schwierigkeiten angehe. dabei möchten klientInnen einen nicht persönlich näher kennenlernen, sondern sie würden gern von „vorbildern“ lernen. man muss sich in diesem moment bewusst machen, dass jemand vor einem sitzt, der oder die sich gerade in einer situation befindet, in der sie nicht mehr weiter wissen. da kann es eine gute orientierung sein, zu schauen, wie andere menschen mit dem alltag (oder eben dem schreiben umgehen).

auch dagegen würde noch nichts sprechen, wenn menschen nicht so individuell wären. das heisst, die brauchbare handlungsmöglichkeit für den einen menschen ist noch lange nicht für den anderen menschen sinnvoll. aber die bereitschaft, dies in einer schwierigen situation zu glauben ist recht hoch. welche haltung nimmt man gegenüber zu diesem problem ein? wenn ich diese haltung auch einnehme, dann verschwinden die schwierigkeiten.

wenn man die frage nach der eigenen haltung barsch zurückweist, um das beratende setting aufrecht zu erhalten, dann mystifiziert man die problemlösungen schnell. gibt man die eigene haltung preis erhält man schnell eine vorbildrolle. darum ist es sinnvoll, bevor man eigenes vorgehen schildert, immer wieder zu betonen, dass für jede (schreib)schwierigkeit oder (schreib)krise gemeinsam spezielle lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden können.

und doch kann es manchmal hilfreich sein, von klientInnen eine vorbild-funktion zugeschrieben zu bekommen. als beraterInnen sollte man dies aber thematisieren. so kann man zum beispiel nachfragen, Weiterlesen

schreibidee (360)

wenn man anfängt nach schreibanregungen zu suchen, dann fängt man auch meist an, mit offeneren sinnen durch die welt zu laufen. man betrachtet dinge, die man erlebt hat, auch unter dem aspekt, ob diese eine geschichte wert sind. und je öfter man mit den ausgefahrenen antennen durch die welt läuft, um so häufiger nimmt man ereignisse und anekdoten wahr. darum dieses mal eine schreibanregung zu „anekdoten-sammlungen“.

diese schreibidee benötigt eigentlich einen längeren vorlauf, macht also in schreibgruppen sinn, die sich regelmäßig treffen und in denen gern auch mal kleinere aufgaben übernommen werden. dann kann man die gruppenteilnehmerInnen dazu einladen, sich ein notizbuch anzulegen, das sie möglichst immer mit sich herumtragen. in dieses notizbuch werden über einen längeren zeitraum alle erlebnisse, eindrücke oder szenen notiert, die einem „geschichtsträchtig“ scheinen.

ob es nun im öffentlichen nahverkehr, auf der strasse, am arbeitsplatz oder im nachtleben ist, es gibt immer wieder ereignisse, die einen schmunzeln lassen, einen empören oder vielleicht einen tief bewegen. solche momente sollten in dem notizbuch vor allen dingen festgehalten werden. wenn die aufgabe von der schreibgruppe konsequent verfolgt wird, dann sammeln sich im laufe der zeit eine ganze menge geschichten (und notizen) an.

als erstes werden bei dem anekdoten-sammlung- schreibgruppentreffen von allen teilnehmerInnen ihre notizbücher durchforstet. nun notieren sich die teilnehmerInnen die szenen noch einmal in einem kleinen abschnitt von ein paar sätzen. der schwerpunkt liegt noch nicht darauf, eine geschichte daraus zu machen, sondern in ein paar worten das erlebte wiederzugeben.

anschließend stellen alle teilnehmerInnen ihre abschnitte in der schreibgruppe vor. die schreibgruppe wählt aus dem persönlichen pool der ereignisse pro person zwei beispiele aus, zu denen sie später eine geschichte hören möchte (dies macht man am besten per stimmzettel oder durch kurze abstimmungen per handaufzeigen). nun schreiben die teilnehmerInnen zu den gewählten notizen zwei geschichten. die geschichten werden anschließen in der schreibgruppe vorgetragen und es findet eine feedbackrunde statt.

zum abschluss wählt die schreibgruppe aus den jeweils zwei dargebotenen geschichten noch einmal eine aus. und aus allen ausgewählten geschichten kann eine anekdoten-sammlung der schreibgruppe erstellt werden. entweder veröffentlcht man diese gemeinsam im internet, man kopiert oder druckt ein kleines büchlein oder man veranstaltet eine lesung dazu. der titel könnte zum beispiel lauten „die letzten drei monate in xy – anekdoten, die das leben schrieb“.

natürlich können die kurzbeschreibungen der notizen auch ausgetauscht werden und andere gruppenteilnehmerInnen schreiben eine geschichte dazu, oder man wählt selber die bevorzugte geschichte aus. die sammlung lässt sich über einen längeren zeitraum fortführen und es werden immer wieder neue geschichten von den schreibenden beigesteuert. der alltag bietet zumindest anregungen ohne ende.

„muße“ von ulrich schnabel – ein buchtipp

ein buch mit klaren botschaften: es ist kein wunder, dass wir heute so gestresst sind und unter termindruck stehen. dagegen kann man etwas unternehmen, aber das ist nicht ganz leicht. die gesellschaft verlangt bestimmte verhaltens- und vorgehensweisen und sich konträr dazu zu verhalten kann abwertungen und sanktionen nach sich ziehen. doch es zeigt sich, viele entdeckungen in den wissenschaften und literarische „genie“streiche gingen einher mit mußestunden der entdeckerInnen und schriftstellerInnen. wahrscheinlich ist muße notwendig, um „kreativ“ sei zu können.

der vollständige titel des buches von ulrich schnabel benennt die hauptbotschaft: „muße – vom glück des nichtstuns“. schnabel schildert, wie schön es sein kann, nichts zu tun. damit meint er aber nicht, sich in eine vollständige „leere“ katapultieren zu müssen, sondern es auszuhalten, den dingen und gedanken ihren lauf zu lassen und weder einzugreifen, noch zu kontrollieren oder es im griff haben wollen. dabei wird ein historischer abriss der rolle der muße ebenso mitgeliefert wie die aktuelle gesellschaftsanalyse mit ihrer „muße-feindlichen“ struktur. schnabel geht außerdem der frage nach, woher diese muße-feindlichkeit kommt.

leider beruft sich auch ulrich schnabel, bei seinen versuchen die funktion der muße und ihre vorteile zu begründen, auf die neurowissenschaften und die neuropsychologie. das wäre überhaupt nicht notwendig gewesen und wirkt, wie wenn es einen rechtfertigungsdruck gäbe, der nur mit naturwissenschaftlichen erkenntnissen zurückgewiesen werden kann. das ist schade, denn zwischendurch blitzen immer wieder die gesellschaftstheoretischen begründungen für die abschaffung der muße durch (z.b. woher kommt die aussage „zeit ist geld“ und warum entfaltete sie so eine große wirkung?), denen eigentlich nur mit gesellschaftlichen (also auch politischen) veränderungen begegnet werden kann.

denn schnabel möchte nicht, dass praktiken der muße dafür verwendet werden, noch effizienter zu sein, noch leistungsstärker zu werden und die muße wieder in ihr gegenteil zu verkehren. er plädiert für eine generelle veränderung, da wir sonst bald die grenzen unserer möglichkeiten und kräfte erreichen. ein spannendes buch, das zu diskussionen anregt und hinweise gibt, wie man für sich eine „zeit der muße“ schaffen kann. mich hat der autor damit gewonnen, dass er die frühaufsteher-kultur kritisch beleuchtet und ein hohes lied auf den schlaf singt 😉

das buch ist 2012 im pantheon verlag erschienen. isbn 987-3-570-55175-2