mein computer und ich – eine umgangslehre (19)

lust

in dieser rubrik wurde bisher über die digitalen wunderkisten viel gemeckert und gegrummelt. aber es muss auch einmal ein anderer blick darauf geworfen werden.

hätte man sich vor ein paar jahren vorstellen können, dass man eben mal ein interview am eigenen pc mit jemandem von einer ngo in kabul durchführt (via skype)? oder hätte sich jemand träumen lassen, dass man ratzfatz für wenig geld ein buch veröffentlicht, das weltweit gekauft werden kann? hätte man sich überhaupt vorstellen können, ein buch zu tippen, zu layouten, die seiten zu gestalten, den buchumschlag selbst zu entwerfen und alles druckreif fertigzustellen?

die computer erweitern unsere kompetenzen nicht selten um enorme fähigkeiten. schaut man sich einfach mal an, wie viele menschen, wie tolle fotos machen, sie bearbeiten, einen blick für interessantes entwickeln und dafür kaum etwas bezahlen müssen. oder wie viele menschen sich im november zusammentun, gleichzeitig an büchern und längeren geschichten schreiben, sich darüber austauschen und am ende des monats 50 000 wörter geschrieben haben. oder wie viele menschen zusammen spielen, und seien es auch irgendwelche ballerspiele, aber sie treffen sich regelmäßig grenzübergreifend und virtuell.

der computer und das internet können lust auf mehr machen. das mag manchmal fatal sein, da beinahe nur noch zeit vor dem gerät verbracht wird, aber es unterscheidet sich gravierend vom fernseher. der computer ist nicht nur ein medium, er ist viele medien – abwechslung ist also möglich. und der computer verlangt von den nutzerInnen eher eine aktive rolle, denn eine ausschließlich passive rolle wie der fernseher. ganz spannend scheint mir, dass meist die generationen vor dem computer und seinen folgen warnen, die die passive berieselung an der glotze erlebten und erleben.

einen wermutstropfen fügen wir menschen den lustvollen dingen (sei es nun sex oder surfen) gern hinzu: das leistungsprinzip. es fällt uns schwer, einfach zu genießen. da müssen homepages gerankt werden, da müssen aufrufe, klicks und follower gezählt werden, da müssen battles veranstaltet und die punkte in tabellen gebracht werden. bei all dem vergleichen und werten gehen viele wunderbare dinge verschütt, so wie im fernsehen die einschaltquoten als einnahmequelle herhalten müssen.

da wird die lust schnell ein wenig anstrengend, wenn man sich mit der ganzen welt messen muss. schafft man es jedoch, sich zurückzulehnen und nur seinen interessen zu folgen, dann können computer und internet dabei helfen, das gefühl zu haben, sich in einer weltbibliothek zu befinden, die kein ende findet. manchen mag dies bedrohlich und unübersichtlich erscheinen, für andere ist dies das lustvolle paradies.

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