Tagesarchiv: 22. Mai 2012

schreibpädagogik und kunst

bildende kunst und kunstausstellungen bieten sich in schreibgruppen natürlich wunderbar als schreibanregungen an. die ideen anderer aufzugreifen, sie zu beschreiben, sie in eigene worte zu fassen und intensiv zu betrachten, sind eine unerschöpfliche quelle. es gibt schon länger das konzept des schreibens im museum (siehe das buch „Fenster zur Kunst: Ideen für kreative Museumsbesuche“ Claudia Cremer, Michael Drechsler, Claus Mischon, Anna Spall, Museumspädagogischen Dienst Berlin (Hg)).

hierbei kann schreibpädagogik verknüpft werden mit museums- und kunstpädagogik. das lässt sich natürlich ganz wunderbar in schreibgruppen umsetzen. es benötigt ein wenig vorausplanung, aber gleichzeitig kann man die schreibanregungen mit jeder altersgruppe zu jeder kunstrichtung in jedem präsentationsmodus durchführen. man kann also mit kindern ein museum besuchen und kurze texte schreiben, kleine geschichten erzählen lassen, wie man auch mit kunstkennerInnen nach einem kurzen vortrag durch kunstexpertInnen zu einer schreibanregung übergehen kann. warum nicht mit einer schreibgruppe auf die bald startende „documenta“ gehen? warum nicht einmal einen platz aufsuchen, auf dem eine skulptur steht und dazu schreiben lassen?

das schöne an schreibpädagogik und kunst ist die tatsache, dass sich durch die orte der kunst auch außergewöhnliche schreiborte aufsuchen lassen. und noch einen schritt weitergehend: man wird früher oder später darüber diskutieren, was denn nun kunst ist und was nicht. auch dies kann in einer schreibanregung münden.
wichtig scheint mir nur, vor einem gemeinsamen museums- oder ausstellungsbesuch mit einer schreibgruppe, sollte man mit den zuständigen abklären, dass man schreibwerkzeuge mit in die räume nehmen darf und dort zumindest teilweise seine veranstaltung durchführen darf. das könnte ohne vorbereitung sonst schnell kompliziert und schwierig werden.

man kann auch noch andere zugänge zur kunst finden. da gibt es den künstler, der kunst aufräumt und bilder sortiert (siehe http://www.kunstaufraeumen.ch/ ), die kann man natürlich in die schreibgruppe tragen und mit literatur machen. computer sind dabei sehr hilfreich. man kann zählen, wie oft bestimmte worte verwendet werden, diese auflisten, sätze zerlegen und Weiterlesen

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schreibidee (367)

es gibt berufsgruppen, die nah am drama und am leben sind. manche leser haben dies in ihrem zivildienst oder in einem freiwilligen sozialen jahr erlebt. andere haben die berufe der kranken- oder altenpflege gewählt. dabei kommt man den patienten oder bewohnerInnen nicht nur körperlich nahe, sondern auch oft emotional. nicht selten geht es um leben und tod. darum heute eine schreibanregung zu „stationen-stories“.

es soll bei dieser schreibidee nicht um texte, wie den arztroman oder die krankenhausserie gehen, beides produkte, die zwar dramatisches aufgreifen, aber gleichzeitig mit romantisierendem und idealisierendem unterfüttert sind. dieses mal soll beim kreativen schreiben der realität nahe gekommen werden. darum gleich als einstieg die für manche sehr intime frage: wie möchten sie sterben? alle schreibgruppenteilnehmerInnen schreiben einen kurzen, maximal zweiseitigen text darüber, der nicht vorgelesen. wird.

man kann die durchführung der schreibgruppe mit einer lesung von bisher verfassten texten auf einer pflege- oder krankenstation verbinden, wenn sich so etwas organisieren lässt. dabei können eindrücke notiert werden. ist dies nicht gewünscht oder nicht möglich, kann man vesuchen sich in die situation pflegebedürftiger und erkrankter menschen zu versetzen. manche teilnehmerInnen mögen dies am eigenen leib verspürt haben. eine der unangenehmsten situationen für menschen ist der schmerz. zu schmerzen kann ich mich nicht verhalten, da ich ihnen nur teilweise ausweichen kann. darum sollen im zweiten schritt kurze geschichten über den schmerz geschrieben werden (maximal drei seiten). wie wird jemand diese situation erleben? was wird man tun, damit der schmerz vorüber geht? die geschichten werden in der schreibgruppe vorgetragen und es findet eine kurze feedbackrunde statt.

der schwierigste abschnitt dieses schreibgruppentreffens besteht in einer längeren geschichte über einen menschen, kurz vor dem sterben oder schwer erkrankt. die medizinischen gründe und behandlungen sollten nur teilweise beachtung finden. der schwerpunkt der schreibidee liegt auf den gedanken und handlungen der menschen. es gibt zum beispiel das phänomen, dass die betroffenen oft emotional stabiler reagieren als die angehörigen. manche lassen ihr leben revue passieren, andere haben große todesangst und die nächsten empfinden gelassenheit, haben die tatsache akzeptiert. in dieser geschichte sollen auch die pflegerInnen und andere berufe eine rolle spielen. was passiert in einer extremen lebenssituation?

die texte werden in der schreibgruppe vorgetragen und es findet eine ausführliche feedbackrunde statt. in dieser feedbackrunde sollte vor allen dingen auch raum für die eigenen emotionen sein. krankheit und tod sind heute bei uns weiterhin sehr tabuisierte themen, obwohl jeder mensch irgendwann davon betroffen ist. hier kann die frage an die schreibenden gestellt werden, wie schwer oder leicht ihnen diese schreibübung fiel.

generell sind solche schreibübung im vorfeld anzukündigen, da es auch das gute recht gibt, bei diesen themen an einer schreibgruppe nicht teilzunehmen, wenn einem das zu intim oder zu bedrohlich ist. aber sie bergen zum beispiel auch die chance in sich, das kreative schreiben mit dem ersten formulieren einer patientenverfügung zu verknüpfen. denn vielleicht ergeben sich durch die schreibprozesse vorstellungen, wie man selbst mit solchen lebenssituationen umgehen möchte und wie man behandelt werden will. solche vorstellungen sind natürlich nicht vorzulesen, können jedoch, wenn gewünscht, diskutiert werden.