Archiv der Kategorie: portfolio

wortklauberei (38)

„sei welt
  sei meister
  sei berlin“

juhuuu, ein wortspiel. und was für eines flimmert einem nach getaner arbeit auf den bildschirmen in der u-bahn entgegen. „sei begeistert“ möchte man rufen, auch wenn viele die aussage überhaupt nicht verstehen werden. aber sport wird seit eh und je der raum gegeben, den er nicht verdient hat. so auch in der werbung für die stadt berlin. immerhin soll der obige spruch ja nicht die berliner besänftigen, dass im august wahrscheinlich wieder das verkehrschaos über sie hereinbrechen wird, sondern die touristen davon überzeugen, dass sie nach berlin kommen.

doch weshalb ist dann berlin welt? bezieht sich das auf die multikulturalität der stadt? bezieht es sich auf anstehende meisterprüfungen in den verschiedenen handwerksberufen? und was bedeutet es „berlin zu sein“? eigentlich müsste der spruch „sei welt, sei meister, sei berlin“ noch erweitert werden um „sei leicht“ und vor allen dingen um „sei athlet“, erst dann erschließt sich, was der kleine spruch uns sagen wollen können dürfte.

man kann alles auch anders verstehen: „weltmeister berlin“, aber worin? bis jetzt in nichts, ist es doch eine aufforderung, die dort ausgestrahlt wird. also bemühen wir uns berlin zu sein, meister zu werden und irgendwie größenwahnsinnig welt zu sein. nur weil man hier so eine schrubbelige tourismusbörse und einen karneval der kulturen hat, kann man doch nicht der meinung sein, gleich die ganze welt zu sein. und auch wenn ein amerikanischer präsident einmal gerufen hat „ich bin ein berliner“, bedeutet dies noch lange nicht, dass alle präsidenten der welt so etwas rufen würden. also doch der berliner größenwahn in reinkultur als auffordernder spruch.

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Die dokumentierenden und schreibenden ErzieherInnen (2)

Dokumentation – eine pädagogische Herausforderung

Nicht ohne Grund steht die verpflichtende Dokumentation in Kindertagesstätten in den Bildungs- und Orientierungsplänen u.a. in Kapiteln mit der Überschrift „Pädagogische Herausforderung“ (Beispiel: Orientierungsplan Baden-Württemberg S. 45ff.). Für ErzieherInnen in der Frühpädagogik ist es wahrlich eine Herausforderung. Um realitätsnah dokumentieren zu können muss die ErzieherIn nicht nur mit der Digitalkamera umgehen können, sondern auch – und das in besonderem Maße – mit dem Wort. Sei es die Beschriftung der Fotos in Dokumentationsmappen oder das Schreiben einer Beobachtung. Gemeint ist hiermit die besondere Fähigkeit wertfrei schreiben zu können. Wie schwer es sein kann Fotos zu beschriften und Kinder schriftlich zu beobachten ohne ein wertendes Wort braucht keiner weiteren Erklärung. Es fehlen auch oft die Worte eine Beobachtung so zu schildern wie sie eben gerade wahrgenommen wird. Das fällt nicht nur denjenigen schwer, denen ohnehin das Schreiben leicht von der Hand geht. In der Ausbildung und im Berufsprofil der ErzieherIn ist die Fähigkeit des dokumentierenden Schreibens nicht erwähnt. Somit stehen diese vor einer ganz neuen Herausforderung, die teilweise auch eine Überforderung ist.  
Die ErzieherIn soll durch die Dokumentation die Bildungsprozesse des Kindes erkennen, so die Forderung. Zu einem gewissen Teil ist das möglich aber es ist immer der Teil, den die einzelne ErzieherIn darin sieht. Jede andere ErzieherIn würde den Entwicklungsprozess ganz anders auslegen. Deshalb müssen auch regelmäßig Gespräche im Team zu den Dokumentationen stattfinden. Inwieweit man dann dem individuellen Lernprozess des Kindes tatsächlich kindgemäß nahe kommt ist jedoch nicht gewiss.

Bei aller Analyse der pädagogischen Dokumentationen darf man nie außer Acht lassen, dass man als Erwachsener die Sicht des Kindes einnehmen Weiterlesen

Die dokumentierenden und schreibenden ErzieherInnen (1)

Das Portfolio im Kindergarten

Der Begriff „portfolio“ leitet sich aus dem lateinischen Wort folium „Blatt“ und portare „tragen“ ab. Schon im alten Rom gab es das Portfolio als Arbeitsinstrument. Hier wurde das Portfolio genutzt um architektonisch besonders gestaltete Gebäude zu skizzieren und aus diesen „Notizen“ die Architektur weiter zu entwickeln. Auch heute noch wird besonders in der Kunstwissenschaft das Portfolio als Mappe genutzt, die „[…] mit einer Serie von Druckgrafiken od. Fotografien eines od. mehrerer Künstler“ (DUDEN, 2005, S. 829) ausgestattet ist.
In der heutigen Praxis wird der Begriff des Portfolios im Bereich der Kunst und Architektur häufig verwendet. Darunter versteht man Sammelmappen, in denen Studierende den Verlauf von Arbeitsprozessen dokumentieren, über die Entwicklung von individuellen Erkenntnissen reflektieren und Ausblick halten, auf die nächsten Arbeits- und Lernschritte. Es sollen im Portfolio die wichtigsten Materialien und Tätigkeiten, die zu Schlüsselerkenntnissen geführt haben, gesammelt werden und gegen Ende des Künstler- bzw. Architekturseminars reflektiert werden (Bräuer, 2003)
Einen eher negativen Einschlag erhält das Portfolio im Elementarbereich, weil sein Wortursprung nicht mehr beachtet wird und der heutigen Zeit entsprechend eher dem Portfoliobegriff aus dem Wirtschaftbereich angepasst wird. Hier wird das Portfolio abgeleitet aus dem französischen „Portefeuille“, welches veraltet für die Bedeutung der Aktenmappe und Brieftasche steht (vgl., DUDEN, 2005, S. 829). Eine kursierende Negativbeschreibung von „Portfolio“ ist also die Akte und Brieftasche mit allen persönlichen Inhalten bzw. der Identität (Personalausweis u.a.), die von manchen ErzieherInnen der ehemaligen DDR abgelehnt wird mit dem Kommentar: „Das hatten wir doch schon mal!“
Das gelingende Portfolio im Kindergarten als wissenschaftlicher Qualitätsauftrag für die Frühpädagogik konzentriert sich auf den Stand der aktuellen Durchsetzung eines Dokumentationssystems für frühkindliche Bildungs- und Entwicklungsprozesse. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), das Deutsche Jugendinstitut (DJI) und das Institut für angewandte Sozialforschung (infans) haben bereits Konzepte zur Bildungsdokumentation unter dem Namen „Portfolio“ und „Bildungsbuch“ erprobt. Ob diese Arten der pädagogischen Dokumentation tatsächlich gelungen sind sollte sich hier als Frage stellen. Außerdem gilt es zu fragen, wie ein gelingendes Portfolio für den Kindergartenalltag gestaltet sein könnte. Unerlässlich werden dabei die Beachtung aller „Nebenwirkungen“ bzw. der behutsame Umgang mit den Portfoliomaterialien (Datenschutz) sowie der Nutzen des Portfolios für das Kind (die Rede ist hier von Kindern zwischen 3 – 6 Jahren).
Was soll die Dokumentation im Kindergarten nach Ansicht der Bildungs- und Orientierungspläne in deutschen Kindertagesstätten leisten?

Welche Funktionen werden dem Portfolio als Dokumenationsform im Kindergarten zugesprochen:

  • sichtbar machen von Entwicklungstempi, Lernen, Talenten und Potenzialen der Kinder
  • Bildungserfolge und Bildungsbiografie des Kindes verdeutlichen
  • verbesserte Kooperation zwischen Schule und Kindergarten
  • Gesprächsbasis zwischen Eltern und Erzieher
  • Pädagogische Qualität
  • Pädagogische Professionalisierung

Was bleibt also von dem Ursprung und dem Sinn des Portfolios übrig? Die Übertragung des Portfolios vom Architektur-/ Kunstmarkt und Wirtschaftbereich hin zur frühkindlichen Bildung und Erziehung kann nachdenklich stimmen. Besonders mit dem Wortlaut einer Erzieherin in dem Film „Portfolio – Das Bildungstagebuch im saarländischen Kindergarten“. Sie deutet auf den Portfolio-Ordner und sagt: „Und das hier ist ein echtes Wertpapier!“ – wer jetzt? Der Ordner oder das Kind darin?

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