Schlagwort-Archive: abwertung

schreibberatung und unsicherheit

da wir in einer gesellschaft leben, die weiterhin das „self-made“-prinzip propagiert, die teamarbeit nur teilweise honoriert, die mit „kooperativ“ und „kollaborativ“ ihre schwierigkeiten hat, in einer gesellschaft, die entsolidarisiert und dann erstaunt ist, dass es in allen lebensbereichen so viele beschwerden gibt, darum sind auch beratungen weiterhin schambesetzt. bis sich jemand bei uns hilfe sucht, dauert es gewöhnlich lang und das problem ist oft schon sehr fortgeschritten.

darum fühlen sich viele menschen, wenn sie denn den schritt zu einer beratung wagen, sehr unsicher. diese unsicherheit zeigt sich in manchen effekten, die wiederum nicht selten ausdruck von angst und scham sind. ich möchte dies nicht allen ratsuchenden unterstellen, aber ich finde es relevant für beraterInnen, sich gedanken über sehr menschliche verhaltensweisen zu machen.

am auffälligsten ist für beraterInnen die nicht-wahrnehmung von vereinbarten terminen. da wendet sich jemand an einen, formuliert seine schwierigkeiten und kommt dann nicht zum termin. gerade bei niedrigschwelligen, kostenlosen angeboten ist dies öfter der fall. doch es kann noch ganz andere gründe haben: untersuchungen zeigen, dass schon der schritt, sich einzugestehen, hilfe zu benötigen und einen termin zu vereinbaren, effekte hat. diese effekte können so weit gehen, dass die erfahrene entlastung dazu führte das problem selber angehen zu können.

doch dies weiß man als (schreib)beraterIn nicht. ebenso kann es sein, dass unsicherheit und angst so zugenommen haben, dass der nächste schritt, einen termin wahrzunehmen, unmöglich erscheint. darum landen beraterInnen in dem zwiespalt, dass sie auf der einen seite einen verdienstausfall haben und auf der anderen seite abklären sollten, ob es eine hemmung gibt, den termin wahrzunehmen. darum ist nachfragen, soweit es sich um keine anonyme beratung handelt, sinnvoll. im therapeutischen setting gibt es zusätzlich oft die regelung, dass die kosten für einen ausgefallenen termin trotzdem übernommen werden müssen. die schreibberatung verhält sich da meist umgänglicher, je nach vorheriger absprache und geschäftsbedingungen.

zur unsicherheit kann es auch gehören, dass am anfang der beratung ein recht aggressiver tonfall vom ratsuchenden angeschlagen wird. die beraterInnen werden abgetestet, es wird versucht die kompetenz abzuklären oder es wird deutlich zu verstehen gegeben, dass man eigentich keinen grund hat, in beratung zu gehen. hier ist es an den beraterInnen, eine verständnisvolle atmosphäre zu schaffen, gelassen zu reagieren und das angebot des gemeinsamen arbeitens an einem problem aufrecht Weiterlesen

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biografisches schreiben und kunst

ein weites feld: es geht um ästhetik, um geschmack oder um eigene künstlerische ambitionen. das erstaunliche in unserer gesellschaft ist, dass wir die kunst zwar schlecht behandeln (miese bezahlung und finanzierung, minimale verankerung in der (aus)bildung, skurriler geniekult), gleichzeitig aber nicht von ihr lassen können. zwischenzeitlich scheint es (und wird es auch so vermittelt), wie wenn kunst und kultur ein luxusproblem wären. dabei zeigt sich, dass selbst unter widrigen lebensumständen immer wieder kunst geschaffen wurde.

kunst vermittelt zwischen erworbenen fähigkeiten, gesellschaftlichen vorstellungen und persönlichem ausdruck. kunst kann kritisieren, untermalen, konservieren oder auch nur anarchisch durch das leben mäandern. beim verfassen der eigenen lebensgeschichte, sollte auf keinen fall der bezug zur kunst, zum künstlerischen fehlen. immer noch begegnen viele menschen dem begriff „kunst“ mit ehrfurcht und sehen sich selbst weit entfernt von kreativität. betrachtet man aber den alltag, dann zeigt sich, dass sowohl kunst konsumiert als auch geschaffen wird.

es heisst nicht ohne grund gartenkunst, kochkunst, kleinkunst, baukunst und vieles mehr. die wertigkeit ist oft eine gesellschaftlich übernommene. die gern getroffene aussage bei moderner kunst „das könnte ich auch!“, sollte eigentlich als einladung verstanden werden, es wirklich zu probieren. eine abkehr von der abwertung des selbstgeschaffenen (und sei es auch „nur“ ein eigenes strickmuster oder kinderbild) würde die kunst an sich glaubhafter und lebhafter erscheinen lassen. schauen sie doch mal beim biografischen schreiben, was sie alles selbst geschaffen haben. schauen sie, wie sie es bewerten, wie sehr sie es mit anderen „schöpfungen“ vergleichen. nicht alles muss gleich die konkurrenz mit auktionsrekord-kunst bestehen.

betrachten sie eher den aspekt, wie es sich anfühlte, als sie etwas schafften, schöpften, entwarfen oder erfanden. was wollte man mit dem gemachten ausdrücken? warum wollte man etwas ausdrücken? wie hat die umwelt das wahrgenommen? und wie wichtig ist es einem, anerkennung Weiterlesen

schreibpädagogik und eifersucht

es geht nicht darum, ob es in schreibgruppen eifersüchteleien geben mag und wie damit umzugehen ist, wenn man die gruppe anleitet. an allen orten, an denen menschen aufeinandertreffen kann es zu kleinen konkurrenzen kommen, da unterscheiden sich die formen und wege wenig. nein es scheint mir wichtiger, einen blick auf eine recht spezielle form der eifersucht bei kreativen tätigkeiten zu werfen.

teilnehmerInnen von schreibgruppen berichten öfter davon, dass ihre freunde, bekannte oder lebensabschnittsgefährtInnen sich darüber lustig machen, was sie denn für ein hobby gewählt haben oder welchen seltsamen interessen sie folgen. meist beginnen die äußerungen mit einer abwertung der tätigkeit. es wird gern formuliert, dass es sich ja um so ein volkshochschul-ding handle (was überhaupt nicht gegen volkshochschulen spricht) und eher hausfrauen vorbehalten sei (was auch überhaupt nicht gegen die arbeit im haushalt spricht). in den bewertungen der sender dieser botschaften sind volkshochschulen und hausfrauen negativ besetzt. allein dies wirft etliche fragen auf.

aber man befindet sich in diesem moment an dem punkt, ob man überhaupt auf die äußerungen eingehen will. denn wenn man versucht sich zu rechtfertigen wertet man im gleichen atemzug auch die volkshochschulen und hausfrauen ab. gleichzeitig scheint es aber sinnvoll zu vermitteln, was schreibgruppen oder kreatives und biografisches schreiben so interessant und anregend macht. die eifersucht speist sich meist aus dem erleben, dass die schreibenden mit großer begeisterung von den dynamiken der neuen tätigkeit berichten. da hat jemand etwas für sich gefunden, da findet jemand einen neuen ausdruck seiner oder ihrer selbst.

als teilnehmerInnen von schreibgruppen führt man seinem umfeld vor, dass schreiben eine wirkung auf die eigene person hat. man verändert sich, man kommt sich näher und findet schriftlich worte für das eigene befinden. dabei kann es zu entwicklungen kommen, die der umgebung bedrohlich erscheinen. meist handelt es sich in diesen momenten um Weiterlesen

nabelschau (38)

das erbe helmut kohls. nach beinahe 30 jahren zeigen sich die folgen des beständigen „intellektuellen-bashing“ durch den damaligen bundeskanzler. immer wieder betonten er und etliche seiner nachfolger, wie lästig ihm wissenschaftliche und intellektuelle diskurse sind. das kam schon damals der demontage von wissenschaft (bevorzugt von geisteswissenschaft) nahe.

es ist paradox, dass auf der einen seite die förderung der bildungselite propagiert wird, dass wir auf exellente wissenschaft als zukünftigen motor unserer gesellschaft eingeschworen werden, und auf der anderen seite das faken einer doktorarbeit durch einen minister als kavaliersdelikt angesehen wird. nun ist er zurückgetreten nach wochen der gleichgültigkeit, der ausreden und des betonens aller anderen leistungen.

alle menschen erbringen in dieser gesellschaft immer wieder leistungen. oft leistungen, die über das hinausgehen, was sie bis dahin vollbracht haben. immer mehr eltern schwören ihre kinder schon in der kita auf das leistungsprinzip ein. und dann wird ihnen erklärt, dass das alles gar nicht so wichtig ist, dass man solche abschlüsse und regeln nicht zu ernst nehmen sollte.

gut, man kann der meinung sein, dass unser wissenschaftsbetrieb auch ein fantasieloser, dem mainstream und der wirtschaftlichen verwertbarkeit verhafteter ist. dass inzwischen so viele einen doktortitel tragen, dass er immer mehr an bedeutung verliert. aber man kann den menschen nicht ihre bemühungen absprechen. man sollte endlich in dieser komplexen welt wieder dahin zurückkehren, dass man komplexe gedanken und diskurse benötigt.

gleichzeitig sollte man aber auch dahin gelangen, dass alle leistungen der menschen anerkannt werden. der eine mag sie im wissenschaftlichen betrieb erbringen, der andere bei der erziehung seiner kinder. aber vom verhalten der frau merkel und des herrn guttenberg geht eine ganz andere botschaft aus: ihr könnt euch noch so anstrengen, wenn ihr nicht zur richtigen pressure group gehört, dann bringt euch das alles nichts. und ein großteil der bevölkerung heisst dies auch noch gut. wahrscheinlich wäre es wieder an der zeit einen könig oder eine königin zu krönen.

selbstbefragung (60) – arroganz

die fragebögen zur selbstbefragung versuche ich unter rubriken zu bündeln. dieses mal geht es um „arroganz„.

  • nennen sie drei personen aus ihrem umfeld, die sie arrogant finden. warum?
  • wo liegt für sie der unterschied zwischen arroganz und gewachsener größe? beschreiben sie.
  • viele menschen machen sich lieber klein als ihre größe zu zeigen. wie würden sie sich selbst einschätzen?
  • haben sie sich schon einmal selbst überschätzt? bei was?
  • wer zeigt ihnen auf, wenn sie gefahr laufen, sich selbst zu überschätzen? wie?
  • traut sich ihr umfeld, ihnen zu sagen, wenn sie fehler machen? wieso? und wie reagieren sie in diesen momenten?
  • wem würden sie direkt sagen, dass er / sie sich selbst überschätzt? zählen sie auf.
  • in welchen situationen sind sie gern arrogant? beschreiben sie.
  • wo sehen sie ihre wahre größe?
  • arroganz wertet andere menschen ab. was glauben sie, warum das überhaupt geschieht?