Schlagwort-Archive: beschleunigung

realitätsflucht als alternative zur steten beschleunigung

und noch eine schöne homepage: die seite zur zeitschrift „new escapologist“ mit dem untertitel „or: googbye to all that!“. es ist also eine zeitung und eine homepage für realitätsflüchter, oder wie es in der selbstbeschreibung steht: so zu leben, wie man möchte, abseits des stress, der depression, der bürokratie, des lärms usw.. auch diese zeit lebt in dem zwiespalt, die modernen medien und ihre geschwindigkeit für die distanzierung von diesen medien zu verwenden.

doch die inhalte sind alles andere als weltfremd, sie sind eher geschmackssache oder eine haltungsfrage. stellt für einen selber die weltflucht eine alternative zu den gesellschaftlichen anforderungen dar? der wunsch dazu ist bei vielen vorhanden. also kann diese seite anregungen geben, einen austausch fördern und vielleicht die eine oder andere alternative aufzeigen.

viele links, viele ideen und auch eine zeitschrift, die sich mit alternativen möglichkeiten zur beschleunigung unseres lebens auseinandersetzt. auffallend ist es, dass der diskurs um die beschleunigung und die entwicklung von alternativkonzepten anscheinend schwerpunktmäßig in großbritannien stattfindet.

die homepage findet man unter: http://newescapologist.co.uk

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versuch einer alternative zur steten beschleunigung des lebens

tom hodgkinson hat schon vor längerer zeit ein buch über die entschleunigung und das downshifting geschrieben. („anleitung zum müssiggang“) und eines über die möglichkeiten, sein leben zu verändern, sich nicht allen anforderungen von außen auszusetzen („die kunst, frei zu sein“ – siehe diesen link).

zeitgleich mit der „anleitung zum müßiggang“ initiierte er die auseinandersetzung mit fragen der entschleunigung. er rief mit anderen menschen zusammen die homepage „the idler“ ins leben. diese zeigt vor allen dingen praktische beispiele der „anderen“ lebensweise. wie konsequent sich dies umsetzen lässt, bleibt zu diskutieren. denn wenn zeit geld ist, dann ist freie zeit luxus. aber auf der homepage lohnt ein blick auf die link-seite mit vielen anregungen und diskussionen.

da inzwischen ein geschäft aus der entschleunigung geworden ist, muss man sich auf der homepage zwischen den ganzen angeboten etwas in die tiefen begeben, um die vielen diskurse und texte, die dort veröffentlicht wurden, zu finden. aber es lohnt sich. hodgkinson selber hat anscheinend seinen pfad der entschleunigung ein wenig verlassen, um aus den ideen viel praktisches zu machen. und doch bleibt das anliegen ein berechtigtes.

der links zur homepage: http://idler.co.uk

ein interview zu den auswirkungen der modernen kommunikationstechnik

die kulturwissenschaftlerin sherry turkle hat schon vor über zehn jahren interessante und umfassende bücher zum thema internet, digitale kommunikation, identitäten im netz und ähnliches geschrieben. nun hat sie ein neues buch verfasst und gab dazu schon der süddeutschen zeitung ein interview. letzten freitag dann ein noch ausführlicheres interview für das magazin der süddeutschen zeitung. dabei revidiert sie teilweise ihre eigene position zu den vorteilen der digitalen kommunikation.

generell ist ihr blickwinkel sehr interessant, da sie aufzeigt, wie bindend und zwingend smartphones unsere face-to-face-kommunikation verändern. man kann es tagtäglich auf der strasse beobachten. und, das scheint mir wichtig, es ist nicht nur die junge generation, die den kleinen sprechcomputern verfallen sind. erst ihre elterngeneration hat ihr die geräte zur verfügung gestellt.

hier argumentiert mir sherry turkle ein wenig zu kurz gedacht. ich finde man kann den einfluss der eltern auf die verwendung von handys und smartphones um einen wichtigen aspekt erweitern: die geräte machen es den eltern möglich, ihre kinder noch besser zu kontrollieren. viele argumentieren mit einem sicherheitsaspekt. da die welt aber nicht bedrohlicher als vor 30 jahren geworden ist (laut kriminalstatistik) stellt sich die frage, woher die sorge kommt. aber das ist ein anderer aspekt. wichtiger scheint mir der effekt: der bewegungsspielraum von jungen menschen hat sich in den letzten jahrzehnten verkleinert, auch dazu gibt es studien.

ansonsten deckt sherry turkle die schwierigkeiten des digtialen lebens umfassend auf und formuliert überlegungen, wie damit in zukunft umgegangen werden kann. wie schon von anderen formuliert: es geht um das lernen eines sinnvollen umgangs mit den computern und co. ein wichtiger aspekt am „tag des modernen lebens“.

hier kann das interview nachgelesen werden: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/37827/Wir-sind-zusammen-allein .

ein vortrag über die beschleunigung des lebens

swr 2 ist ein kultursender des südwestrundfunks, der über eine wunderbare, umfassende mediathek verfügt. viele sendungen können abermals angehört werden, aber auch kurze wissenschaftliche vorträge werden dort bereit gehalten. man kann sie anhören, als hördatei runterladen oder die mitschrift der sendung abspeichern, je nachdem, welcher zugang einem am ehesten zusagt.

gestern wies jemand in facebook auf einen spannenden vortrag von professor hartmut rosa aus jena hin. da mich das thema „beschleunigung unserer kommunikation und unseres lebens“ schon immer interessiert hat, habe ich mir den vortrag natürlich sofort angehört. auch wenn er nicht mehr ganz frisch ist, also ein paar jahre auf dem buckel hat, so ist der doch weiterhin topaktuell. denn rosa gibt in 28 minuten einen hervorragenden überblick über die gründe für eine stete beschleunigung unseres leben. und er zeigt die „beinahe-unausweichlichkeit“ dieses prozesses auf.

auf alle fälle hörens- oder lesenswert, wenn man sich mit den konsequenzen der digitalen medien und kommunikationsformen auseinandersetzt oder wenn man versucht der zeitknappheit zu entkommen. und da es noch andere hübsche hinweise im netz zu diesem thema gibt, ernenne ich den heutigen tag einfach zum „tag des modernen lebens“.

hier der link zum swr 2 und zum vortrag: SWR2 Wissen: Aula: Immer schneller und immer oberflächlicher – SWR2 :: Programm :: Sendungen A-Z :: Wissen :: Archiv | SWR.de.

wund-starr-krampf (05)

tagesschau in 100 sekunden

wir leben in einer schnelllebigen zeit, wie man so schön sagt. manche sprechen von einer beschleunigung der kommunikation. dabei können wir nicht schneller sprechen als wir sprechen und wir können auch nicht schneller lesen als wir lesen. aber wir können verkürzen, komprimieren und in ein zeitfenster dadurch doppelt so viele informationen unterbringen.

die schwierigkeit bei verkürzungen besteht darin, dass gehalt und information reduziert werden auf ein minimum. nun sendet die ard seit einiger zeit neben ihrem üblichen nachrichtenangebot „die tagesschau in 100 sekunden“. ich rätsle seitdem, wer mit diesen infohäppchen irgendetwas anfangen kann. es scheint, wie wenn die ard sich den nachrichten bei „kabel eins“ oder „pro sieben“ annähert. in 100 sekunden passen maximal fünf meldungen und das wetter. die meldungen müssen jeweils in ein paar sätzen abgehandelt sein und sind einzig ein aktualitätsupdate.

in der literatur und in der werbung mag der spruch lauten: in der kürze liegt die würze. auf den nachrichtensektor lässt sich das einfach nicht übertragen. wie hier vor kurzem schon einmal angemerkt, schaffen wir uns unsere aufmerksamkeitsstörungen selber, indem wir dem zuschauer nicht mehr zutrauen, informationen, die länger als 20 sekunden sind, aufnehmen zu können. eine andere erklärung für die 100 sekunden nachrichten finde ich nicht.

warum muss sich ein öffentlich-rechtlicher sender zum vorreiter der häppchen-kultur machen? und da sind sie schon wieder: die einschaltquoten. außerdem ist es ja nur ein zusätzliches angebot zum üblichen nachrichten-angebot. dann kann man es auch weglassen und dafür lieber den filmabspann vollständig zeigen, ihn nicht verkürzen und beschleunigen. vielleicht kann man auch die täglichen plauderrunden im öffentlich-rechtliche rundfunk verkürzen und durch knackige interviews ersetzen. man wünscht sich klartext und nicht geschwindigkeit. so hatte ich bis jetzt auch den auftrag an die sendeanstalten verstanden.

mein computer und ich – eine umgangslehre (20)

geschwindigkeit

ja, manches läuft schneller ab mit dem computer. das macht ihn auch so attraktiv, dass man nicht mehr texte mit der schere und dem klebestift überarbeiten muss, dass man nicht mehr das fünfte mal eine matritze betippen muss, damit man fehlerfreie abzüge machen kann, dass man nicht stundenlang im fotolabor stehen muss, um ein bild zu bearbeiten.

und ja, die kommunikation über den computer und das internet verläuft oft beinahe in echtzeit. doch jede/r kennt die situation, dass mails doch nicht so schnell ankommen, wie die anbieter suggerieren oder die übertragungsrate bei skype das gesprochene sehr zerhackt. eigentlich ist das netz heute schon regelmäßig überfordert, gestört und in manchen regionen überhaupt noch nicht nutzbar. dass vieles so rund läuft, hat nur damit zu tun, dass das web 2.0 die eigentlichen datenübertragungen reduziert hat, dass die komprimierung von dateien ständig voranschreitet und deren größe bei beinahe gleicher qualität geringer ist.

der wichtigste aspekt bei der frage nach der geschwindigkeit der computer ist meiner ansicht nach der autosuggestive oder suggerierte moment. viele menschen stöhnen darüber, dass sich ihr leben beschleunigt und nennen im gleichen atemzug den technischen fortschritt. als lösung sehen sie die distanzierung von der digitalen welt an. und sie wundern sich, dass ihr leben danach auch nicht langsamer wird. also stürzen sie sich auf tipps zum zeitmanagement, zum selbstcoaching und zu mehr gelassenheit, aber irgendwie will das alles nicht so richtig klappen.

der computer ist eigentlich nur ein werkzeug. ein werkzeug, das manche arbeitsschritte vereinfacht und schneller erledigt. die eigentliche geschwindigkeit des alltags entsteht aber aus der form der nutzung des werkzeugs und die krux daran ist ein ganz anderer aspekt. angefangen hat es mit der produktionsform „just-in-time“. es wird alles vorrätig gehalten, um einen differenzierten produktionsprozess jederzeit durchführen zu können, wenn die nachfrage signalisiert wird. das heisst zum beispiel: heute ein buch bestellt und morgen wird es an der haustür ausgeliefert. diese form der logistik und vorratshaltung hat sich inzwischen längst in alle arbeitsbereiche übertragen und im privatleben verankert.

zu „just-in-time“ gehört die verfügbarkeit rund um die uhr. diese verfügbarkeit ist erst mit den modernen kommunikationsmitteln möglich geworden, mit dem computer (und dem handy, das inzwischen ein kleiner computer ist). der computer wird also während der wachphasen in unserem leben am körper getragen, um jederzeit auf anliegen, fragen und aufträge (auch im privaten) reagieren zu können. wer dem nicht folgt, der hat Weiterlesen

wund-starr-krampf (01)

der sender mit der schweineblende

man kennt das aus dem radio oder der disco, wenn musik schlecht ineinander geblendet wird, wenn abrupt abgebrochen oder unterbrochen wird, dann nennt man das eine „schweineblende“.

ein fernsehsender tut sich damit inzwischen besonders hervor. wir kenne es ja von den privaten sendern, dass die werbeunterbrechung sehr unverhofft daher kommt, da bild und ton nicht langsam ausgeblendet werden, sondern der übergang von film zu werbung spontan auftauchen.

aber es gibt nicht einen privaten sender, der so gnadenlos seine filme beendet, wie das zdf. da wurde der letzte satz im krimi gesprochen, die tonspur sendet noch eine melodie und plötzlich sitzt man vor einer grauen wand. beim ersten mal dachte ich: „mist, da ist wohl wieder der sender ausgefallen.“. weit gefehlt, ein kurz darauf folgender jingle gibt mir zu verstehen, das war´s.

das stimmt nicht ganz. meist kommt dann die werbeeinblendung für den kauf der sendung auf dvd, um erst im nachgang einen extrem verkürzten nachspann zu zeigen, irgendwo am rand und gleichzeitig eine vorschau auf eine andere sendung im öffentlich-rechtlichen. ich bleibe dabei: was für eine missachtung der schauspielerInnen und anderen am film beteiligten!

und das absurdeste an dieser situation – es geht noch nicht einmal um große werbeeinnahmen. wahrscheinlich hat nur ein medienpsychologe herausgefunden, dass man zuschauer besser an den sender bindet, wenn man keinen nachspann zeigt und die musik nicht zu ende spielt. dabei lebt das fernsehen und der film von einem: stimmungen zu erzeugen. und zu den stimmungen gehört auch ein ausklang. doch den untersagt man mir beim zdf inzwischen. nur nicht darüber reflektieren, was ich gerade gesehen habe – und weiter geht´s.

bleibt die frage im raum, ob es sich dabei um einen bildungsauftrag handelt? vielleicht so etwas wie: gewöhnung der bevölkerung an die ständig existierende zeitknappheit – befreiung von unnötigem ballast, wie zum beispiel dem nachspann.

web 2.0 und lange texte

immer wieder kommt die diskussion auf, ob im web 2.0 lange texte angebracht sind. die zeichenreglementierung von twitter und sms reduziert meldungen und texte auf ein minimum. an die kurz-kurz-meldungen gewöhnt, empören sich manche menschen im netz über längere berichte. damit einher geht seit jahren die entwicklung in zeitungen und zeitschriften, reportagen oder artikel zu begrenzen. dies war erst einmal nicht der aufmerksamkeitsspanne der leserInnen geschuldet, sondern es war den kosten und bezahlungen der journalistInnen geschuldet, die nach zeilen bezahlt wurden.

da wurden die bilder größer, die überschriften nahmen mehr platz ein und der zeilenabstand wuchs beim relaunch an. das internet verstärkte mit seinen übertragungsgeschwindigkeiten und seinen überblicksstrukturen den hang zur kurzversion. ob es gewöhnung ist oder das so genannte „aufmerksamkeitsdefizitsyndrom“, das anscheinend um sich greift, das internet verkürzt die geduld, ein thema ausführlicher zu betrachten. dem motto „zeit ist geld“ folgend wird an allen ecken und enden suggeriert, dass in der kürze die würze liege.

das steht meiner ansicht nach im widerspruch zu einer immer komplexeren welt, die ausführliche analysen, intensive diskurse und in die tiefe gehende untersuchungen benötigt, um sie überhaupt verstehen zu können. die schnell-schnell-haltung verstärkt die gesellschaftlichen schwierigkeiten, da viele lösungsvorschläge nur noch „just-in-time“ gemacht werden und wenig fruchten. es würde verwundern, wenn es in dieser welt der steten nachbesserungen nicht eine gegenbewegung geben. denn das internet bietet nicht nur geschwindigkeit, es bietet auch preiswerten (schreib)platz. seit dem html-code und den blogs benötigt text nicht mehr viel speicherkapazität.

und so widmete sich die süddeutsche zeitung dieser gegenbewegung in einem artikel und macht auf diverse seiten im internet aufmerksam, die es sich zur aufgabe gemacht haben, längeren texten genug raum zu geben. auch auf dem zeitschriftenmarkt gibt es schon seit einiger zeit eine gegenbewegung, die wieder auf ausführliche lektüre baut. da man sowieso nicht alles, was geschrieben wird, lesen kann, ist es eher eine frage der auswahl. die kann jede(r) für sich treffen. hier der artikel der sz: http://www.sueddeutsche.de/medien/medien-im-digitalen-zeitalter-journalismus-extralang-1.1135014 .

schreibidee (299)

der stete wandel der gesellschaft vollzieht sich schnell, im laufe der jahre für viele menschen zu schnell. es ist wahrscheinlich sowohl eine alterserscheinung als auch realität, dass man das gefühl hat, der wandel beschleunige sich stetig. dazu kommt, dass im alter gefühlte zeit schneller vergeht. es gibt untersuchungen dazu, dass dieses gefühl bei allen älteren menschen früher oder später aufkommt. und gleichzeitig verstärkt sich die vorstellung, mit dem gesellschaftlichen wandel nicht mehr mithalten zu können. die vergangenheit erscheint häufiger gülden und rosa, die gegenwart wirkt fremd und schal. eine schreibanregung zur aussage „früher war alles besser„. (eine aussage, die heute auch schon gern von 30-jährigen getroffen wird.)

diese schreibanregung ist eher biografischer natur. es wäre in der schreibgruppe vorher zu klären, ob interesse daran besteht. dann kann zum einstieg notiert werden, welche dinge, gegenstände und verhaltensweisen man aus früheren zeiten vermisst. manches davon existiert heute weiter (zum beispiel das brausepulver), manches ist verschwunden (die klebenden spülmittelblumen). von generation zu generation werden dies verschiedene erinnerungen sein. die stichworte sollten in der schreibgruppe vorgestellt werden, da man entweder andere generationen kennenlernen kann oder parallelen zu den anderen schreibgruppenteilnehmerInnen finden kann.

nun sind zwei kurze texte zu verfassen: zum einen ein maximal zweiseitiger text voller unverständnis für die heutige zeit. welche entwicklung, welcher wandel strengen einen an, kann man nicht nachvollziehen? und zum anderen eine auch maximal zweiseitige hymne auf das güldene zeitalter vor etlichen jahren. was vermisst man heute, was hat einem damals besonders gefallen oder was würde man gern neu beleben?. auch diese texte werden kurz vorgetragen, es findet keine feedbackrunde statt.

anschließend wird eine längere geschichte oder betrachtung zu der aussage „früher war alles besser“ geschrieben. natürlich darf man dieser behauptung widersprechen. trotz allem sollte der text recht persönlich gehalten werden, also nicht unbedingt übergreifende philosophische betrachtungen angestellt werden. die geschichte wird anschließend vorgetragen und es findet eine feedbackrunde statt. in der runde können nur aussagen zur schriftlichen umsetzung der eindrücke getroffen werden, es können keine persönlichen eindrücke verhandelt werden.

zum abschluss dann noch einen blick weiter zurück. mensch verklärt nicht nur gern die eigene vergangenheit, auch etliche zeitalter werden idealisiert. so feiern die einen das mittelalter, die anderen die zeit der römer, der griechen oder der azteken. bei genauerer betrachtung wird man schnell mit grausamkeiten konfrontiert, die man heute in unserer gesellschaft nicht mehr erleben möchte. alle schreibgruppenteilnehmerInnen wählen sich ein zeitalter und formulieren in einem maximal zweiseitigen text, warum dieses zeitalter keinen spaß machte. historisch muss das nicht ganz stimmig sein, fantasie und kreativität dürfen gern eingesetzt werden. die texte werden in der gruppe vorgetragen.

schreibaufgabe (32)

wir leben in einer zeit der hochgeschwindigkeit. nicht nur unsere fortbewegung beschleunigt sich (obwohl die eisrinnen und -kanäle auf den bürgersteigen berlins und die daraus resultierenden knochenbrüche gerade eine andere sprache sprechen), sondern auch unsere kommunikation. dem möchte diese schreibaufgabe rechnung tragen. es geht nicht darum einen text schneller zu verfassen, aufzunehmen oder vorzutragen. es geht darum, dass die story, der text an sich beschleunigt ist.

so wäre eine hochgeschwindigkeitsgeschichte zu verfassen, die die leserInnen schwindelig macht. dies kann durch die aneinanderreihung von ereignissen geschehen, durch eine experimentelle sprache, durch die aufforderung bei der lektüre des textes viel mitdenken und selbst ergründen zu müssen oder vielleicht durch einen rasanten dialog geschehen. machen sie sich beim schreiben und die anderen beim lesen atemlos. vergleicht man diese schreibaufgabe mit anderen techniken, dann sollte die geschichte an filme erinnern, bei denen man anschließend aus dem kino kommt und denkt einen parforceritt durch ein ereignis gemacht zu haben. der film erreicht dies zum beispiel durch schnelle, harte schnitte oder eine folgende, unruhige kamera. versuchen sie ähnliches für das schreiben zu finden.

und wenn sie dann erschöpft vor ihrem schreibgerät sitzen, dann können sie sich überlegen, wie man einen entschleunigten text gestalten könnte oder wie hochdruck in die literatur kommen kann. vielleicht lässt sich auch ein kontrast zwischen all diesen extremen in einer geschichte herstellen. die leserInnen werden es ihnen danken 😮

web 2.0 und 25 jahre e-mail

vor ein paar tagen jährte sich das versenden der ersten e-mail in deutschland zum fünfundzwanzigsten mal. immerhin der tagesschau eine meldung wert und ein kleines jubiläum mit großen wirkungen.

wo wäre der „spam“, wenn es die mail nicht gebe. wo wären all die unwichtigen newsletter und inhaltsleeren botschaften, wenn es die mail nicht gäbe. postwurfsendungen gibt es zwar auch noch, doch sie halten sich im rahmen. aber so eine kurze mitteilung, dass man eigentlich sein geld in russland anlegen solle oder viagra unentbehrlich für zukünftige sexuelle abenteuer sei, hatte man nie im briefkasten, mancher aber täglich im mail-postfach.

ja, die verbindungen und kommunikationen sind schneller und einfacher geworden. aber eben auch unklarer. dadurch dass die mail suggeriert, sie sei eine schnelle eins-zu-eins-kommunikation, fördert sie auch die hoffnung einer schnellen antwort. doch die muss nicht kommen. früher machten sich die menschen im netz noch die mühe, auf jede mail zu antworten, so wie man auch jeden persönlichen brief im laufe der zeit beantwortete. doch heute ist erst einmal meist schweigen.

und da fängt man an, sich zu fragen, ob die übertragung überhaupt geklappt hat. denn manche mail ist schon im netz verschütt gegangen, umgeleitet oder von anderen gelesen worden. offiziell gehen wahrscheinlich viel weniger mails verloren als behauptet wird. aber die verleugnung der ankunft vereinfacht die bewältigung der massenkommunikation. zum glück wurde inzwischen twitter erfunden. hier wird keine antwort mehr erwartet. wer die nachrichten liest, liest sie, der andere lässt es einfach sein. man kann reagieren, muss aber nicht. es ist ungerichtetes schreiben. wie schön, dass die verbindlichkeiten aus dem alltag verschwinden. eigentlich können wir es dann doch ganz sein lassen, uns zu schreiben. oder?

das schreiben und der wandel der zeit

beim aussortieren diverser unterlagen, fiel mir auch ein propaganda-blättchen der bundesregierung aus dem sommer 2007 in die hand. weiß der geier, weshalb ich dies behalten habe. jedenfalls steht da in großen lettern unter „deutschland aktuell“ der titel „gemeinsam den aufschwung gestalten“. anderthalb jahre später würde sich schon die titel „gemeinsam den abschwung gestalten“ oder „gemeinsam die krise überstehen“ anbieten.

schreiben, ob literatur oder im internet, ob journalismus oder tagebuch, unterliegt dem zeitgeist, der sich rasant schnell ändern kann. beim journalismus gehört dies zum job, jeden tag eine neue wichtige meldung, die wochen später schon wieder vergessen ist. aber in der literatur kann dies zum problem werden. vor zwei tagen habe ich bei einer lesung eine geschichte gehört, in der ein handy und sein klingelton die hauptrolle spielten und auslöser vieler verwicklungen war. diese geschichte wird eine begrenzte halbwertszeit haben, da es in etlichen jahren vielleicht gar keine handys mehr gibt.

was geschieht mit geschichten, in denen die glühbirne ein warmes licht spendete. schreibt man nun, „die energiesparlampe spendete ein helles licht“? allein der begriff „energiesparlampe“ klingt extrem technisch und kalt. aber von glühbirnen zu schreiben, würde nicht mehr der realität entsprechen und die geschichte kann nur noch von zeiten vor 2010 handeln. oder storys, in denen saure milch eine große rolle spielt wird es in absehbarer zeit auch nicht mehr geben, da die milch inzwischen ewig haltbar ist. so kann der wandel der zeit die geschichten überholen und sie schnell auf das gebiet der „historie“ verschieben. vor allen dingen texte, die aktuelle techniken und entwicklungen einbeziehen, werden in etlichen jahren wahrscheinlich als geschichten der vergangenheit betrachtet werden, die ein bild davon liefern, wie man damals so lebte.

denn welche kutsche irrt heute noch durch den wald oder welcher autofahrer verfährt sich ohne gps. wer zeitlose literatur verfassen will, soltte nicht unbedingt technik eine rolle spielen lassen oder sie nur am rande erwähnen, denn sicher ist nichts, noch nicht einmal unser wirtschaftssystem.

der kater nach dem rausch

downgrading ist für viele inzwischen angesagt. wurde in höchsten dimensionen das neue medienzeitalter begrüsst, jegliche form des schreibens und der kommunikation erprobt, kehren sie sich wieder ab vom chatten, bloggen, newsrooming und surfen. ähnliches ist in bezug auf handys zu erleben. mensch möchte nicht mehr den binären verheissungen erliegen.

schön auf den punkt gebracht hat es die süddeutsche zeitung in ihrer wochenkolumne „die frage“ am 8./9. märz 2008 mit der frage: „hat uns die cebit etwas gebracht?“. die antwort fiel eindeutig aus, die sz betrachtete alte formen der kommunikation, darunter „das gute gespräch“. dabei wurde das hohe lied auf die gesicht-zu-gesicht-kommunikation gesungen. denn laut sz ist die „digitale kommunikation … häppchenkommunikation, kauderwelsch, infantile kürzelwut“. da mag etwas dran sein. und doch ist sie weltumspannende kommunikation, die in ihrer geschwindigkeit die welt eine ganze ecke kleiner macht, gleichzeitig aber auch das leben beschleunigt.

wem dies alles zu schnell geht oder wer so schnell wurde, dass er aus der kurve flog, dem sei ein literarisches produkt anempfohlen, das das slowdown oder downgraden auf den punkt bringt: „anleitung zum müßiggang“ von tom hodgkinson bei rogner & bernhard bei zweitausendeins. der autor betreibt übrigens auch eine homepage unter http://idler.co.uk/ .