Schlagwort-Archive: brief

schreibidee (343)

früher, als es das internet noch nicht gab, also in zeiten als unser leben noch vor der haustür ablief, da war mensch eher gefragt, seinen bedenken und unsicherheiten gegenüber zu treten, sie zu überwinden und allen mut zusammen zu nehmen, wenn er sich jemandem annähern wollte. dies geschah im beruf, auf parties oder in der schule. einzig das telefon hatte man zur hilfe, doch dies auch nur, wenn man sich in seiner wohnung aufhielt und die andere person sich in ihrer wohnung aufhielt. heute geschieht dies oft auf etwas distanzierterem weg. es wird viel digital geschrieben. darum als schreibanregung das verfassen von „digitalen annäherungstexten“.

um der digitalen vielfalt auch bei den schreibanregungen raum zu geben, sollen verschiedene varianten ein und derselben situation verfasst werden. stellen sie sich vor, sie sind einem menschen im alltag begegnet, kurz ins gespräch gekommen und hin und weg. diesen menschen werden sie in absehbarer zeit nicht mehr treffen, haben aber seine oder ihre kontaktdaten und wollen sich annähern. je nach verbindungsmöglichkeiten soll von den schreibgruppenteilnehmerInnen ein versuch der kontaktaufnahme formuliert werden. zum einen per twitter oder sms (maximal 140 zeichen), dann eine erste äußerung im chat, eine mail und als kontrast die altmodische form eines briefs. die annäherungstexte, auch wenn sie kurz sind, sollten jeweils auf einem gesonderten zettel notiert werden.

nun wird die schreibidee zu zweit in der gruppe weitergeführt. ihre zettel tauschen die teilnehmerInnen. aufgabe ist es, eine positive reaktion zu allen kommunikationsformen zu verfassen. anschließend eine negative, dabei wird davon ausgegangen, dass nicht der einfachere weg der digitalen kommunikation beschritten wird, nämlich nicht zu reagieren. es werden also jeweils zwei antworten verfasst. die texte werden nicht vorgetragen, sondern den kollegInnen zurückgegeben.

im nächsten schritt wird nur noch auf die positven reaktionen geantwortet, also eine weitere annäherung versucht. wenn die texte fertig sind, werden sie wieder an die kollegin, den kollegen in der schreibgruppe gegeben und noch einmal eine positive reaktion verfasst. anschließend werden die texte gebündelt in der schreibgruppe vorgetragen. es findet eine feedbackrunde statt, in der die besonderheiten dieser form der annäherung genauer betrachtet werden.

zum abschluss können die beiden schreibgruppenteilnehmerInnen zwischen den drei varianten, twitter / sms, chat oder mail wählen, welche sie weiterführen wollen. in dieser form werden nun die schriftlichen dialoge und annäherungen weitergeführt. dabei ist nicht mehr vorgegeben, ob es zu einer negativen oder positiven reaktion kommen soll. sollte die genug zeit vorhanden sein, können diese annäherungsdialoge in der gruppe vorgetragen werden.

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jugend in deutschland aus tagebüchern, briefen und dokumenten – ein buchtipp

die wiedergabe des titels dieses buches wäre nur das zitat eines zitats gewesen und hätte auf die falsche fährte gelockt. darum habe ich dieses mal die unter-über-schrift gewählt, um einen hinweis auf das spannende werk zu geben. eigentlich handelt es sich um das buch „“wir wollen eine andere welt“ – jugend in deutschland 1900 – 2010 – eine private geschichte aus tagebüchern, briefen, dokumenten“. zusammengestellt hat das buch fred grimm.

wenn man mit hilfe von persönlichen zeugnissen in ein jahrhundert eintaucht, dann stellt man fest, wie viel sich in dieser zeit verändert hat und wie viel sich ständig wiederholt. schon anfang des 20ten jahrhunderts echauffierten sich die gesellschaft und die moralwächter über junge menschen (die halbstarken), die um die häuser zogen und tranken. diese debatten haben wir hundert jahre später wieder. war es früher die kirche, die aufsässigkeit sündig fand, haben wir heute die institutionen der drogenbeauftragen und der bundeszentrale für gesundheitlich aufklärung.

oft könnte man glauben, es gebe keine generationskonflikte mehr, zu viel sei friede, freude, eierkuchen, aber das buch zeigt, dass immer wieder jugendliche haltungen einnehmen, die ältere generationen nicht mehr oder schwer nachvollziehen können. und es zeigt sich auch, dass unsere gesellschaft um kinder ein unglaubliches aufhebens machen, bei jugendlichen meist überhaupt kein verständnis mehr zeigt.

doch noch unter einem ganz anderen aspekt ist dieses buch höchst spannend: beim biografischen schreiben kann man es durch zeitzeugnisse wunderbar nutzen, um in die vergangenheit einzutauchen. können sie sich noch erinnern, was sie in ihrer jugend besonders bewegte? das buch gibt unzählige anregungen, ja es vermittelt sogar die stimmung in der jugendzeit ihrer eltern. es zeigt ebenso die ängste und nöte bestimmter generationen, es macht vergangenes verständlicher.

die beinahe-gegenwart kommt ein wenig kürzer in dem buch vor, aber das macht nichts, denn man kann sie im internet oder in den „shell-studien“ finden. wer wissen will, wie sich jugendliche heute fühlen, sollte sie einfach fragen 😉 . das buch ist bei tolkemitt bei zweitausendeins in frankfurt am main 2010 erschienen. ISBN 978-3-942048-17-0

selbstbefragung (110) – kommunikation

die fragebögen zur selbstbefragung versuche ich unter rubriken zu bündeln. dieses mal geht es um die „kommunikation„.

  • mit wem kommunizieren sie am liebsten? warum?
  • wie kommunizieren sie am liebsten? warum?
  • welche kommunikationsmittel finden sie am angenehmsten? warum?
  • worüber kommunizieren sie am liebsten?
  • wann empfinden sie etwas als geplapper? beschreiben sie.
  • würden sie sich als kommunikationsfreudig bezeichnen? warum?
  • fühlen sie sich durch anrufe oder mails, gezwungen zu kommunizieren?
  • beim wem haben sie früher gelernt, wie man angemessen kommuniziert?
  • schreiben sie noch persönliche briefe?
  • in welchen situationen wären sie lieber still gewesen und hätten nicht kommuniziert? beschreiben sie.

web 2.54 – erinnerungsstücke vom ersten weltkrieg

es wird kaum mehr zeitzeugen geben, die noch den ersten weltkrieg miterlebt haben. das ist ganz normal. doch erst jetzt hat man die möglichkeit, relativ leicht und ohne großen aufwand, digitale archive zu erstellen, vor allen dingen unter der beteiligung der gesamten bevölkerung.

und dann gibt es da familien und sippen, die erinnerungsstücke ihrer vor-vorfahren bewahren. vor allen dingen aus zeiten, die eine zäsur für das land, für die familien und für das zusammenleben bedeuteten. früher war die sammlung von erinnerungsstücken schwierig, da die aufbewahrerInnen der erinnerungsstücke schwer zu erreichen waren. vieles fand sich eher auf flohmärkten oder bei wohnungsauflösungen.

jetzt werden die neuen medien genutzt. hinweise dazu gibt es über das radio und als flyer, die an vielen orten ausliegen. unter dem label „100 jahre erster weltkrieg„, einem traurigen erinnerungsdatum, soll eine virtuelle sammlung auf der europäischen kulturhomepage aufgebaut werden. dazu kann jeder mensch, der erinnerungsstücke, wie bilder, briefe oder erinnerungen an den ersten weltkrieg sein eigen nennt, diese selber ins internet stellen.

zum beispiel einfach bilder einscannen, dann auf die website http://www.europeana1914-1918.eu gehen und den hinweisen folgen, schon beteiligt man sich an dem erinnerungsprojekt. eigentlich eine ganz gute idee, die dem vorwurf, das internet würde das gesellschaftliche gedächtnis abschaffen, entgegensteht. gleichzeitig bietet das internet viel raum für biografisches archivieren und zeitzeugen-materialien. es ist zu wünschen, dass der erste absurde weltkrieg nicht vergessen wird.

schreibidee (220)

er kommt langsam aus der mode, der handgeschriebene brief. der persönliche brief gewinnt in den letzten jahren sehr an bedeutung. wer heute noch einen brief schreibt und keine mail, dem ist der adressat wichtig, der nimmt sich die zeit, seinen gedanken ausdruck zu verleihen. vor zwanzig jahren hatten briefe zwar auch bedeutung, aber längst nicht in diesem ausmaß. und wenn man sich die posthum veröffentlichten briefwechsel bekannter persönlichkeiten anschaut, kann man feststellen, dass ganze lebensgeschichten oder stories dort nachgezeichnet werden. darum soll die heutige schreibanregung zu geschichten, die sich aus einem „briefwechsel“ ergeben, führen.

als einstieg lässt sich zwischen zwei möglichkeiten wählen. sollten die technischen voraussetzungen vorhanden sein, dann könnte man einen gemeinsamen chat der schreibgruppe durchführen. die aufgabe besteht darin, in dem chat, eine geschichte (vom hörensagen oder vom gemeinsam erlebten aus) zu entwickeln. ohne die technischen voraussetzungen führt man zu zweit, handschriftlich, einen chat-ähnlichen schreibdialog durch, der auch eine geschichte im hintergrund entwickelt. die texte werden nicht in der gruppe vorgetragen.

im nächsten schritt werden die schreibgruppenteilnehmerInnen aufgefordert, zu überlegen, wem sie schon seit längerer zeit einen brief oder eine ausführliche mail schreiben wollten. alle erstellen jeweils eine liste von 5 personen, wählen die momentan wichtigste aus und schreiben diesen brief, diese mail. dann überlegen sie parallel, welche geschichte (es muss keine realistische sein) sie schon immer schreiben wollten, welcher roman noch nicht in angriff genommen wurde. zu der geschichte werden ein paar stichworte notiert.

die letzte runde der schreibidee nimmt recht viel schreibzeit in anspruch. alle gruppenteilnehmerInnen verfassen jeweils einen brief- oder mailwechsel, in dem sich ihre geschichte langsam entwickelt. es kann sein, dass ein protagonist ständig von seinen erlebnissen berichtet, aber es kann auch sein, dass beide etwas gemeinsam erlebtes brieflich aufarbeiten. der briefwechsel tritt stück für stück in den hintergrund und die geschichte in den vordergrund. anschließend werden die briefwechsel in der schreibgruppe vorgetragen und beim feedback wird betrachtet, wie stark sich die story in den vordergrund schiebt.

zum abschluss kann noch kurz auf bücher verwiesen werden, die ihre gesamte story als brief- oder mailwechsel oder tagebuchnotizen konstruieren. zum beispiel „die ansichten des pudels ali“ von wolfdietrich schnurre.

kreatives schreiben und entschuldigungen

so, da sitzt man nun und möchte eine entschuldigung schreiben. eigentlich steht schon fest, für was man sich entschuldigen sollte. aber der einstieg klappt nicht. es ist so verteufelt schwer, die richtigen worte zu finden. dabei würden wahrscheinlich zwei, drei einfache sätze genügen, um sich zu entschuldigen. man möchte noch ein wenig erklären, ein wenig in interaktion mit dem gegenüber treten. und man hat angst davor, die entschuldigung abzusenden. was, wenn das gegenüber nicht reagiert? wenn es sich viel zeit lässt und man sich fragt, ob die entschuldigung überhaupt angekommen ist?

diese situation kann durch das kreative schreiben vielleicht ein wenig entschärft werden. oft ist die entschuldigung ohne große umschweife das beste. und natürlich liegt die letztendliche entscheidung, ob die entschuldigung angenommen werden kann, beim gegenüber. das ist nun mal so. vielleicht sollte man erst noch einmal ein freewriting zu der frage, weshalb man sich überhaupt entschuldigen möchte oder was man mit einer entschuldigung erreichen möchte, aufschreiben. denn vielleicht stellt man dann fest, dass man eine gegenleistung für eine entschuldigung haben möchte. man möchte, dass das gegenüber sich auch entschuldigt. dann sollte man es lieber bleiben lassen.

man kann ebenso freewritings zum entschuldigungstext machen. man kann also mehrmals fünf minuten einfach eine entschuldigung schreiben, ohne lang darüber nachzudenken. dann vergleicht man die entstandenen texte und wählt den ansprechendsten aus. den überarbeitet man, feilt ihn aus und versendet ihn. man kann aber auch in einem freewriting darüber reflektieren, warum es einem so schwer fällt, sich eine blöße zu geben, also einen schritt auf jemanden zu zu machen, ohne eine reaktion erwarten zu können.

abseits der ganzen selbstfindungsprozesse, die das kreative schreiben unterstützt, kann man auch am gesamten text arbeiten. eine entschuldigung lässt sich in eine geschichte verpacken, man kann ein gedicht schreiben oder einen treffenden slogan dafür finden. eine schön verpackte entschuldigung erweicht das herz Weiterlesen

schreibidee (177)

verkehrte welt. in der gesellschaft der dienstleistungen werden gerade monopolisten und große konzerne, sowie öffentliche verwaltungen kommunikativ unerreichbar. oder haben sie schon einmal bei der post versucht, sich über ein verschwundenes paket beim verteilerzentrum zu informieren. sie werden an eine hotline, die horrendes geld kostet, irgendwo in deutschland verwiesen. oft gibt es weder durchwahlen noch persönliche mailadressen. da bleibt einem nur eine übrig: der traditionelle, getippte oder handgeschriebene „beschwerdebrief„. darum dieses mal eine kleine unterstützung in den schreibideen, eine beschwerde an den adressaten zu bringen.

als einstieg in die beschwerde, sollten sich die gruppenteilnehmerInnen der schreibgruppe bewusst werden, bei wem sie sich überhaupt beschweren wollen. in unserem immer komplizierteren alltag findet sich garantiert ein beschwerdegrund. so ist als erstes ein cluster zu erstellen, das mittig die aussage enthält „was mich schon immer aufregt“. aus dem cluster wird dann die aufregung ausgewählt, bei der eine beschwerde aussicht auf erfolg hat. es kann sich dabei um die geringe anzahl der roten gummibärchen, die am besten schmecken, in der tüte handel, aber auch um die zeitverzögerung beim amt oder eben das verschwundene paket.

nun wird eine tabelle angelegt. in die linke spalte werden die knallharten fakten eingetragen, die zu der beschwerde führen. in die rechte spalte sind dann sätze einzutragen, die knallharte fakten in treffsichere beschwerden verwandeln. denn die schreibgruppe geht ja davon aus, dass ihre beschwerde berechtigt ist und hat somit keinen grund, sich erst mit vielen belegen zu rechtfertigen. hier darf schon die lage der fakten ausgereizt werden. die fakten (maximal fünf) und die entsprechenden sätze werden sich in kleingruppen gegenseitig vorgestellt. die anderen gruppenteilnehmerInnen bewerten wie treffend die sätze sind und bieten eventuell alternative formulierungen an.

nach der kleingruppenarbeit werden nun die fünf wichtigsten sätze des beschwerdebriefs aufgefüllt. dazu dürfen ruhig blumig oder sarkastisch die folgen der versäumnisse des adressaten beschrieben werden. Weiterlesen

leben neben der berliner feuerwehr (04)

sehr geehrter herr körting (innensenator),

wie jedes frühjahr bricht bei den mitarbeitern der berliner feuerwehr die hungersnot während der dienstzeit aus. entweder ernähren sie ihre mitarbeiter so schlecht, oder sie stellen ihnen keine kochgelegenheiten zur verfügung (obwohl andere berufsgruppen auch zwölf stunden arbeiten ohne feuerstelle auskommen). jedenfalls herr körting, besteht nach eingehender beobachtung von meiner seite ein enger zusammenhang zwischen steigenden temperaturen, wetter ohne niederschlag, mittagspause und dem anwerfen eines grills um das rohe fleisch mit magenknurren schnell anzubraten. ab dem frühjahr geschieht dies dann mehrmals die woche (sollten wetter und hunger mitspielen). ich möchte ihnen vorschlagen, dass sie ihren beamten entweder täglich essen auf rädern zukommen lassen (nur mal so wegen der rauchbelästigung für die nachbarschaft und der abgasbelästigung durch die einsatzfahrzeuge in den hinterhöfen, die als sichtschutz dort abgestellt werden müssen). oder sie lassen ihren mitarbeitern essenmarken für die nächstgelegenen städtischen kantinen zukommen. dort gibt es sicherlich auch parkplätze für die einsatzfahrzeuge. so ließe sich die zeit, die sonst von ihren beamten während des dienstes bei auto-tip oder wie ostermontag mit dem hoch- und runterfahren ihrer freunde und familien mit dem leiterwagen verbracht wird, sicherlich sinnvoller nutzen. vielleicht könnten sie vor der kantine auch noch die kollegen aus den anderen behörden, zum beispiel der umweltbehörde des bezirkes steglitz oder der ordnungsämter, die schönen leiterwagenfahrten anbieten. es würde die nachbarschaft der feuerwache entlasten und die umweltverschmutzung dorthin bringen, wo sie hingehört.

mit freundlichen grüßen,

ein von seinen staatsdienern und den weisungsgebenden behörden begeisterter bürger

nabelschau (23)

das tägliche grauen in der post. es fällt schwer bei diesem thema ernst zu bleiben, handelt es sich doch um vorgaben eines beinahe-monopolisten. wer einmal marcel prousts „auf der suche nach der verlorenen zeit“ gelesen hat, der kann dort erfahren, dass in paris am tag mehrfach briefe zugestellt wurden und somit schriftlich beziehungen aufgebaut, vertieft und beendet werden konnten. wenn nötig sogar an einem tag. diese briefe zeichneten sich durch schöne schrift, vielleicht einen duft, ein siegel oder besondere umschläge aus. heute bietet dies zumindest teilweise die mail. nur mit dem duft, dem siegel oder einem besonderen umschlag ist es weiterhin schwierig im digitalen zeitalter.

also greift mancher von uns zwischenzeitlich doch noch zum büttenpapier, zum edlen füller, wählt einen zarten duft und vielleicht einen farbigen briefumschlag. zumindest wird die post meist noch einmal am tag zugestellt (obwohl es da auch schon engpässe gegeben haben soll) und sie wird oft auch innerhalb eines tages durchs land transportiert. doch wer seinen bedeutungsvollen brief nicht am schalter im postamt abgibt (wo war noch einmal das nächste postamt?) und länger keine farbigen briefumschläge verwendet hat, verursacht dem oder der angebeteten ärger. denn er hat seine schriftlichen zärtlichkeiten mit großer wahrscheinlichkeit falsch frankiert. ein farbiger brief kostet mehr als ein normaler brief. und dies gilt schon seit jahren. ich habe es erst durch die zeitung vor etlichen wochen erfahren, dass die post da regeln hat, die nirgends schriftlich eindeutig gefasst sind, die aber für naive lust- und liebesbrief-schreiberInnnen zum supergau werden können.

stellen wir uns einmal vor, wir haben eine tollen brief geschrieben, werfen ihn vor der leerung in den kasten und warten am nächsten tag oder am übernächsten tag sehnsüchtig auf eine reaktion (telefonisch, per mail oder brieflich). es kommt nichts. wir sind verunsichert, hat den adressaten unser gefühlvolles werk verfehlt, sind die worte falsch gewählt gewesen? nichts dergleichen. der brief hat ihn einfach nicht erreicht. er fand eine benachrichtigung des/der zustellerIn im kasten, auf dem steht, dass ein brief im service-center auf die abholung warte, aber eine nachgebühr zu entrichten sei. denn der umschlag war farbig. das steht nicht auf der benachrichtigung. aber wer seine zartheiten nicht in graue, weiße oder kackbraune umschläge packt, muss 90 cent draufkleben. begründung der post: die adresse eines briefes kann von den automatischen sortiermaschinen bei farbigen umschlägen nicht gelesen werden, es muss also von hand sortiert werden.

abgesehen davon, dass diese regel nirgends steht, ist es im hochtechnisierten zeitalter anscheinend nicht möglich lesegeräte so zu kallibrieren, dass schriften auf farbigem papier erfasst werden. nun kommt von den schreibenden wahrscheinlich niemand auf die idee mit rotem stift auf rotem papier die adresse zu notieren, sondern es wird dann schon blau oder schwarz verwendet, doch das genügt der maschine nicht. tja, die welt war einmal bunt, sie wird immer grauer. und in ein paar jahrzehnten, wenn das grauen weiter um sich gegriffen hat, dann sind farbige briefumschläge ein zeichen von widerstand gegen die sortierenden und ausliefernden roboter.
interessant wäre es, zu erfahren, ob an dieser regelung schon beziehungen gescheitert sind, da der schreiber am dritten tag ohne reaktion zur feder griff und dem ganzen ein ende machte, hatte er doch sein herz in worte gefasst und diese wurden anscheinend nicht geachtet, sie wurden in seinen augen ignoriert. dabei war es nur die post, die tristesse in sein leben brachte.
ob demnächst düfte verboten werden, wegen geruchsbelästigung?

digitale kommunikation – eine zwiespältige angelegenheit

die möglichkeiten miteinander zu kommunizieren haben durch die digitalisierung der umwelt zugenommen. abseits der alten formen der snailmail, des telefonierens und des faxens sind inzwischen noch der chat, die sms, das twittern und letztendlich auch das bloggen, sowie das voipen und die online-konferenz hinzugekommen.

auffällig bei den neueren kommunikationsarten ist die erwartung, sich kurz zu fassen. würden im chat längere ausführungen getippt, säße der andere vor seinem computer und würde däumchen drehen oder sogar den chat verlassen, da er mit keiner antwort mehr rechnet. twitter und sms beschränken die länge der nachricht schon von der verwendeten zeichenzahl her. wenn man dann doch viel mitzuteilen hat, wird eher zur mail oder eben doch wieder zum telefonieren, nur über das internet, also dem voipen gegriffen. oder es wird eine sms nach der anderen versendet. nicht ohne grund bieten inzwischen fernsehsender 5000 sms für ca. 15 euro an. das bedeutet, man versendet pro tag ungefähr 160 sms. letztendlich wachsen einem dann die finger am handy fest.

erst einmal ließe sich die kommunikation auf den nenner „in der kürze liegt die würze“ bringen, doch langfristig betrachtet, werden dabei gedankengänge in häppchen zerhackt und es wird schwer werden eine überlegung am stück zu übermitteln. Weiterlesen

web 2.0 und 25 jahre e-mail

vor ein paar tagen jährte sich das versenden der ersten e-mail in deutschland zum fünfundzwanzigsten mal. immerhin der tagesschau eine meldung wert und ein kleines jubiläum mit großen wirkungen.

wo wäre der „spam“, wenn es die mail nicht gebe. wo wären all die unwichtigen newsletter und inhaltsleeren botschaften, wenn es die mail nicht gäbe. postwurfsendungen gibt es zwar auch noch, doch sie halten sich im rahmen. aber so eine kurze mitteilung, dass man eigentlich sein geld in russland anlegen solle oder viagra unentbehrlich für zukünftige sexuelle abenteuer sei, hatte man nie im briefkasten, mancher aber täglich im mail-postfach.

ja, die verbindungen und kommunikationen sind schneller und einfacher geworden. aber eben auch unklarer. dadurch dass die mail suggeriert, sie sei eine schnelle eins-zu-eins-kommunikation, fördert sie auch die hoffnung einer schnellen antwort. doch die muss nicht kommen. früher machten sich die menschen im netz noch die mühe, auf jede mail zu antworten, so wie man auch jeden persönlichen brief im laufe der zeit beantwortete. doch heute ist erst einmal meist schweigen.

und da fängt man an, sich zu fragen, ob die übertragung überhaupt geklappt hat. denn manche mail ist schon im netz verschütt gegangen, umgeleitet oder von anderen gelesen worden. offiziell gehen wahrscheinlich viel weniger mails verloren als behauptet wird. aber die verleugnung der ankunft vereinfacht die bewältigung der massenkommunikation. zum glück wurde inzwischen twitter erfunden. hier wird keine antwort mehr erwartet. wer die nachrichten liest, liest sie, der andere lässt es einfach sein. man kann reagieren, muss aber nicht. es ist ungerichtetes schreiben. wie schön, dass die verbindlichkeiten aus dem alltag verschwinden. eigentlich können wir es dann doch ganz sein lassen, uns zu schreiben. oder?

schreibidee (144)

diese schreibidee ist nicht meine, sondern wurde mir von johannes g., einem doch recht regelmäßigen leser dieses blogs, vorgeschlagen. gruß!
man gerät immer wieder in die situation, einladungen für festivitäten zu erhalten, die mit einem zu machenden geschenk verbunden sind. freundlicherweise legen viele menschen diesen geschenken grußkarten bei. doch was auf die karten schreiben? deshalb soll dieses mal die schreibanregung zu „grußkartentexten“ führen.

als einstieg werden in der schreibgruppe anlässe für grußkarten gesammelt. wann muss man eigentlich etwas auf eine karte schreiben? aus den am flipchart notierten situationen, wählt man sich die aus, die zur zeit für einen am aktuellsten ist. dann überlegen die teilnehmerInnen der schreibgruppe, an wen sich diese grußkarte richtet.

als erstes wird eine einseitige beschreibung der person, für die die karte bestimmt ist, verfasst. dabei sollen eigenschaften, gemeinsame erlebnisse und die ursache des feierlichen anlasses berücksichtigt werden. anschließend wird in kurzen stichworten notiert, was man dieser person denn wünscht. bei den wünschen zeigen sich schnell die unterschiede, wie nahe einem die person steht. die teilnehmerInnen sollen anschließend noch notieren, was sie sich mit dieser person wünschen, also sich selbst als bezugsperson einbeziehen. auch diese wünsche werden als stichworte verfasst.

im nächsten schritt wird ein brief an die zu grüßende person verfasst. dabei thematisieren die teilnehmerInnen der schreibgruppe, was sie mit der person erlebt haben, wie wichtig sie ihnen ist, was sie ihr für die zukünftige zeit wünschen und was sie gemeinsam erleben wollen. die briefe werden gegenseitig in der schreibgruppe vorgelesen. und im nächsten schritt auf postkarten- oder grußkartenformat zusammengestrichen oder verdichtet. dieser text wird auf einer karte (es stehen verschiedene zur auswahl) notiert.

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schreibidee (130)

die erwartung, sich perfekt zu verhalten, ein gutes soziales wesen zu sein und kompetent mit konflikten umzugehen ist inzwischen gesellschaftlicher standard. ganz gleich welche berufsgruppe, welche zusammenhänge, mensch wird erzogen zu einem besseren und alle bemühen sich. doch so sehr man sich bemüht, manche lebenssituationen verrutschen und laufen schief. auch dies kennt jeder, man hat etwas getan, was man nie tun wollte. die schreibanregung wird dieses mal die möglichkeit bieten, „entschuldigungs-texte“ zu verfassen.

als einstieg in die schreibanregung notieren alle teilnehmerInnen der schreibgruppe situationen, von denen sie das gefühl haben, unfair gewesen zu sein oder jemanden verletzt zu haben. es werden listen aufgestellt. anschließend wählen alle das für sie dringlichste ereignis, von dem sie meinen, sie müssten sich auf alle fälle entschuldigen. dann wird ein brief verfasst, der zu beginn die situation noch einmal wiedergeben sollte, um dann in eine entschuldigung zu münden.

wenn der brief fertig ist, wird ein zweiter text von einer seite geschrieben, in dem man darüber reflektiert, was es bedeutete diesen brief zu schreiben. wie ging es einem damit? nach diesen vorarbeiten wird eine geschichte geschrieben, die die situation widerspiegelt, die man erlebte (sie kann natürlich verfremdet werden, da diese geschichte vorgelesen werden soll), und die anders verläuft als damals. die geschichte beschreibt, was passiert wenn man sich anders, fairer verhalten hätte.

nachdem die geschichten gegenseitig vorgetragen wurden, wendet sich die schreibgruppe den größeren konflikten zu. ältere generationen leben gern auf kosten der nächsten generation. deshalb sind nun noch „entschuldigungs-texte“ an die nächste generation zu verfassen. in diesen texten entschuldigt man sich für das, was auf die jüngeren zukommt. alle teilnehmerInnen sollten versuchen, erklärungen dafür zu geben, weshalb die gesellschaft sich so verhalten. vielleicht lassen sich dadurch generationskonflikte auflösen 😉

nabelschau (09) – berliner feuerwehr als freizeitpark

bürokraten-sprech. mein briefkasten liefert in letzter zeit viel stoff zum nachdenken und vor allen dingen zum übersetzen. so fand sich vor einiger zeit, folgendes meisterwerk im kasten, das an alle anwohner gerichtet war (oben rechts in der ecke überigens mit dem tollen logo „be berlin“:

sehr geehrte damen und herren, wie sie sicherlich mitbekommen haben, finden zur zeit umfangreiche bauarbeiten auf dem gelände der feuerwache statt. (ja, liebe feuerwehr, das habe ich mitbekommen, als in den letzten wochen bei mir in der küche die gläser in den regalen klirrten. zu dem ist mir aufgefallen, dass beinahe der gesamte hinterhof aufgerissen und zugeschüttet mit baumaterialien ist. das scheint mir „umfangreich“. und so wie ich ihre behörde kenne, gab es schon ein paar beschwerden, sonst wäre der brief überhaupt nicht verfasst worden.) sofern es zu keinen komplikationen kommt, ist mit einer bauzeit von ca. 10 wochen zu rechnen. (es ist also schon zu komplikationen gekommen, sonst wäre der brief nie so formuliert worden. wir können also mit großer sicherheit davon ausgehen, dass die bauzeit sich verlängert und das gesamte frühjahr der balkon nicht nutzbar ist.) in dieser zeit kann es zu lärmbelästigungen kommen. („kann“ ist schön formuliert. es kommt beinahe sieben stunden am stück zu lärmbelästigungen, ihre schöne sichtschutzwand, die sie letzten sommer an der einen seite des hinterhofs aufgebaut haben, sorgt dafür, dass der lärm volle pulle gegen die anderen häuser brettert. auch das beseitigen beinahe aller bäume und büsche auf ihrem hinterhof in den letzten jahren senkt die lärmbelästigung nicht.) in zusammenarbeit mit der baufirma und der bauleitung sind wir bemüht, die unannehmlichkeiten für sie so gering als möglich zu halten. (das glauben sie nicht wirklich. denn wäre das ihr anliegen, dann würden nicht nur zwei mitarbeiter der baufirma den hof häppchenweise umgraben, sondern dann würden mehr mitarbeiter schneller alles umgraben. und dann würden auch ihre zudem stattfindenden zwei schichtwechsel nicht zwei stunden dauern, sondern eine halbe stunde wie früher. dann würde nicht…). bei fragen stehe ich ihnen gerne, unter der oben aufgeführten telefonnummer, zur verfügung. mit freundlichen grüßen… (tja, nett gemeint, aber ich weiß jetzt schon, dass sich durch die antworten die grundsituation nicht ändern wird. aber schön, dass sie sich mal gemeldet haben.) 😆 hier bekommt zwischen den zeilen lesen immer wieder ein große bedeutung.

in den kommentaren finden sich die schönwetterentwicklungen, die sich jedes jahr wiederholen.

schreibidee (82)

das schreiben eines persönlichen briefes ist inzwischen in den zeiten der mails für viele menschen etwas besonderes geworden. der mail wird weniger bedeutung geschenkt, da sie technisch daher kommt und meist von viel spam begleitet wird. also bieten schreibgruppen die chance, zurück zu den wurzeln zu kehren, und sich noch einmal dem brief zu widmen.

besonders klärend sind „briefe, die nie abgesendet werden“ und deren inhalt sich dem motto „was ich dir schon immer einmal schreiben wollte aber nie abzusenden wagte“ widmet. hier kommt es zu einer verquickung des biografischen und des kreativen schreibens. so soll als erstes ein sehr persönlicher brief verfasst werden, der wahrscheinlich nie abgesandt wird. die teilnehmerInnen sollten sich dazu ganz in ihre eigene geschichte vertiefen, altem groll oder unerwiderter liebe nachspüren. die briefe werden in der schreibgruppe nicht vorgelesen, sie verbleiben bei den verfasserInnen. die schreibgruppenleitung kann aber umschläge und briefmarken parat halten, falls doch jemand seinen brief in einem anfall von mut absenden möchte.

nach diesen kleinen befreiungsschlägen kann sich dem kreativen part der nie abgesendeten briefe zugewandt werden. die teilnehmerInnen wählen sich eine berühmte persönlichkeit aus, aus deren sich sie einen brief schreibt. das kann zum beispiel der abschiedsbrief von marilyn monroe sein oder ein entschuldigungsbrief von georg w. bush an seine nation. es kann sich dabei um liebesgeständnisse oder das beseitigen von streits handeln. diese briefe werden anschließend in kleingruppen vorgetragen. dabei soll sich das feedback darauf konzentrieren, an welchen stellen den persönlichen anliegen durch stilistische mittel noch mehr nachdruck verliehen werden kann und welche statements weggelassen werden können. anschließend werden die briefe noch einmal in großer runde als wiederentdeckte zeitzeugnisse verlesen. und es ist zu hoffen, dass der gewichtige brief, auch wenn er als elektronische mail daherkommt, nie aussterben wird. doch warum sollte er auch?

schreibtechnik (18)

die zeit ist knapp, also braucht die „snail-mail“ für viele inzwischen zu lang, wo es die e-mail doch schneller schafft. es werden also auf teufel komm raus mails versendet. doch was ist dabei zu beachten, wenn ich elektronische post versende?

als erstes wahrscheinlich, dass die anderen die mail auch lesen können. aus eigener erfahrung kann ich schreiben, wenn die anderen nur kryptische schriftzeichen empfangen, dann gerät die kommunikation ins stocken. also ein möglichst kompatibles mailprogramm verwenden.

was den stil und das schreiben in den mails angeht, da gibt es keine eindeutigen regeln. sind die mails doch eine mischung aus brief und chat. es ist also fast alles möglich. ich persönlich finde es immer ganz hübsch, wenn ich in der betreffzeile einen hinweis auf den nun folgenden text finde. denn die mail wird nicht nur schnell geschrieben und versendet, sondern auch meist schnell gelesen. bekommt man doch inzwischen, vor allen dingen bei der arbeit, eine unmenge von mails und newslettern zugesandt, die erst einmal durchgearbeitet werden müssen. auch kleine absätze im text machen freude. so ganz absatzlos geschriebene texte müssen sonst erst noch im kopf sortiert werden. also doch lieber zwischendurch auf die enter-taste drücken.

eine kleine gebrauchsanweisung für das schreiben von mails hat ein it-kenner (boris piwinger) verfasst und die findet sich hier: http://piology.org/mail/  .

ansonsten erlauben mails eigentlich fast alles und sind nicht so strikt reglementiert wie der geschäftsbrief. aber es kommt doch besser, wenn es bei der begrüßung und verabschiedung eine rolle spielt, an wen die mail gesendet wird. ich bevorzuge inzwischen ja die kleinschreibung, aber bei offiziellen mails finde ich auch die groß- und kleinschreibung noch sinnvoll. denn darin sollte es auf keinen fall zu missverständnissen kommen. ab und zu aber einen brief im briefkasten hat weiterhin eine andere bedeutung, wie eine mail im postfach.

biografisches schreiben und briefe

 

bei der betrachtung der eigenen lebensgeschichte können zeugnisse aus der vergangenheit hilfreich sein. wie hier schon erwähnt, sind tagebücher solche zeugnisse. doch darüber hinaus verfügen die älteren generationen meist über briefe, die ihnen wichtig waren.

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schreibtechnik (11)

 

nachdem das letzte mal die knick- und falttexte vorgestellt wurden, ist es nur die logische folge, ein wenig über das dialogische schreiben zu schreiben. eine der techniken, die schwer allein zu bewerkstelligen sind.

vor allen dingen eines zeichnet das dialogische schreiben aus, der versuch, schriftlich auf eine andere person einzugehen. generell bewerkstelligen wir das in briefen, e-mails oder beim chatten. auch wenn man jemanden kaum kennt, stellt man sich beim schreiben den anderen, die andere mehr oder wenig vor. deshalb ist unser schreibstil in diesen momenten auch sehr davon abhängig, welche rolle die anderen einnehmen oder welche ich ihnen zuschreibe. so unterscheidet sich ein geschäftsbrief stark von einem liebesbrief. und jedesmal antizipiere ich die reaktion meines gegenüber.

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