Schlagwort-Archive: copy and paste

wie man den spass am schreiben abgewöhnt (09)

kein kopieren

bei wissenschaftlichen arbeiten mag man dies noch verstehen, dass pures kopieren nicht zeigt, wie man selbstständig zu wissenschaftlichen erkenntnissen gelangt. obwohl auch da das kopierte ja nur als zitat kenntlich gemacht werden müsste, um es für die eigenen überlegungen nutzen zu können. aber generell gibt es inzwischen eine verteufelung des „copy & paste“, worüber man meiner ansicht nach vortrefflich streiten kann.

vor dem schreiben steht die ideenfindung und recherche. kein schreibender mensch erfindet das rad neu, sondern orientiert sich an schon vorhandenem, an bekanntem und an persönlichen vorlieben. dabei wird nachgemacht, weitergedacht oder nur neu kombiniert. diese prozesse werden gern abgewertet als faulheit und ausweichhandlung.

das scheint absurd, wenn man sich die denkleistung dahinter betrachtet: es wurden erst einmal informationspools gesucht, sie wurden durchforstet, es wurde ausgewählt, es wurde gelesen, es wurden ausschnitte kopiert und neu kombiniert. letztendlich wurden also für die schaffung eines neuen produktes collagetechniken angewendet. wer glaubt denn, dass dies früher nicht der fall war? ganz gleich, ob schule, hochschule oder freizeit, es wurde abgeschrieben. nur handschriftlich war dieser prozess viel aufwendiger. da fiel die entscheidung leichter, gleich etwas eigenes zu schreiben.

aber generell stellt sich die frage, ob die qualität eines textes automatisch dadurch schlechter wird, dass man versatzstücke anderer ansprechender texte verwendet. mein momentanes lieblingsthema: musik und malerei haben dies schon lange vorgemacht, nur beim schreiben wird ein anderer maßstab angelegt. und schnell rutscht man in die denkstruktur, dass es eines geniehaften schöpfens aus sich selbst heraus bedarf, um schreiben zu können. „copy & paste“ können ein wunderbarer einstieg ins schreiben sein.

die sorge, dass dann nur noch kopiert würde, ist eine falsche. ausweichhandlungen treten nur dann auf, wenn eine sache keinen spaß macht, zwang und druck zum ausweichen und zur flucht animieren. kreativ sein ist aber für alle menschen ein angenehmes gefühl, wenn keine abwertungen im nachhinein stattfinden. und kreativität verlangt nur die neukombination von bisher gedachtem aber nicht die vollständige neuschöpfung, die von der logik her auch gar nicht außerhalb gesellschaftlicher parameter machbar ist. wir können nicht denken, was abseits des menschlich vorstellbaren liegt. doch unsere vorstellung, dass butter butter ist, ist gesellschaftlich vermittelt, also schon einmal von jemandem gedacht worden.

also ist das kopieren und neukombinieren eine fähigkeit, die uns menschen kreativ werden lässt und unsere entwicklung fördert. es wird zeit, dass beim schreiben die angst vor dem „copy & paste“ abgelegt wird. wir tun es sowieso schon. und dann kann der fokus auch auf den kreativen aspekt im hintergrund gerichtet werden. was für ein spaß ist es, aus textschnippseln von goethes „faust“ ein neues stück zu kreieren. und wie viel größer wird der spaß im laufe der zeit, wenn man anfängt selber wie goethe zu schreiben. das kopieren ist eine gute technik um sich dem schreiben anzunähern, wir sollten in schulen, hochschulen, in der kunst und literatur nicht darauf verzichten.

unter einem ganz anderen gesichtspunkt verläuft die debatte um das vollständige kopieren ganzer bücher, ohne neues daraus zu schaffen. die ist hier nicht gemeint.

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schnickschnack (122)

die werke des internetkünstler „systaime“ sind das visuelle pendant zum „uncreative writing“, indem er vorhandenes aus dem internet aufgreift und daraus collagen oder spielerische gifs macht. man nehme das kostenlose, einen zuschüttende trash-angebot aus pop-ups, von homepages und dergleichen mehr und mache daraus ein großes plakatives werk, das den stand der dinge abbildet. aus was besteht das netz? die eine homepage von systaime zeigt es. siehe hier: http://systaime.com/freesurf/ .

noch aussagekräftiger würde aus meiner sicht das werk, wenn es in einer endlosschleife aufrufbar wäre und das scrollen durch die collage kein ende finden könnte. aber auch so bietet die seite schon einen guten überblick über das vohandene, kostenlose und marktschreierisch angebotene. neu zusammengefügt ergibt sich eine ganze andere geschichte, ein neuer blick auf die digitale welt. aus dem alltag kunst zu machen, ein prinzip des flarf, kann abbilden und vorführen, auf welche blickwinkel sich das internet in suchmaschinen und werbung beschränkt. also ein digitales abbild unserer wirklichkeit.

und all dies nur mit hilfe des copy & paste entwickelt, kaum hinzugefügtes, ausschließlich aufgegriffenes und wiederverwertetes. und doch wieder etwas ganz neues – ein visueller remix.

flarf des fünften tages

rss-feed spiegel-faz-sz 0911

Interne Pyrotechnik-Protokolle
an den Börsen schnell verpufft
Bei diesem Niveau
den Traum jäh zerstören

Das ist kein Bluff!
Rätselhafter Teufel
schwärmt von einem Geschenk Gottes
Seine Formkrise ist spiegelbildlich

Seltsam mutete auch eine „Verräter“-Liste an
Wir werden nicht ein Jota von unserem Weg abrücken
Übergangsbahn auf dem Weg zum Marsmond verfehlt
die für Höheres in Frage kommt

die Zeit wird knapp
Damit deutsche Schüler nicht immer dicker werden
florierende Ströme seien in Ketten gelegt
die schönsten Särge, Urnen und Grabsteine

manche Fragen sind durchaus unangenehm
die Jagd nach dem Monster der Apokalypse
Egoismus, Populismus und Oberflächlichkeit
die eigene Individualität heutzutage auch über den Tod hinaus zelebriert

aus der Angst der Menschen Profite

flarf des vierten tages

lust, laune und leidenschaft

Begehr, Begehren, Geneigtheit, Gier, Sehnsucht, Verlangen
Last Unlust Schmerz Frust
lust und leid download
vergehen verlieren empfinden wecken

Liebe im Internet – Die Chemie der Emotionen
Leidenschaft zu Uhren
Kubanische Lust
Unkomplizierte Weine, die Laune machen.

ist noch recht nett gemacht
Inszenierung mit „normalen“ Rollenklischees
Basic-Niveau (siehe Basic-Kurs) und natürlich Lust
die Lust und Laune sich selber zu diskriminieren

Joachim Löw: „Wir haben mit Lust und Laune agiert“
hat mit seinen Freunden gestern Abend
zum Zwecke des Broterwerbs
Ich hatte Lust dazu – J’en avais envie

nicht lange nachdenken einfach trinken
Von oberflächlichen Gelüsten, wechselnden Launen und tiefen Leidenschaften
Ohne Unangenehmsein des Fühlens ist beispielsweise keine schlechte Stimmung
wenn Sie Lust haben – si le cœur vous en dit

Nach etwa einem Jahr kam dann ein großer Krach

schreibidee (229)

und wenn wir dann gerade schon beim geld sind, seit zwei jahrzehnten ist das „schnäppchen“-fieber ausgebrochen. die jagd ist eröffnet und überall wird die beute erlegt. das bedient sowohl die bedürfnisse der „jägerInnen“ als auch der „sammlerInnen“. was will man mehr. wenn da nicht die nebenerscheinungen wären, die an so einer billigen produktionsweise. darum ist es an der zeit, auch beim schreiben die discount-mentalität zu verwirklichen und „billige texte“ zu verfassen.

am anfang steht die frage, was ist ein „billiger text“. sicherlich einer, der ausschließlich mit hilfe von copy und paste entstanden ist. darum werden vor dem schreibgruppentreffen die teilnehmerInnen aufgefordert texte und gedichte von sich mitzubringen oder an die gruppenleitung per mail zu senden (was vieles erleichtert), die sie früher verfasst haben. entweder stellt man frei, wie viele es sind oder man begrenzt auf jeweils fünf exemplare. denn nun werden die ganzen texte und gedichte für alle gruppenteilnehmerInnen jeweils kopiert oder ausgedruckt. alle haben einen stapel von material vor sich.

nun wird gebastelt. abschnitte, sätze und zeilen werden ausgeschnitten und zerteilt, um sie mit klebestift und papier neu zusammenzufügen. (im idealfall liegen alle texte als dateien vor und alle teilnehmerInnen können ein laptop mitbringen.) alle sollten jeweils einen text und ein gedicht aus den vorliegenden materialien herstellen, ohne ein einziges eigenes wort hinzuzufügen. die billigen texte werden anschließend vorgetragen.

anschließend versucht sich die schreibgruppe an einer weiteren variante der billigen texte. billige texte sind texte, die sich an platitüden orientieren. also ist ein text zu verfassen, der drei, vier vorgaben bekommt. zum beispiel kann die geschichte von zwei menschen handeln, die gemeinsam auf eine tagung fahren müssen, mit dem auto in einer abgelegenen gegend liegen bleiben, eine romantische unterkunft finden, sich näher kommen und zum schluss gemeinsam glücklich in den sonnenuntergang blicken. hier können drei verschiedene angebote gemacht werden.

wichtig ist es bei diesen texten, alle ansprüche an das eigene schreiben, die man im laufe der schreibgruppe entwickelt hat, beiseite zu lassen und sich in einfachen, schönfärberischen sätzen zu versteigen. dabei darf in die vollen gegangen werden. es wird sich zeigen, dass dies teilweise schwerer ist, als man denkt. die texte werden anschließend vorgetragen und in der feedbackrunde diskutiert, wie gut die platitüden getroffen wurden.

nabelschau (37)

verschwörungstheorien als ausrede für plagiate. ja, es liegt mir auf den lippen: wäre unser verteidigungsminister zu mir in die schreibberatung gekommen, wäre das nicht passiert 😀 doch das ist zu spät. eigentlich ist es zu spät für alles. denn, der schritte sind zu viele getan.

ja, es gibt viele menschen, die faken. es herrscht inzwischen oft die „copy-und-paste-haltung“ beim erarbeiten neuer dinge. dagegen spricht nichts, wenn man sich nur die ganzen neuinterpretationen alter musikstücke anschaut, wenn man sich die weiterverwertung von geschriebenem in blogs betrachtet und wenn man sich die filmcollagen mancher satiresendungen betrachtet. hier wird das plagiat zum zitat, zu einem kreativen zitat. aber es wird meist darauf hingewiesen wer urheber der ideen war.

aber, und da liegt der knackpunkt für einen juristen, alle akademikerInnen kennen die eidesformeln oder versicherungen, dass sie ihre abschlussarbeiten selbstständig verfasst haben. es gibt aber auch menschen, die den ghostwriter für abschlussarbeiten geben, gegen geld versteht sich. und doch, es gibt regeln des zitierens, copyright und diverse andere grundlagen des urheberrechts. im gegensatz zu naiven kopiererInnen weiß ein jurist, was er in dem moment, in dem er dagegen verstösst, macht.

oder der jurist muss sich den vorwurf gefallen lassen, er sei unglaublich naiv. doch wer glaubt bei dieser doktorarbeit an naivität? niemand. aber ein teil glaubt, die situation dadurch retten zu können, dass er tief in die kiste der verschwörungstheorie greift. ja, es ist sicherlich auch wahr, dass das fehlverhalten politisch genutzt wird. aber, jemand, der sich selber gern als wahrhaftig, moralisch integer und korrekter mensch darstellt, sollte zumindest erkennen, wann es an der zeit ist, fehler einzugestehen. oh nein, es benötigt keine entschuldigung, es benötigt klarheit.

doch die mediale maschinerie wird genutzt, um es wie ein kavaliersdelikt erscheinen zu lassen, was inzwischen in vielfältiger weise widerlegt wurde. es deutet darauf hin, zumindest laut „spiegel„, dass dies noch nicht alles war. dies hin oder her, von menschen, die ihre abschlüsse verloren haben, da sie copy-and-paste verwendeten, und von menschen, die einfach geforscht, zusammengefasst und veröffentlicht haben, kann die aktuelle situation nicht mehr verstanden werden.

da wirkt der politische angriff gegen die opposition wie ein machtspielchen abseits aller begebenheiten. und es sagt etwas über die haltung, die in manchen kreisen dieser gesellschaft eingenommen wird. im schwäbischen sagt man „es gibd soddige ond soddige. und ieh bin oiner von de soddige.“