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mein computer und ich – eine umgangslehre (21)

denken

viel aufhebens wird zur zeit darum gemacht, wie der computer und vor allen dingen das internet unser denken verändern. es wird gemessen, getestet und experimentiert, um zu dem schluss zu kommen, dass unser denken sich verändert. teilweise soll die aufmerksamkeitszeitspanne reduziert werden, es soll sich die visuelle wahrnehmung verändern und vieles mehr. dies könnte man so stehen lassen, wenn da nicht eine gesellschaftliche und kulturelle bewertung mit den ergebnissen verknüpft würde. und plötzlich gibt es gut oder schlecht.

es ist schlechter, tag und nacht vor dem computer zu sitzen, als tag und nacht vor dem fernseher zu sitzen oder tag und nacht bücher zu lesen. warum? man könnte auch anders herum argumentieren. im gegensatz zu fernseher und buch ist der computer die viel aktivere variante. bei büchern und glotze wird nur passiv konsumiert, beim computer wird aktiver einsatz verlangt. gut, man kann darüber streiten wie wertvoll ego-shooter-programme sind, aber dass soziale netzwerke eventuell mehr kompetenzen von den usern einfordern als gerichtsshows oder soaps im tv dürfte außer frage stehen.

es ist davon auszugehen, dass jede technische oder kulturelle neuerung unser denken verändert. die entdeckung des feuermachens gab unserer entwicklung einen schub, ebenso die fähigkeit, werkzeuge herzustellen. säge, axt und bäume befähigen uns, den winter anders verbringen zu können, als in der zeit davor. wir müssen uns nicht mehr ständig damit beschäftigen, welches die beste höhle zum überwintern ist, wir können unsere gedanken für anderes verwenden. und die aufmerksamkeit für die abläufe der natur reduzierte sich enorm mit der einführung des wetterberichts 😉

die lebensqualitäten und natürlich auch das denken, veränderten sich zu zeiten der industriellen revolution. und auch damals schon wurden die diskurse über die veränderung auf eine emotional-persönliche ebene verschoben. es wurde nicht darüber diskutiert, wie sich die neuen werkzeuge für alle sinnvoll und human einsetzen lassen, sondern es wurde darüber diskutiert, wer unter welchen gesichtspunkten für welche werkzeuge geeignet ist. die psychotechnik kam auf.

und seien wir mal ehrlich – es ging nie darum, was kann die technik dem menschen gutes tun, sondern es ging darum, wie lassen sich effizienz, leistung und produktion steigern. menschen wurden immer dann bedrohlich für die gesellschaft, wenn sie versuchten sich ihr zu entziehen. der computer bietet manchen menschen eine möglichkeit sich der gesellschaft und ihren anforderungen zu entziehen. in diesem moment wird die wissenschaft herangezogen, um den diskurs über die veränderung des denkens in ein bedrohliches szenario kippen zu lassen. Weiterlesen

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nabelschau (65)

neuropsychologie oder die bedrohung geht von den wahrsagern der naturwissenschaften aus. das schlimme internet, die bedrohung des menschlichen geistes. so oder ähnlich lassen sich etliche äußerungen von neurowissenschaftlerInnen, psychologInnen und gesellschaftsbetrachterInnen zusammenfassen. und sie berufen sich alle inzwischen auf erkenntnisse über die veränderungen der hirnstruktur beim nutzen des netzes. die neuropsychologie bringt es dann so schön auf den punkt, wenn sie den zusammenhang zwischen ergebnissen der gehirnwissenschaften und dem menschlichen verhalten herstellt.

um überhaupt zu erkenntnissen zu kommen, werden probanden diversen reizen ausgesetzt oder ihnen werden (denk)aufgaben gegeben und gleichzeitig werden hirnströme gemessen, wird die aktivierung von hirnregionen im mrt (magnetresonanztomographen) abgebildet. zwischen den messergebnissen, den aufgaben und reizen wird ein statistischer zusammenhang hergestellt, der eigentlich keine schlussfolgerungen zulässt. aber sie werden vorgenommen. eigentlich könnte man nur sagen: wenn ich das und das lese, dann wird mit einer wahrscheinlichkeit von xy % die und die hirnregion aktiver.

aha! und jetzt? jetzt wird das gemacht, was die zahlen einfach nicht hergeben: jetzt wird aus den vermuteten funktionen der hirnregionen und deren aktivierung auf das zurückgeschlossen, was der mensch wohl denkt und wie er denkt. das ganze verfahren ist sehr aufwendig und teuer, endet aber meist in kaffeesatzleserei. da wäre es interessanter, die menschen zu fragen, was sie denken, während sie den reizen ausgesetzt sind, während sie die (denk)aufgaben lösen. sie können sicher sein, bei hundert probanden werden sie hundert verschiedene antworten bekommen (auch wenn sich die inhalte der antworten annähern, so werden sie doch mit unterschiedlichen worten und im hintergrund in individuellen emotionalen zuständen geäußert).

woran das liegt? daran, dass wir subjekte sind. der eine proband sitzt zum beispiel gerade an einer hausarbeit und stellt sich für den versuch zur verfügung. er ist gestresst und erlebt das experiment in diesem zustand. die andere probandin hat sich gerade von ihrem partner getrennt und ist traurig. der nächste proband hatte die nacht vorher tollen sex usw. auch dies steckt alles in den hirnen der versuchspersonen, wird aber im versuchsdesign ausgeschlossen. denn man möchte „unverfälschte“ ergebnisse.

und so kommt man zu dem schluss, dass das surfen im internet unsere hirnregionen, unser denken verändert. aha! wahrscheinlich so, wie das tägliche stundenlange stumpfsinnige autofahren von berufspendlern dies auch tut. unser gehirn ist sehr anpassungsfähig, es kann sich den zielen des denkenden menschen anpassen. wenn ich mich also auf einen bild- oder textausschnitt konzentrieren möchte, dann kann ich das tun und alle anderen wahrnehmungen bis zu einem gewissen grad ausschließen. nur autisten haben teilweise die schwierigkeit, andere sinnesreize zu filtern.

die neuro-expertInnen gehen in ihren aussagen einen schritt weiter: sie stellen fest, dass der mensch, der regelmäßig surft, dinge schneller erfasst, aber oberflächlicher denkt. aha! die technik führt also zu einer kürzeren aufmerksamkeit? liegt wahrscheinlich an der menge der informationen, an den kurzen texten, an den vielen bildern, an der gehäuften zahl von sinneseindrücken? da kann man dann ja den umkehrschluss ziehen, dass menschen, die regelmäßig die bild-zeitung lesen (viele bilder, wenig text, durch große kontrastreiche lettern starke sinnesreize) oberflächlicher denken und ihre hirnstruktur sich verändert – oder?

und was sagt das über den menschen aus? nichts. doch eben diese unterschwellige bewertung Weiterlesen

liste (101) – bewusst

wer lust hat, kann sich diese seite ausdrucken und ausfüllen. ich schlage listen vor, die einem vielleicht einen überblick zu verschiedenen themen der eigenen lebensgeschichte geben können. dieses mal geht es um „bewusstes“.

situationen, in denen ich unbedingt bei vollem bewusstsein sein will:

handlungen, die ich öfter unbewusst vollzogen habe:

das zählt für mich vor allen dingen zum selbst-bewusstsein:

das möchte ich mir in meinem leben noch bewusster machen:

meine wichtigsten bewussten erkenntnisse der letzten jahre:

schreibidee (328)

da ich gerade auf dem spieletripp bin, also die vielfalt des spielens in der freizeit, im beruf und natürlich beim schreiben wieder und wieder entdecke, soll es hier zum tragen kommen. gleichzeitig macht neben dem spielen das denken viel spaß, also beides miteinander kombinieren. und schon entsteht eine schreibanregung zu „gedankenspielen“, denn das schöne am kreativen schreiben ist: es gibt keine einschränkungen.

als einstieg formulieren die schreibgruppenteilnehmerInnen zehn sätze, die mit den worten „was wäre wenn …?“ beginnen. dabei sollen die schreibenden sätze zu denkspielen formulieren, die sie interessieren. welche eventualitäten würden sie gern gedanklich durchspielen? was wäre zum beispiel, wenn es keine kühe gäbe? was wäre, wenn man eine million gewinnt? (der klassiker der gedankenspiele) und was wäre wenn wir keine arbeit mehr hätten? die sätze werden in der gruppe nicht vorgelesen.

im anschluss wählen die teilnehmerInnen einen ihrer sätze aus und schreiben dazu. dabei sollten sie darauf achten, wann der innere zensor ihre gedanken einschränkt. „darf man so weit denken? ist das realistisch? wie klingt das für die anderen?“, das sind die klassischen sätze, die verhindern, ein gedankenspiel wirklich zu vollführen. neben dem aufschreiben des was-wäre-wenn-textes sollten sich die schreibenden notieren, wie ihnen der innere zensor in die quere kommt. ist der text abgeschlossen wird noch eine kurze selbstreflexion zu den angriffen des zensors formuliert. anschließend werden bei texte in der gruppe vorgetragen, es gibt keine feedbackrunde.

nun suchen alle teilnehmerInnen aus ihrem pool an sätzen abermals einen aus und notieren ihn auf einem zettel. die zettel werden eingesammelt und es wird ausgelost, wer welche fragestellung bekommt. dazu wird auch ein gedankenspiel-text verfasst. der text wird in der gruppe vorgetragen und es findet eine feedbackrunde statt. zum abschluss formulieren dann alle teilnehmerInnen noch einmal zehn sätze, die mit den worten „was wäre wenn …?“ beginnen. diese zehn neuen formulierungen werden in der gruppe vorgetragen, damit alle mit einem bunten strauss an gedankenspiel-anregungen nach hause gehen.

digitaler diskurs (2) – ein lesetipp

es gibt einen zweiten sehr interessanten artikel zu den folgen des internets in „lettre international“ – frühjahr 2011, Nr.92. manuel arias maldonado schreibt über den „planet wikipedia – eine digitale enzyklopädie oder ein spiel um vernetztes wissen„.

der titel des textes verrät eigentlich schon alles. die auseinandersetzung ist auch keine neue: ist wikipedia wirklich ein gutes lexikon, eine gute enzyklopädie? kann das funktionieren, bürgerInnen bei der erstellung einer wissenssammlung zu vertrauen und die sammlung ihnen zu überlassen? spannend scheint, dass etliche untersuchungen gezeigt haben, dass das digitale lexikon in vielen bereichen den vergleich mit anderen lexika nicht scheuen muss.

und doch tickt der „planet wikipedia“ ein wenig anders. es werden stärker aktuelle und populäre themen aufgegriffen. schadet das einem lexikon oder verändert sich nicht auch unsere form der wissensbeschaffung? man kann noch einen schritt weitergehen und fragen, ob durch die vernetzung von wissen unser denken beeinflusst wird, wir also anders denken? manuel arias maldonado trägt viel wissen um wikipedia in dem langen artikel zusammen.

dabei diskutiert er die frage, ob es sich inzwischen nicht um ein wissenspiel handelt, dessen ausgang immer offen bleibt. wikipedia ist ein prozess. dies kann ein großer vorteil sein, wenn man wissenschaften und forschung betrachtet, die inzwischen ihre erkenntnisse in vielen bereichen nicht mehr mit der gleichen absolutheit vertreten können, wie dies früher der fall war. auch die natur und der mensch basieren auf formen der vernetzung, verändern sich ständig, erreichen nie einen absoluten status quo. eventuell kommt wikipedia diesem prinzip viel näher als die bis dahin üblichen enzyklopädien.

doch die schnelligkeit und teilweise laienhafte bearbeitung von themen verlangen abstriche bei der tiefe des wissengehalts mancher einträge bei wikipedia. schadet dies den gesellschaften nun oder macht das nichts aus? die folgen von wikipedia sind noch nicht geklärt, aber da der prozess ja nicht endet, sind viele zukunftsszenarien vorstellbar. mit etwas misstrauen genossen, bietet wikipedia eine enorme vernetzung, die ganze wissensgebilde vermittelbar macht. hier ein kleiner vorgeschmack: http://www.lettre.de/aktuell/92-Arias-Maldonado.html

zum digitalen diskurs – ein lesetipp

wie weit beeinflussen die modernen medien, besser geschrieben, das eine medium „internet“, das viele medien in sich vereint, unser denken. der diskurs ist nicht neu, die entwicklung schreitet voran und es kann hilfreich sein, eine zwischenbilanz der erkenntnisse und veränderungen zu lesen.

sehr empfehlenswert in diesem zusammenhang erscheint mir der artikel „feindliche übernahme – die mediale wirklichkeit – zur digitalisierung der verwalteten welt“ von hans günter holl in „lettre international“ – frühjahr 2011, nr.92, s.55ff. (hier ein auszug aus dem artikel: http://www.lettre.de/aktuell/92-Holl.html )

ja, man kann der meinung sein, dass das durch den computer und das web 2.0 angebotene wissen eigentlich nur information ist und einem einzigen zweck dient, nämlich werbung zu sein. werbung für das angebotene vermittelte und gleichzeitig zusätzlich nochmals staffage für offensichtliche werbung. man kann auch der meinung sein, dass sich unser denken den vorgaben durch das medium computer anpasst. dieser diskurs ist nicht neu, aber es schadet nicht, ihn weiterhin aufzurollen.

denn es gibt heute vor allen dingen in den wissenschaften die tendenz, durch gleichrichtung und neurophysiologie unser wissen und unser lernen auf verschaltung und verwertbarkeit zu reduzieren. hier lohnt ein kritischer blick, was in diesen momenten verloren geht, wie wir distanz zum weltbezug gewinnen. dies aber nur, wenn wir diesen vorgaben und interessen folgen. interessen, die in erster linie keine menschlichen sondern kapitalistische, also ideologische und politische sind.

man kann diesem wahn von gleichschaltung der wissenschaften durch credit-points und technologie-verheissungen nur kritisch etwas entgegensetzen, wenn man die mechanismen, die dahinter stecken, versteht und eine kritische distanz dazu einnimmt. denn was den menschen auch heute noch auszeichnet, ist seine fähigkeit der reflexion kombiniert mit kreativität. und wie hier schon öfter beschrieben fließen in die kreativität immer wieder subjektive lebenserfahrungen mit ein. ganz individuelle emotionen, subjektive historizität und persönliches lernen.

die schlussfolgerungen der analyse im artikel scheinen meiner ansicht nach, den menschen zu unterschätzen. es herrscht das bild des sehr prägbaren menschen vor, der sich jedem gesellschaftlichen konstrukt ohne wenn und aber unterwirft. doch dazu gibt es zu viele kritische stimmen. aber die analyse im artikel regt definitiv zu einem spannenden diskurs an, sie ist lesenwert.

„payback“ von frank schirrmacher – eine buchkritik

schnell machte die botschaft vom neuen buch frank schirrmachers die runde. er nahm sich das internet, den computer, die digitale revolution vor und formulierte vor allen dingen eingangs seine verzweiflung ob der entwicklung der digitalen welt. dadurch fühlten sich viele angesprochen, die das gefühl haben, den trends der zeit nicht mehr folgen zu können, sich unter druck gesetzt zu fühlen und an der qual der (aus)wahl im riesigen angebot zu scheitern.

man könnte nun das buch „payback – warum wir im informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir nicht tun wollen, und wie wir die kontrolle über unser denken zurückgewinnen“ zu den kulturpessimistischen äußerungen über das internet und seine folgen zählen, doch frank schirrmacher betont in regelmäßigen abständen, dass er den computer gar nicht verteufelt, das internet nicht abschaffen möchte. dennoch listet er seite um seite die üblen machenschaften um das internet und die algorithmen mit dem ziel den menschen zu simulieren und zu lenken auf. doch bis zum schluss bleibt er trotzdem die begründung für seinen untertitel schuldig, dass uns das informationszeitalter zu handlungen zwinge.

meiner ansicht begründet sich dies in der hauptannahme des buches, die immer wiederholt wird aber dadurch nicht schlüssiger wird. informationen würden aufmerksamkeit rauben. und so viele zur verfügung stehenden informationen könnten nur dazu führen, dass wir nicht mehr herr der lage seien. hier ein paar bemerkungen dazu.

  • wenn wir davon ausgehen, dass informationen uns zwingen aufmerksamkeit zur verfügung zu stellen, dann ist herr schirrmacher als herausgeber einer großen überregionalen zeitung mit schuld an der entwicklung, zu viele informationen zu bekommen. denn wer kann an einem tag die faz in einem rutsch lesen, also alle informationen aufnehmen. wir selektieren, auch unsere tageszeitungen, die meist für einen menschen viel zu viele informationen enthalten. warum sollte uns dies beim internet nicht gelingen?
  • weil wir einem hype aufsitzen, der uns suggeriert, wir müssten alles mitmachen, um dazu zu gehören. diesem hype sitzt herr schirrmacher anscheinend auch auf. hat er schon einmal versucht ein paar seiner technischen geräte zwischendurch abzuschalten, sms und twitter nicht zu verwenden und vielleicht nicht alles zu glauben, was trend ist. denn sonst hätte er schon vor der digitalen revolution mindestens zehn tageszeitungen lesen müssen, um wirklich informiert zu sein. der journalismus lebt davon, dass von anderen vorselektiert wird, dass nur ein teil wahrgenommen wird. und der zeitungsartikel, auch in der faz, lebt vom mut zur lücke. diesen mut verliert herr schirrmacher beim anblick digitaler geräte und erklärt den zwang durch diese für unausweichlich.
  • bei der begründung dieser unausweichlichkeit beweist er allerdings übermäßigen mut zur lücke. er hat einen narren am sozialpsychologischen experiment gefressen und zitiert eine untersuchung nach der anderen. zum einen wird diese meist quantitative vorgehensweise der sozialpsychologischen experimente in der fachwelt seit jahrzehnten diskutiert, in hinblick auf die frage, wieweit die experimente die realität abbilden und erfassen können. eine der treffendsten kritiken besteht darin, dass sie das subjekt mensch zum objekt degradieren und nur durch die verfeinerung der variablen trotz allem nicht die handlungsgründe des einzelnen erfassen können. zum anderen kritisiert frank schirrmacher die statistikgläubigkeit der suchmaschinen und ihre mathematischen herleitungen, zitiert aber vor allen dingen sozialpsychologische erkenntnisse, die vor allen dingen auf statischen auswertungen beruhen. ein widerspruch, den das buch nicht klärt.
  • und, größter fehler des buches, er verallgemeinert gnadenlos. im gleichen maße überschätzt er die wirkung von werbepsychologischen strategien, die auch bis heute nicht bewiesen sind. die krux bei dieser weltsicht besteht darin, dass die gesellschaftlichen bedingungen nur am rand, runtergebrochen auf das individuum betrachtet werden. es wird nicht danach gefragt, woher denn der erfolg des internets rührt, weshalb die menschen meinen, es verwenden zu müssen, wer ein interesse daran hat, dass wir schneller kommunizieren, viele informationen ansammeln und welche sanktionen uns erwarten, wenn wir uns manchen entwicklungen verweigern.
  • aus dem blickwinkel schirrmachers scheint seine analyse logisch, doch die grundlagen seiner analyse bleiben nach vollständiger lektüre fragwürdig. zumindest streut er ab und zu zweifel an der eigenen überzeugung ein. wieweit kann ein algorithmus menschliches handeln vorhersagen? der mensch folgt eben keiner mathematischen logik und brachte deshalb alle protagonisten des sozialpsychologischen experiments ins schwitzen. die kontrolle haben die wissenschaften verloren, nicht unbedingt die nutzer des web.
  • verständlich ist die ohnmacht, die der einzelne empfinden muss, wenn er dem gedanken folgt, dass es sich bei den auswirkungen des informationszeitalters um evolutionäre entwicklungen handelt. denn die sind dann unumkehrbar und verändern uns menschen zu kleinen robotern. aber das wurde schon in so vielen zusammenhängen vorhergesagt und hat nie funktioniert. (denn sonst gäbe es keine menschen mehr, die an pseudokrupp erkranken oder bei denen feinstaub zu krebs führt). noch einmal, der reflektierende mensch unterliegt nicht mehr der evolution, er hat sich ihr entzogen. also geht es darum, einfluss auf die verfügung über das internet zu nehmen, auch auf die ausformungen des internet, aber nicht darum, sich einer imaginären manipulation zu erwehren.
  • noch ein punkt, der am buch stört. viele technische geräte und ebenso die „informationen“ werden beschrieben wie handelnde wesen, die absichten verfolgen. denen etwas eingepflanzt scheint, das sie willentlich weitergeben. die geräte sind aber werkzeuge und ihre handhabung ist höchstens tradiert, also gesellschaftlich vermittelt. ich kann einen hammer auch immer noch benutzen, um eine glühbirne auszuschalten, doch ich habe im vorfeld gelernt, dass das ganz schön teuer wird und ich mich dabei verletzen könnte. ähnlich verhält es sich mit dem computer: ich kann ihn zu einem wesen stilisieren, das mir sagt, per botschaften, wie ich informationen zu verarbeiten habe und ich folge ihm willig. ich habe aber gesellschaftlich vermittelt gelernt, dass es sich um eine maschine handelt, die von menschen modifiziert wurde. also beschwere ich mich eher beim programmierer über die miese software, wenn das werkzeug nicht richtig funktioniert. oder beim hammerhersteller, wenn mir der metallklotz beim hämmern immer vom holzgriff saust und glühbirnen zerschlägt.

interessanter wäre ein buch gewesen, das einmal dezidiert die subjektiven erfahrungen mit den modernen technologien und der digitalen revolution beleuchtet, das aufzeigt wie sehr man sich von gesellschaftlichen erwartungen drängen lässt und das einen gegenversuch, nämlich digital zu prokrastinieren, schildert. doch so bleibt „payback“ von frank schirrmacher doch nur kulturpessimistisch, auch wenn es so nicht sein soll.
das buch ist im karl blessing verlag in münchen 2009 erschienen. ISBN 978-3-89667-336-7

verändert die digitale revolution unser denken?

ja!

nur, was ist so schlimm daran? in letzter zeit kommen diskussionen auf, die aufgeteilt werden können in kulturpessimistische haltungen und technikglorifizierende. dazwischen gibt es wenige äußerungen. die digitale revolution beeinflusst uns. und wie schon im ersten beitrag zu diesem thema aufgezeigt, unterscheiden sich die veränderungen nicht sehr von den veränderungen nach der erfindung des buchdrucks. um noch einmal kurz bezug darauf zu nehmen: auch die verbreitung der bücher und die folge, dass immer mehr menschen lesen konnten, hat sicherlich das denken der menschen verändert.

unser gehirn hat viele kapazitäten und einen großen spielraum. wie wäre es sonst bei einem schlaganfall möglich, dass andere regionen des gehirns aufgaben der geschädigten bereiche übernehme können? das gehirn schein variabler und flexibler als der „mensch“ oder zumindest seine theoretischen gedankengebäude. also ist es für das menschliche gehirn auch möglich, sich den technischen neuerungen, oder besser geschrieben den möglichkeiten, die die technischen neuerungen eröffnen, anzupassen und diese sich nutzbar zu machen.

in diesen momenten werden mit sicherheit neue bereiche des gehirns verschaltet. das fängt schon mit den bewegungen an. das lernen des 10-finger-schreibsystems ist nichts anderes, als sein gehirn auf neue abläufe zu trainieren, die einmal gelernt, schwer wieder verlernt werden können. diskutiert werden die veränderungen durch die digitale revolution meist nur als defizite. so lesen wir nicht mehr in büchern, und das lesen in büchern wird gleichzeitig als die intellektuell hochwertige beschäftigung beschrieben. so können wir nur noch schwer kopfrechnen, da dies vom taschenrechner abgenommen wird. in manchen äußerungen erscheint der mensch durch die digitale revolution hohl und leer zu werden.

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„warum denken traurig macht.“ von george steiner – ein buchtipp

manchmal läuft man am regal der philosophischen und soziologischen bücher vorbei und ein titel macht einen neugierig. dann schaut man sich den klappentext an und stellt fest, es klingt wirklich interessant. irgendwann nimmt man sich die zeit, das buch zu lesen und bemerkt sofort, das ist wahnsinnig spannend und berührt beinahe alle lebensaspekte, die man sich vorstellen kann.

dabei kommt das buch so klein und unscheinbar daher. der autor george steiner bezeichnet seine niedergeschriebenen gedanken auch gleich als „provisorischen versuch“. ein provisorium, das beständig zum denken anregt und somit laut autor traurig macht. der grundgedanke des buchs „warum denken traurig macht. zehn (mögliche) gründe“ ist, dass der mensch sich über sein denken nicht hinausdenken kann und deshalb keine gewissheit haben wird, ob das, was er denkt, nicht schon längst gedacht wurde oder überhaupt das abbildet, was existent ist. einzig eine sache ist sicher, dass beständig gedacht wird und dass man mit dem denken nicht aufhören kann. steiner vergleicht das mit dem atmen. er behauptet, dass man länger die luft anhalten kann als nicht zu denken.

auf ca. 110 seiten werden themen angesprochen wie glaube, gott, realität, phänomenologie, liebe, wissenschaft, kreativität, sprache, kommunikation, subjektivität und noch vieles mehr. man kann das buch nur als dicht bezeichnen. wer sich also in seinem denken verstören und verunsichern lassen will, wer den gedanken erträgt, dass das einzig sichere der tod ist, dem sei dieses buch empfohlen. es kann erfrischend sein, sich verstören zu lassen. mir hat das buch viel spaß gemacht und manche hinweise geliefert. es ist 2008 bei suhrkamp taschenbuch erschienen in frankfurt am main. ISBN 978-3-518-45981-2