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wortklauberei (109)

„fiskalpakt“

die staatfinanzen betreffend wird ein pakt (also vertrag) geschlossen. so könnte man den „fiskalpakt“ beschreiben. da klingt erst einmal schlicht und verständlich, wie zum beispiel „etatverhandlungen“, „steuergesetze“ oder „finanzministerium“. doch inzwischen wuchs sich der fiskalpakt eigentlich zu einer „überschuldungsverordnung und insolvenzpräventionsvertrag auf europolitischer ebene“ aus. irgendwo in den ministerien müssen in den letzten jahren menschen beschäftigt werden, die keine andere aufgabe haben, als worte zu schöpfen, die möglichst wenig von der eigentlichen sachlage preisgeben.

denn der fiskalpakt hat keine andere aufgabe, als die länder der eu daran zu hindern, so viele schulden aufzunehmen, dass ihnen irgendwann die eigenen finanzen um die ohren fliegen. nun gibt es aber schon vor dem schließen des paktes ein paar probleme: die staatfinanzen betreffend überfliegen viele länder der eu die angestrebten schallmauern. die neuverschuldung ist auch weiterhin enorm. man möchte aber gleichzeitig nicht alle sofort abstrafen, denn dann würden sie dem pakt gar nicht zustimmen. also baut man schon im vorfeld eine abweichung vom pakt (und macht einen nicht-pakt daraus).

viel schwerwiegender ist etwas ganz anderes: der pakt wird am reissbrett entworfen und verlagert die nationalen entscheidungsstrukturen auf eine internationale, europäische ebene. das heisst, schlagartig werden unsere demokratischen strukturen übergangen und einige wenige beschließen diesen pakt. das realisierte irgendwann auch unsere regierung (mit ein wenig unterstützung durch das bundesverfassungsgericht). doch eigentlich ist das immer noch nicht alles: teile der nationalen finanzpolitik werden mit dem fiskalpakt ausgelagert und auf die europäische ebene übertragen. die entscheidungen über unsere staatfinanzen entziehen sich somit dem einfluss von uns wählern. wir wähler haben keinen demokratisch direkten zugriff mehr auf die entscheidungen über unsere steuergelder.

darum schlägt der finanzminister plötzlich eine volksabstimmung vor. denn bis jetzt hat auch nicht das europäische parlament (das wir ja mitwählen) über den fiskalpakt entschieden, sondern nur einige wenige menschen (regierungschefInnen, ministerInnen und mitarbeiterInnen). der fiskalpakt hebelt also unsere demokratie aus. dafür ist das wort „fiskalpakt“ ein possierlicher begriff, der ein weiteres mal die dimensionen verschleiert. faszinierend, wie sprache weitreichende entscheidungen klein und übersichtlich macht. ich muss da immer an „kernenergie“ denken. (übrigens haben wir in bürokratischen zusammenhängen keine probleme damit, längere und differenziertere begriffe zu verwenden.)

ein possierlicher vogel hat den schönen namen: fiskalwürger – siehe: http://www.tierdoku.com/index.php?title=Fiskalwürger

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web 2.89 – bbc-dimensions

vieles können wir uns nicht vorstellen. wir sehen es zwar im fernsehen und lesen es in der zeitung, aber die dimensionen der ausmaße von ereignissen sind schwer zu fassen. oder haben sie eine ahnung, was es bedeutet, wenn die fläche der jährlich zerstörten regenwälder in hektar angegeben wird? wenn ihnen jedoch jemand sagt, dass es sich dabei um eine fläche von xy fussballfeldern handelt, dann können sie ein wenig die dimension der zerstörung erfassen.

das sz-magazin hat gestern eine spannende homepage der bbc vorgestellt. es gibt bbc-dimensions, ein projekt, das zwei seiten enthält „howbigreally“ und „howmanyreally“. beide seiten zeigen an handfesten beispielen auf, wie zahlen zu verstehen sind. wie viel fläche würde zum beispiel der mond verdecken, wenn er auf die erde fällt? es ist erstaunlich wenig. ich dachte, das ding muss größer sein. oder wenn sie in einem bus sitzen – wie viele menschen in dem bus wären anteilig an pest erkrankt, wenn man die zahlen der damaligen erkrankten in london nimmt. eigentlich jeder zweite mensch. die pest raffte damals halb london dahin.

die webseiten bringen uns auf den boden der tatsachen zurück. wenn zum beipiel tschernobyl in texas gewesen wäre, über welche fläche der usa wäre die strahlenwolke hinweggezogen? über beinahe die gesamte usa. auch wenn die daten oft mit britischen regionen oder städten verglichen werden, der blickwinkel ist ein grandioser und verständlicher. bei „howmanyreally“ kann man sogar eigene maßstäbe angeben, um diese ins verhältnis zu setzen. machen sie sich einfach mal ein bild von vielem unbegreiflichen – hier: http://www.howbigreally.com und http://www.howmanyreally.com . und dann verstehen wir eventuell wirklich, was es bedeutet, wenn alle paar sekunden ein mensch auf der welt verhungert.