Schlagwort-Archive: erkenntnis

wissenschaftliches schreiben und coolness

wissenschaftliches schreiben ist eigentlich pure coolness. keine andere schreibform zeigt weniger emotionen im text, vielleicht noch gebrauchsanweisungen, doch selbst juristen schreiben lebhafter. aus dem wissenschaftlichen schreiben wurden emotionen verband, um eine wie auch immer geartete objektivität zu bewahren. es ist der glaube, dass eine gefühllose und subjektlose sprache die reinheit der wissenschaften bewahrt.

betrachtet man jedoch die forschungsfelder und studien, ergebnisse oder erkenntnisse genau, ist eigentlich das gegenteil der fall. in alle untersuchungen fließen auch die auffassungen der forschenden mit ein. das beginnt bei einem menschenbild, das grundlage ist für die vorstellungen, was neue erkenntnisse für uns seien. es geht weiter über das forschungssetting und die frage, welche aussagen sich aufgrund von statistischen erhebungen treffen lassen und geht bis zur frage, wie viel persönliche meinung in einen wissenschaftlichen text einfließen darf.

gerade die naturwissenschaften vermitteln, dass es möglich wäre in einem menschenungebundenen neutralen raum forschen zu können. was für ein trugschluss. und so werden alle forschenden zu einer angemessenen coolness angehalten, die ihnen gerade einmal im schlusskapitel die möglichkeit eröffnet, persönlich position zu beziehen. man kann dies auch anders und nicht weniger wissenschaftlich handhaben. wissenschaft hat einen gemeinsamen kleinsten nenner: meinungen und thesen müssen belegt oder widerlegt also begründet werden. das hat zur folge, dass die behauptung auch von anderen durch experimente, befragungen oder studien belegt und widerlegt werden kann, die begründung also wiederholt werden kann.

doch momentan haben wir eine gegenteilige entwicklung: da keine zusammenhänge mehr erfasst werden, keine emotionen mehr im spiel sind, sondern beinahe alles nur noch auf mathematikbasierte statistiken runtergebrochen wird, fehlt in vielen zusammenhängen die eigentlich begründung. coolness ist exakt der richtige ausdruck dafür. denn coole kommunikation lässt möglichst alles menschliche außen vor und führt zu handlungen, die keiner menschlichen logik mehr folgen. doch durch dauercoolness verlieren wird den kontakt Weiterlesen

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schreibidee (337)

genug selbstreflexion in den letzten schreibideen. nun ist es an der zeit, anderen einmal den weg zu weisen, denn die selbsterkenntnis möchte auch weitergegeben werden. da gibt es die schlichte und zurückhaltende variante: irgendwo etwas veröffentlichen, seine sicht der dinge darstellen. dann gibt es die kritisierende variante: einen kommentar abgeben. und dann gibt es die belehrende, direkte und eindringliche variante: eine predigt halten. darum ist dies eine schreibanregung für „predigt-texte“.

vorab sei gleich angemerkt, es soll nicht um formen der predigten aus den gotteshäusern diverser glaubengemeinschaften gehen. es geht um eine satte vermittlung von lebensvorstellungen. darum ist der einstieg ein schneller und einfacher. die schreibgruppenteilnehmerInnen werden aufgefordert, eine „gardinenpredigt“ (strafrede, die der gatte von der gattin hinter der gardine, d. h. im bette gehalten bekommt – wörterbuch der brüder grimm) zu schreiben. es mögen predigten geschrieben werden, die schon längst überfällig sind. diese texte werden nicht in der schreibgruppe vorgetragen und sollten nicht länger als zwei seiten sein.

nun wird eine zwischenform zwischen der gardinenpredigt und einer predigt verfasst. dabei geht es darum, missstände anzukreiden, die schon lange existieren, aber sich nicht ändern. im vorfeld notieren die teilnehmerInnen für sich jeweils drei missstände, die sie ärgern und die sich seit jahren nicht ändern. die ideen werden anschließend am flipchart gesammelt. nun wählen sich die schreibenden ein thema aus und schreiben eine predigt von maximal drei seiten. diese werden vor der schreibgruppe stehend in einem möglichst mahnenden und predigenden tonfall gehalten. es wird keine feedbackrunde durchgeführt.

anschließend ist es an der zeit, das große werk anzugehen. welches ist ein großer gedanke, über den man schon häufiger vor anderen sprechen wollte? wozu, glaubt man, anderen etwas vermitteln zu können? die teilnehmerInnen wählen ein thema für sich und notieren sich erst einmal die grundaussage ihrer predigt. dann sollten sie sich überlegen, auf welche erkenntnisse anderer sie sich bei ihrer aussage stützen können. vielleicht haben sie ein zitat parat oder können aus vorhandenen büchern oder dem internet eines auswählen. entweder wird nun das zitat oder eine eigene these der predigt vorangestellt.

die eigentliche predigt sollte an ein thema heranführen, eine these oder fragestellung formulieren und dann lösungsvorschläge für zukünftige situationen oder handlungen anbieten. es dürfen auch persönliche erlebnisse, gedanken oder erkenntnisse eingeflochten werden. wichtig ist dabei nur der eindringliche tonfall, der die anderen von der eigenen haltung überzeugen sollte. natürlich können die logischen schlussfolgerungen im text ein übriges leisten. die predigt wird wieder vor der schreibgruppe gehalten. zum abschluss findet eine feedbackrunde statt, in der die anderen teilnehmerInnen rückmelden, wie sehr sie sich angesprochen fühlten. danach gehen alle hoffentlich beseelt und geläutert nach hause 😉

wissenschaftliches schreiben und lust

das ist eine kombination, die vielen unvorstellbar erscheint. heutzutage sind die funktionen des studiums ganz andere als früher. das studium dient nur zum teil der forschung und wissenschaft, es ist vor allen dingen berufsvorbereitung, also eine akademische berufsausbildung. auch wenn sich hochschulvertreterInnen immer noch dagegen wehren, so ist vor allen dingen auch durch die bachelor- und masterstudiengänge die schule in die hochschulen getragen worden.

der zeitliche spielraum für eigenständiges forschen wird immer stärker eingeschränkt. dabei ist das forschen, das finden des eigenen interesses und einer eigenen fachlichen position basierend auf wissenschaftlichen überlegungen, das spannende am studieren. hochschulen verlagern ihre tätigkeiten immer mehr in richtung wissensvermittlung, geben aber kaum anlass für lustvolles forschen, suchen und entdecken. genau dies würde aber das wissenschaftliche schreiben lustvoll werden lassen. haben sie schon einmal eigene gedanken und ideen schriftlich weitergesponnen? haben sie schon einmal einen position eingenommen, die sie mit diversen notierten thesen untermauerten?

das sind die momente, wo sich das schreiben mit dem denken verbindet und einem während des schreibens immer mehr ideen und belege und argumente in den sinn kommen. dazu gehört, keine scheu vor der eigenen meinung zu haben. gelernt zu haben, dass man auch daneben liegen darf mit eigenen gedankenkonstrukten und dass ein widerspruch zu eigenen position nicht ein angriff auf meine person bedeutet. beim wissenschaftlichen schreiben kann sich kreativität mit forschendem handeln verbinden. man denkt für sich dinge „neu“, auch wenn man später vielleicht feststellt, dass schon 10 andere forscher diesen gedanken hatten.

es hat etwas befriedigendes, schrankenlos dinge neu zu kombinieren, problemen auf den grund zu gehen und eventuell Weiterlesen

wissenschaftliches schreiben und schreiben

im gegensatz zum vorherigen post ist das wissenschaftliche schreiben ein ort der konventionen. kaum eine schreibform ist so klar reglementiert und standardisiert. es gibt einen beinahe weltweiten konsens für veröffentlichungen, formen des zitierens, abschlussarbeiten und dergleichen mehr. ziel des ganzen ist der (krampfhafte) versuch, wissenschaftliche erkenntnisse vergleichbar zu machen. leider leidet unter diesen konventionen meist die schreibsprache und ein großteil der wissenschaftlichen schreibe kommt unglaublich langweilig daher.

dass es auch anders geht, zeigen meist vorträge, vorlesungen oder „populärwissenschaftliche“ texte. hier darf wieder ausgeschmückt, animiert oder akzentuiert werden auf teufel komm raus. von sehr ernsten wissenschaftlern werden diese formen der äußerung abgewertet und gleichzeitig ihr gehalt in frage gestellt. wie wenn wissenschaft frei von jeder schreiblust sein müsse. so lange nicht fabuliert wird, also behauptungen aufgestellt werden, die nicht beweisbar und nachvollziehbar sind, dürfte eine entkrampfte sprache den wissenschaften eigentlich nicht schaden. (übrigens wird in den konventionellen forschungstexten teilweise versteckt unglaublich viel fabuliert, werden ganze forschungsergebnisse gefälscht.)

wer also nicht seinen status in den forschenden welten verlieren möchte, der halte sich an die konventionen. und wenn er mutig ist, dann veröffentlicht er noch nebenher ein knalliges populärwerk. doch auch dabei sei vorsicht geboten, denn zu viel aufmerksamkeit kann schnell bei anderen den oben beschriebenen reflex auslösen: zweifel an der ernsthaftigkeit des wissenschaftlichen vorgehens. es ist faszinierend, wie durch diese bewertungen eine form der Weiterlesen

wissenschaftliches schreiben und finden

wissenschaftlerInnen und akademikerInnen begeben sich per se auf die suche. auf die suche nach lösungen, neuen erkenntnissen und guten alternativen. und sie finden, ja entdecken eine menge. nun ist es an ihnen, das gefundene in die passenden worte zu fassen, damit auch andere ihre erkenntnisse nachvollziehen können. inzwischen gibt es in der wissenschaftlichen welt diverse kontrollinstanzen, um experimente und versuche zu wiederholen, damit nicht betrügerische ergebnisse weitergegeben werden.

die plagiatsaffäre um den ehemaligen verteidigungsminister hat gezeigt, dass das mit dem „finden“ beim wissenschaftlichen schreiben auch missverstanden werden kann. es geht also darum, einen eigenen stil, einen eigenen roten faden und vor allen dingen eine forschungsthese zu finden, bevor man sich an das wissenschaftliche arbeiten und dann auch schreiben macht.

teilweise ist es in den hochschulen und forschungsinstituten immer noch so, dass man die fragestellung der wissenschaftlichen arbeit überhaupt nicht selber finden muss, denn die betreuenden wissenschaftlerInnen legen das thema nahe, binden es in ihr eigenes forschungsprojekt ein. das kann man erst einmal bequem und angenehm empfinden, doch es führt nicht selten dazu, dass sich menschen mit forschungsfragen beschäftigen, die sie selber überhaupt nicht Weiterlesen

wortklauberei (67)

stumpfsinn

blicke in die welt, leere blicke, emotionslose blicke. wie ein radargerät auf dem schiff wird einmal rundum geblickt, aber es folgt nichts. die feinen antennen sind sind verschwunden. ob abgehackt oder abgefallen, keiner kann es sagen. nur noch ein stumpf ist übrig. er nimmt etwas wahr. aber man muss sich das wie einen blick durch milchiges panzerglas vorstellen. der stumpfsinn nimmt nur schwache, rauschende bilder wahr. und reagiert dementsprechend zurückhaltend.

doch wie wird etwas (zum) stumpf. wir haben das schöne wort „abstumpfen“. wenn ich in zwei stunden hundert mal das gleiche gruselige bild sehe, die gleichen ätzenden geräusche höre oder die gleiche unangenehme berührung spüre, dann ignoriere ich diese beeinträchtigung irgendwann. ich kann sie ausklammern, mein gehirn hilft mir dabei. ich stumpfe ab. und ich kann allen anfeindungen von außen gegenüber abstumpfen.

das bedeutet nicht, dass ich sie nicht wahrnehme. das bedeutet auch nicht, dass sie in meinen tiefen in mir wühlen, die schlimmen wahrnehmungen. aber ich ziehe mich in mein emotionales schneckenhaus zurück und blicke stumpfsinnig in die welt. ich reagiere nicht mehr. renne weder weg, noch lehne ich mich dagegen auf. und so blickt die welt auf eine argumentationskette einer nachrichtenlage und lässt sich von experten erklären, dass keine großen gefahren bestehen. eigentlich bestehen nie große gefahren.

es gibt nur „neue erkenntnisse“. tja, wieso sind die „neu“? wenn die kenntnisse vorher nicht wahrgenommen wurden, dann deutet dies auf einen stumpf hin. denn andere haben sie wahrgenommen. und nicht wenige haben sie wahrgenommen. haben sogar forderungen aus den kenntnissen abgeleitet. man möchte ja nichts unterstellen, also nicht vermuten, dass eingeschränkte wahrnehmung vorherrscht. aber wenn dann in zwei sätzen zehn mal das wort „sicherheit“ auftaucht, dann fängt man an, abzustumpfen. man nimmt es nicht mehr wahr, dass die neuen kenntnisse zu einem umdenken geführt haben könnten. denn schon immer befand sich das wort „sicherheit“ zigfach im diskursgebrauch. die welt führt uns gerade vor, dass es diese sicherheit nicht gibt.

500 fragen zur selbstbefragung aus diesem blog

im laufe der letzten monate formulierte ich hier fragen zur selbstbefragung unter verschiedenen stichworten. auf die idee kam ich durch die fragebögen von max frisch. die selbstbefragung ist meiner ansicht nach ein guter einstieg oder eine gute vertiefung des biografischen schreibens. möchte man sich nicht ausschließlich an einer zeitlinie entlanghangeln, um die eigene lebensgeschichte aufzuarbeiten, kann man einzelne anspekte durch fragestellungen und reflexionen vertiefen. man kann selbstbefragung aber auch abseits des biografischen schreibens verwenden, um sich in regelmäßigen abständen zu hinterfragen, resümee zu ziehen und vielleicht veränderungen im eigenen leben einzuleiten.

wie bei allen techniken und möglichkeiten, sich mit sich selbst zu beschäftigen, kann dies sowohl wunderschöne erkenntnisse zu tage fördern, einen aber auch in eine krise manövrieren. hier sei nur kurz angemerkt: sollte man feststellen, dass die selbstbefragung viel mehr als nur einzelne aspekte in frage stellt, dann hat man zwei möglichkeiten. zum einen kann man stoppen weiter in die tiefe zu gehen und sich dadurch selbst schützen, zum anderen kann man sich professionelle hilfe und unterstützung bei psychologInnen oder therapeutInnen suchen, um an der frage weiterzuarbeiten. man muss nicht durch alle schwierigkeiten allein gehen.

hier im blog wurden jeweils 10 fragen zu folgenden aspekten gestellt:
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selbsterkenntnis und selbstbefragung

manch einer hofft, dass ihm seine umwelt endlich die richtigen fragen stellt, damit er von sich erzählen kann. doch leider erscheint die umwelt nicht selten recht widerständig und interessiert sich für einige aspekte des lebens des anderen nicht. so sitzt er weiter da und hofft. dabei kann viel zeit vergehen, ungenutzte zeit.

schon früher gab es menschen, die wahrscheinlich gern selber gefragt worden wären und darum schlichte fragebögen entwickelten, die sie anderen zusendeten. am bekanntesten wurde der bogen von marcel proust, da in den 80ern das faz-magazin ihn bekannten persönlichkeiten vorlegte. nun gibt es aber auch die möglichkeit, sich selbst einen fragebogen vorzulegen, um mehr über sich selber zu erfahren. dabei machen multiple-choice-fragen wenig sinn, da sie die antworten sehr einschränken. außerdem käme solch eine selbstbefragung den psychotests in diversen frauenzeitschriften sehr nahe.

nein, eine selbstbefragung sollte raum für die antworten geben. denn erst wenn ich meine gedankengänge in ihrer vollen länge notieren kann, kann ein schritt weiter in richtung selbsterkenntnis gegangen werden. das internet hat die fragebögen zum kennenlernen anderer wieder hoffähig gemacht. da werden stöckchen um stöckchen versendet. natürlich kann man sich diese stöckchen auch sich selber vorlegen. doch meist sind die fragen schon so angelegt, dass nur eine kurze antwort möglich ist und weites ausholen nicht geplant ist. so bieten sich eher explizit fragebögen zur selbstbefragung an.

neben einem fragenkatalog braucht man die nötige zeit, um auch alles zu beantworten. man sollte sie sich nehmen. stück für stück kann man dann sich sich selber annähern. natürlich darf daneben der austausch mit anderen menschen nicht fehlen. doch einmal mit selbstbefragungen angefangen, fällt es einem selber immer leichter, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein. und erst wenn ich für mich geklärt habe, wie meine haltung gegenüber den essentiellen dingen des lebens ist, welche emotionen in mir schlummern oder offen zu tage treten, erst dann fällt es mir leichter, mich und meine positionen, anderen gegenüber zu vertreten.

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selbstbefragung (30) – verdrängung

die fragebögen zur selbstbefragung versuche ich unter rubriken zu bündeln. dieses mal geht es um „verdrängung„.

  • was können sie schwer verdrängen?
  • wann haben sie verdrängung in ihrem leben als sehr hilfreich empfunden?
  • glauben sie, dass sie noch etwas verdrängt haben, das ihnen nicht bewusst ist? in welche richtung könnte dies gehen?
  • ist verdrängung in ihren augen eher nützlich oder eher schädlich? begründen sie.
  • welchem menschen in ihrem umfeld würden sie gern mal die augen öffnen? und warum haben sie es bis jetzt nicht getan?
  • was verdrängen in ihren augen zur zeit die gesellschaften auf dieser welt am meisten oder stärksten?
  • wem in ihrer umgebung würden sie gern ihr leben beichten?
  • was gäbe es denn dann zu beichten?
  • würden sie jemals im fernsehen eine lebensbeichte ablegen wollen? warum?
  • wodurch lässt sich bei ihnen verdrängtes zum vorschein bringen? wollen sie dies überhaupt?

die woche der selbsterkenntnis

wie schon des öfteren bei der schreibpädagogik bemerkt, ist das selbsterkenntnis-potential des schreibens nicht zu unterschätzen. vor allen dingen im biografischen schreiben geht es um die aufarbeitung von vergangenem und die erinnerungen an geschehenes. aber auch ein kleiner, kurzer text kann einem manches über einen selber sagen. doch weshalb sollte ich mich eigentlich ständig selber betrachten? ist das nicht so eine mode, die mich dazu zwingt, ständig ein besserer mensch zu werden?

dies soll in der „woche der selbsterkenntnis“ genauer betrachtet werden. unterfüttert wird das ganze von weiteren „selbstbefragungen“ wie sie schon in diesem blog zu finden sind, die auch zum ergebnis haben können, ein wirklich fürchterlicher mensch zu sein, sich aber dabei sauwohl zu fühlen. hier wird nicht gewertet, hier wird nur angeregt. denn einen vorteil hat die selbsterkenntnis: erst durch sie kann ich selbst-bewusstsein entwickeln. und das ist meist hilfreich in einer welt, die bestrebt ist menschen zu immer mehr bemühungen anzustiften. erst als selbst-bewusster mensch fällt es mir leicht, „nein“ zu dingen zu sagen, die nicht meinen vorstellungen entsprechen.

denn wie stellt es schon ein kurz-kurz-dialog dar?
„wir wollen doch nur dein bestes!“
„das kriegt ihr aber nicht.“

dazu sollte man sein bestes kennen. die frage bleibt, wie man es findet? wahrscheinlich mit und ohne andere. nun denn, ich lade ein zu einem einwöchigen ego-trip. 🙄

schreibpädagogik und feedback (2)

eine der großen chancen der schreibpädagogik ist das soziale miteinander. denn in der schreibpädagogik wird die arbeit mit peers oder in schreibgruppen dem alleinigen handeln gegenüber der vorzug gegeben. es ist nicht jedermans sache beim schreiben in gruppen zu sitzen oder gemeinsam an einem text zu schreiben. auch hier gilt wieder, erzwungen werden sollte nichts. jeder mensch kann nur für sich selber entscheiden wie er am liebsten schreibt. aber der versuch, einmal mit anderen gemeinsam zu schreiben, ist es wert.

besonders relevant werden die anderen menschen beim feedback. manche haben lebensabschnittgefährtInnen an ihrer seite, die interesse an dem geschriebenen zeigen und sich auch durch ein angemessenes und ehrliches feedback auszeichnen. doch hier sei eine kleine warnung ausgesprochen, da wir alle auch ein wenig eitel sind, kann ein ehrliches feedback schnell zur belastung werden. dies ist kurz vor dem valentinstag kein scherz, sondern ernst gemeint. eine kritik am eigenen text lässt sich leichter wegstecken und verarbeiten, wenn sie von menschen kommt, die einem nicht ganz so nahe stehen. es ist schön, wenn es mit partnerInnen nicht zum konflikt kommt, ja, wenn der oder die andere sogar die funktion der muse übernehmen, aber man sollte für sich dabei gut abwägen. manchmal sind die geliebten menschen auch einfach zu nett zu einem 😀

ein feedback macht sinn, bevor man sich mit seinem geschriebenen an die öffentlichkeit begibt. ich als schreibender kann mir die form des feedbacks wünschen. worauf sollen die anderen ihren blick werfen, wozu möchte ich eine rückmeldung bekommen? dies sollte alles vor dem feedback geklärt werden. ebenso sollte festgelegt werden, dass das feedback nicht über die gewünschten aspekte hinausgeht. zu manchen dingen möchte man eventuell keine rückmeldung bekommen. vor allen dingen deutungen und charakterisierungen der autorInnen sind nicht hilfreich, da sie sich vom text abwenden und versuchen entweder den text zu erklären oder die autorInnen. wer mag schon von anderen erklärt werden? außerdem steckt in jedem text eine sehr persönliche komponente, die man vielleicht von anderen nicht kritisiert bekommen möchte. gerade beim biografischen schreiben spielt dies eine große rolle.

doch es gibt nicht nur gefahren beim feedback, es gibt vor allen dingen enorm viele vorteile für das eigene schreiben. Weiterlesen

schreibpädagogik und selbstreflexion (2)

im letzten post zur schreibpädagogik habe ich schon ein wenig aufgezeigt, dass kreatives oder biografisches schreiben, ach, schreiben an sich, immer einen anteil selbsterkenntnis beinhaltet. doch nicht nur die eingeflossenen gedanken über sich selber machen das schreiben attraktiv und die schreibpädagogik wertvoll, sonder auch die reflexionen über den schreibprozess können im laufe der zeit eine große hilfe sein.

darum lohnt es sich immer wieder, einmal einen blick zurück zu werfen, wie eigentlich der eigene text entstanden ist, wie man schreibt. hier kann man sich in regelmäßigen zeitabständen hinsetzen und einen kleinen katalog abarbeiten, der einem das eigene schreiben ein wenig aufschlüsselt:

einsteigen würde ich mit 10 minuten fokussiertem freewriting zum eigenen schreibprozess. was fällt einem spontan zur eigenen schreibe ein? quält man sich oder fließt die worte nur so auf´s papier? das geschriebene freewriting dann erst einmal beiseite legen.

im nächsten schritt wären ein paar fragen zu beantworten:

  • wann schreibe ich am liebsten?
  • welche werkzeuge verwende ich zum schreiben?
  • was hindert mich am schreiben?
  • worauf habe ich schreiblust?
  • woher kommen meine schreibideen?
  • was mache ich, um schreibblockaden zu überwinden oder zu verhindern?
  • wann schreibe ich für mich, wann für andere?
  • wie geht es zur zeit meinem inneren zensor?
  • welchen neuen text seit der letzten selbstreflexion finde ich am besten und warum?

sind die fragen beantwortet, nehme man sich seinen besten und seinen schlechtesten text der letzten zeit vor. zu beiden texten schreibt man eine halbseitige beurteilung.

jetzt wäre es gut, wenn man jemanden kennt, der sowohl die texte, als auch die beurteilungen liest. diese person sollte einem ein feedback (möglichst ungeschminkt), sowohl zu den texten als auch den beurteilungen geben. bei diesem feedback wären die stärken und schwächen der texte herauszuarbeiten.

anschließend setzt man sich noch einmal hin (diese mal kein freewriting) und notiert auf einer seite, wie sich der eigene schreibprozess in letzter zeit (also seit der letzten selbstreflexion) verändert hat. dabei können auch äußere umstände wie zeitknappheit, lärm von außen, tolles neues schreibprogramm, neues schreibprojekt und vieles mehr einbezogen werden.

dieser text wird noch einmal mit dem freewriting verglichen, und man kann sich stichwortartig notieren, was man sich in nächster zeit für den eigenen schreibprozess vornehmen möchte.

und ganz zum schluss nimmt man ein weißes blatt, das einzig dazu da ist, ideen für das schreiben in nächster zeit zu notieren. dies können ideen für geschichten, projekte, stichworte, charaktere oder auch arbeitsaufträge sein.

all diese überlegungen und ausarbeitungen legt man nun unter dem datum ab, an dem sie entstanden sind. wenn man in regelmäßigen abständen solch eine selbstreflexion durchführt, sammelt sich ein zeitlicher überblick über den eigenen schreibprozess an. dies kann sowohl für einen selber auch später noch sehr aufschlussreich sein, aber vielleicht auch für andere, die sich in ähnlichen situationen befinden. hat man zum beispiel das gefühl, man befindet sich gerade mitten in einer schreibblockade, kann man vielleicht nachschauen, wie man die letzte überwunden hat. oder man liest noch einmal worauf man schreiblust hatte, die idee aber wieder aus den augen verlor. eventuell ist sie später aktuell.

es macht keinen sinn, solche selbstreflexionen wöchentlich durchzuführen. da bekommt man schnell das gefühl, es ändert sich überhaupt nichts. aber vielschreibern kann es alle viertel jahre schon aufschlussreich erscheinen über das eigene schreiben nachzudenken. natürlich genügt auch eine jährliche betrachtung oder alle zehn jahre oder nie. selbstreflexionen sollten immer freiwillig sein und nicht nur stattfinden, wenn es hakt. sie bilden nur eine entwicklung, einen prozess ab, aber sie eröffnen dadurch auch platz und ideen für neues.