Schlagwort-Archive: ethik

nabelschau (69)

an männern darf man rumschnippeln. gesellschaften ändern sich, kulturen entwickeln sich und neue gedanken kommen auf. dazu gehört bei uns zum beispiel, dass wir stücke für stück einen neuen bezug zum körper hergestellt haben. (manchmal äußert sich dies in einer form des gesundheitsfanatismus, manchmal wird aber auch nur durch juristischen schutz). so sieht unser strafrecht nicht mehr vor, bestrafungen durch die entfernung von körperteilen oder körperliche züchtigungen umzusetzen. wer diese entwicklung nachvollziehen möchte, dem sei foucault ans herz gelegt.

kommt jedoch der glaube ins spiel, verlieren wir teilweise unsere eigenen haltungen aus den augen. die bundesregierung besonders schnell. kaum äußert sich kritik an dem kölner urteil, das die beschneidung von jungen männern als körperverletzung einordnet und untersagt, da erklärt die bundesregierung, dass die religionsfreiheit gewahrt bleiben müsse und nimmt künftige rechtliche entscheidungen schon einmal vorweg. mit welchem recht?

wir sind uns einig, dass das einschnüren von frauenfüssen in der asiatischen welt ebenso eine problematische sache ist, wie die magersucht von modemodels. der bundesrat hat vor ein paar jahren die initiative ergriffen und eine gesetzesänderung auf den weg gebracht, die die beschneidung von frauen als körperverletzung einstuft (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/012/1701217.pdf). dabei wurden die männer vergessen. nun wird im fernsehen zum beispiel damit argumentiert, dass in afrika sogar die beschneidung von männern aus gesundheitsgründen empfohlen würde, um der übertragung von krankheiten vorzubeugen. doch davon ist man längst abgerückt, nachdem studien abgebrochen werden mussten, in denen man feststellen musste, dass die neuinfektionsrate eher zugenommen denn abgenommen hat.

also geht es um eine auseinandersetzung, die den gesellschaftlichen wandel abbildet: freie religionsausübung vs. körperliche unversehrtheit. wir kommen nicht drumherum, uns damit zu beschäftigen. transidenten menschen, erwachsenen, die ihren körper und ihre genitalien verändern möchten, verpflichten wir zu vorheriger therapie, zu rechtfertigungen und diversen untersuchungen. interidente wurden (und werden zum teil noch) per diagnostik im säuglingsalter einem geschlecht zugeordnet und es werden körperlich eingriffe vorgenommen. doch diese entscheidungen sind, so lang es keine gesundheitlichen gründe gibt, inzwischen sehr umstritten.

es zeigt, wie unbeholfen wir mit der frage umgehen, wie mit unseren körpern umzugehen ist (und es wird zeit, dass endlich den einzelnen menschen die entscheidung überlassen wird – wie es ja auch bei der kosmetischen chirurgie und bei tätowierungen der fall ist). und dann können eben eltern und gläubige nicht mehr für säuglinge und kinder entscheiden. eine gesellschaft darf auch gegenüber religiösen traditionen eine neue haltung einnehmen. nur eines scheint mir zudem wichtig: wir sollten endlich aufhören eine unterscheidung der geschlechter mit in den diskurs zu schleppen! wollen wir beurteilen, ob eine beschneidung beim mann mehr oder weniger schmerzen verursacht als eine beschneidung bei der frau? und wollen wir festlegen, wie der körper eines menschen zu sein hat, bevor dieser mensch selbst entscheiden kann? da müssen wir uns entscheiden.

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nabelschau (63)

tag-und-nacht-gleiche. ausgewogen sollten die gewichte sein, wie die tag-und-nacht-gleiche. hell und dunkel sollten gleich lang andauern, je nach vorliebe wäre für jeden genauso viel dabei. zum frühlings- und zum herbstanfang ist dies der fall. leider nicht zu allen anderen jahreszeiten. leider auch sonst nicht in unserem restlichen leben. es gibt keine zeitliche und keine bedingungsgerechtigkeit. das problem abseits der natur besteht aber darin, dass wir die ungleichheit selbst produzieren. wir werten auf und werten ab – und was noch schlimmer ist, wir ignorieren diese ungerechtigkeit.

es ist nicht mehr zu verstehen, weshalb die trauerfeier um kinder, die in einem bus gestorben sind, der gegen eine tunnelwand raste in den hauptnachrichten staatlicher sender platz findet, aber die trauerfeiern für die kinder, die täglich in afrika verhungern nicht einmal gezeigt werden. so schlimm der unfall im tunnel ist, so schlimm das erlebte für belgische eltern ist, so unklar ist die gewichtung. gut, die geographische nähe ist ein unterstützender faktor, das zugpferd katastrophe sicherlich auch.

aber der alltag in afrika ist auch ein katastrophe, die leider täglich stattfindet. und wir tun immer noch so, wie wenn wir nicht daran beteiligt wären. wir gewichten also das leid und die kinder (ja, es wird auch das label „kind“ in diesem zusammenhang für die meldung genutzt) verschieden. es ist zu vermuten, dass sich „ohnmacht“ – nämlich ein unfall – besser verkauft, als schlechtes gewissen. darum wird wohl die rede einer schwester eines opfers zur hauptsendezeit verbreitet. wir bilden aber nicht (oder fairer weise sollte ich schreiben „kaum“) die ohnmacht einer mutter ab, die ihr kind verhungern lassen muss.

da mag es mancher „unerträglich moralisierend“ finden, was hier steht. aber es scheint mir interessant, weshalb so gewichtet wird. die distanz allein kann es nicht sein. schon die zahl der opfer in afrika spricht gegen die alleinige distanz. es scheint, hier wird der bildungs- und informationsauftrag öffentlich-rechtlicher anstalten absichtlich missverstanden. es geht um die quote! zum bildungsauftrag gehört auch, unbequemes zu thematisieren. aber eine der begründungen für manches infotainment ist: die menschen wollen nicht immer nur schlimme nachrichten vernehmen.

doch tod ist tod – ein mensch wird aus dem leben gerissen. andere menschen werden ihn vermissen, sie trauern. aber es gibt hier eine schräge sichtweise. der tod in belgien ist wichtiger als der tod in afrika. und wenn man genau hinhört, dann schwingt in vielen berichten auch die unterscheidung von unverschuldet und selbst verschuldet mit. die erwähnung von bürgerkriegen wird im zusammenhang mit einer hungersnot sehr gern gebracht. wie wenn der klimawandel und die trockenheit nicht vor allen dingen von uns mitverursacht werden. manchmal wünscht man sich in den nachrichten eine tag-und-nacht-gleiche so zum an die eigene nase fassen. und dann vielleicht wenigstens, allerwenigstens den co2-ausstoss zu verringern.

liste (100) – korruption

wer lust hat, kann sich diese seite ausdrucken und ausfüllen. ich schlage listen vor, die einem vielleicht einen überblick zu verschiedenen themen der eigenen lebensgeschichte geben können. dieses mal geht es um die „korruption“.

meiner ansicht nach die schlimmsten auswüchse der korruption:

meiner ansicht nach die korruptesten menschen:

in diesen situationen habe ich korruption am eigenen leib gespürt:

meiner ansicht nach die wichtigsten strategien gegen korruption:

in diesen momenten wäre ich gern selber korrupt:

biografisches schreiben und politik (2)

viele menschen würden von sich sagen, dass sie politisch nicht aktiv seien, dass sie keinen sinn darin sehen, man könne ja sowieso nichts verändern und dass sie gar keine zeit dafür hätten. sie verkennen in diesem moment, dass sie genau mit dieser haltung, politisch aktiv sind, in einem passiven sinne. sie lassen geschehen. interessant in diesem zusammenhang ist es, wie mensch zu der entscheidung kommt, die teilhabe an der gesellschaft aufzugeben.

der blick in die eigene biografie oder lebensgeschichte, offenbart vielleicht eine begründung für den gedanken, keinen einfluss auf sein eigenes umfeld zu haben. die vorstellung sich gesellschaftlichen prozessen entziehen zu können, die trügt schon an jeder roten ampel. denn die gesellschaften haben absprachen getroffen, welche regeln sie im straßenverkehr einsetzen. also, bleibt die frage, warum man glaubt, gesellschaft laufe an einem vorbei. es sei anstrengender sich zu engagieren und zu äußern, denn zu schweigen.

doch psychologisch betrachtet, ist das aushalten von ohnmacht und sind die steten verdrängungen zum einen zwar schutz, zum anderen aber auch eine enorme anstrengung. es gibt sicherlich auch die kehrseite: nichts lässt einen unberührt und man weiß überhaupt nicht mehr, wo man sich noch alles engagieren soll. auch hier dreht sich wieder vieles um die persönliche ein- und abschätzung, die ihre wurzeln in der eigenen lebensgeschichte haben. das biografische schreiben eröffnet die möglichkeit, dem ein wenig auf die spur zu kommen, wenn man möchte.

welchen entwicklungen und bedingungen im gesellschaftlichen zusammenleben gibt man vorrang und welche spielen für einen nur eine nebensächliche rolle? und warum gibt man manchen ereignissen den vorrang? bei diesen fragen landet man schnell bei den eigenen ethik- und moralvorstellungen und bei der frage, Weiterlesen

schreibidee (259)

worüber schreiben sie am liebsten nicht? was fällt ihnen beim schreiben schwer? wann wird schreiben ein balanceakt? tja, da könnte so etwas wie angst im spiel sein (das müsste nicht, ist aber oft). man kann versuchen, das zu überwinden und sich dann in textexperimente stürzen, die man bis dahin noch nicht beschritten hat. vielleicht ist diese schreibanregung eine kleine unterstützung auf dem weg zu außergewöhnlichem. ich nenne es einfach „mut und wut„.

gestartet wird in der schreibgruppe mit einer frage: welches thema umgehen sie bis heute bei ihrem kreativen schreiben? gibt es etwas, worüber sie gern schreiben würden, sich aber nicht trauen? die teilnehmerInnen notieren sich ihre hürden und nicht-geschriebenen-textbeispiele. nun wählen sie sich zwei aus und umreissen kurz, worüber sie schreiben würden. diese textvorschläge werden nicht in der schreibgruppe vorgestellt, da sie sehr persönlichen charakter haben könnten.

anschließend wird von der schreibgruppenleitung ein kleiner exkurs darüber gehalten, dass es beim kreativen schreiben erst einmal keine moralischen und ethischen schranken gibt, diese nur zu achten und beachten sind, wenn etwas veröffentlicht wird, man seine texte anderen zur verfügung stellt. dies gilt natürlich auch in schreibgruppen. dies ist die einleitung, die gruppenteilnehmerInnen dazu einzuladen, sich einem thema zu widmen, über das zu schreiben sie sich bisher nicht trauten.

denn nun soll eine geschichte geschrieben, die nicht von mut handelt, sondern mut kostet. es gibt keine vorgabe, was das sein soll. schon vorab wird mitgeteilt, dass sie nicht vorgelesen werden muss und dass es keine feedbackrunde geben wird. aber alle sollten sich an einer persönlichen hürde versuchen. in diesem zusammenhang scheint es notwendig, dass die schreibgruppenleitung sehr aufmerksam ist. sollte auffallen, dass es jemandem schlecht geht bei dem versuch, die eigenen hürden zu überwinden. man darf jederzeit abbrechen, ja sogar die gruppe verlassen. auf der anderen seite sollten die hürden nicht zu hoch angesetzt werden. niemand muss sich in der schreibgruppe beweisen.

nach dieser anstrengenden phase kann wer will seinen persönlichen mut-text vorstellen. es wird definitiv kein feedback gegeben. dann sollte ein wenig durchgeatmet werden und der fokus wird auf die wut gerichtet. denn man kann sich neben der überwindung von hürden, auch in rage schreiben. davor scheuen ebenso viele schreibende zurück. doch warum nicht einmal schriftlich ungerecht, sauer, ausfallend werden und die contenance verlieren?

alle teilnehmerInnen können vorab eine kleine liste erstellen, worauf sie wütend sind. dann wird ein punkt ausgewählt und losgelegt. auch diese texte müssen nicht vorgestellt werden, auch zu diesen geschichten gibt es kein feedback (denn zur wut anderer lässt sich schwer ein feedback geben). anschließend kann wieder, wer möchte, seine geschichte vortragen.

dieses mal scheint es doppelt wichtig, zum schluss des schreibgruppentreffens eine ausführliche feedbackrunde durchzuführen. nicht zu den texten wird eine rückmeldung gegeben, sondern zur erfahrung, sich auf ein terrain zu begeben, das man bis jetzt gescheut hat. es kann befreiende aber auch angstmachende wirkung haben.

biografisches schreiben und schuld

die 68er fragten nach der mitschuld ihrer väter und mütter am dritten reich. dieser aspekt wird heute gern vergessen, wenn über die 68er berichtet und diskutiert wird. es war das wissen und die ahnung, dass nicht ganz deutschland nichts gewusst haben konnte von der ermordung der juden. es war eine frage der gesellschaftlichen moral und ethik.

die frage nach der schuld beinhaltet immer auch einen moralischen aspekt. beim blick auf die eigene biografie stellt sich als erstes die frage, in welche lebenssituationen man verstrickt war, die überhaupt eine frage nach der schuld zulässt. denn schuld ist ein urteilender begriff, der die verantwortung an ereignissen zuschreibt. es geht im hintergrund um einen ethischen diskurs. wie man sich zum beispiel fragen kann, wenn man als soldat in den krieg zieht, ob man schuld an der unsinnigen tötung von menschen hat. hätte es nicht alternativen gegeben?

doch der mensch hat heutzutage einen hang, für zu viele dinge im privaten umfeld die verantwortung zu übernehmen, doch für die gesellschaftlichen prozesse möglichst unbeteiligt zu wirken. gut, man kann nicht zeit seines lebens in sack und asche gehen, wenn man sieht, dass der klimawandel vorangetrieben wird, die reichtümer ungerecht verteilt sind und kriege nicht verhindert werden. und doch, trägt man eine mitverantwortung, wenn man die eigene beteiligung als schweigender bürger leugnet.

auch dieser weit greifende blick im biografischen schreiben kann die eigene haltung zum geschehen offenbaren. jedoch kann im näheren lebensumfeld viel genauer betrachten, wo man das gefühl hat, sich schuldig gemacht zu haben. Weiterlesen

selbstbefragung (68) – krieg

die fragebögen zur selbstbefragung versuche ich unter rubriken zu bündeln. dieses mal geht es um den „krieg„.

  • haben sie in ihrem leben schon einmal einen krieg miterlebt? beschreiben sie. wenn nicht, kennen sie erinnerungen älterer generationen?
  • warum begeben sich menschen ihrer ansicht nach mit menschen in den kampf?
  • was würden sie tun, damit es keine kriege mehr auf der welt gibt?
  • erinnern sie sich an einen konflikt in ihrem leben, der sich beständig hochschaukelte? was war da los?
  • wie rechtfertigen sie, dass deutschland einer der größten waffenproduzenten der welt ist?
  • wem aus ihrem umfeld würden sie den friedensnobelpreis verleihen? warum?
  • wie funktioniert es ihrer ansicht nach, dass menschen absoluten gehorsam leisten?
  • wie diplomatisch sind sie? begründen sie.
  • würden sie in eine armee eintreten? warum?
  • wann würden sie in unserer gesellschaft widerstand leisten? begründen sie.

selbsterkenntnis, ethik und moral

entdeckt der mensch sich, entdeckt er auch, was er gut und was er schlecht findet. vorher entdeckte er nur, was andere gut und schlecht finden. nun bedeutet das ergründen der eigenen haltung nicht, alles zu verwerfen, was andere vor einem schon entdeckt haben. es bedeutet nur, sich stück für stück ein eigenes bild zu machen. und das bild bekommt farben, formen, muster und begrenzungen. der mensch entwickelt seine subjektive ethik. sie versucht er zu vertreten, zu leben und anderen zu vermitteln. denn abermals vom grundsatz ausgehen, dass der mensch eigentlich gut ist, basiert bei vielen die ethik auf einer großen „menschlichkeit“, auf sozialer verantwortung und solidarität.

zur schwierigkeit wird ein anderes, ein nicht kontrollierbares machtgefüge, die anmutungen von außen. meine ethik, meine moral kann noch so gut begründet sein, kann den mensch noch so sehr hofieren, irgendwann stehe ich vor der entscheidung, ob ich sanktionen in kauf nehmen, um authentisch zu bleiben, oder ob ich einen kompromiss für mich finde. ein kompromiss ist nicht das schlechteste, denn nicht jede haltung kann ich allein auf meinem rücken tragen. ich finde mich in einer zwickmühle, die nur die widersprüche, die in der gesellschaft existieren, wiederspiegelt. verharre ich in meiner haltung, klinge ich auch schnell moralisch. bin der meinung alles besser zu wissen, als die anderen, die mich auffordern nachzudenken und eventuell etwas an meiner position zu verändern.

es ist nicht per se schlecht, stur zu bleiben. selbsterkenntnis und selbstwert verdienen respekt, können nicht einfach über den haufen geworfen werden. wer sich zum beispiel einmal entschieden hat, dass pazifismus die einzige möglichkeit ist, sinnlose kriegstreibereien zu überwinden, Weiterlesen

web 2.0 und kontrollierbarkeit

„denn sie (die digitale spielwiese) ist weitgehend anarchisch, kaum kontrollierbar. … wie ein baby, das gedankenlos und spontan tun und lässt, was ihm einfällt. damit müssen wir verantwortungsvoll umgehen.“
so die aussage von sven kaufmann in einem leitartikel. diese sichtweise auf das web ist weit verbreitet. es ist, wenn es in den kram passt eine unreife angelegenheit, die erst richtig gelernt und kontrolliert werden muss. wenn aber aus dem iran oder china über das internet und twitter die neuesten nachrichten in die welt gesendet werden, dann ist das internet eine willkommene einrichtung.

es ist kein neuer vorwurf, meist an jüngere generationen, dass sie unverantwortlich mit den medien umgehen. das ist sicherlich teilweise der fall, resultiert aber nur daraus, dass die ältere generation keine ahnung hat, was jüngere machen. doch schaut man sich einmal die große welt des webs an, dann kann man feststellen, dass sich sehr wohl viele menschen darüber gedanken machen, was sie ins netz stellen und was nicht.

die vorstellungen, was öffentlich geäußert werden kann und was nicht, verschiebt sich. das ist nicht immer gut. erstaunlich ist aber, dass genau diejenigen, die beständig fordern, das netz müsse besser und mehr kontrolliert werden, in anderen zusammenhängen bemüht sind, alle möglichkeiten des netzes auszuschöpfen. der widerspruch wird aber selten mitformuliert. es ist ein traum, dass das netz jemals umfassen kontrolliert werden kann. allein das beständige wachstum macht eine kontrolle so gut wie unmöglich.

in den hinterköpfen spukt die angst vor der unkontrollierbarkeit herum. seltsamerweise ist aber das netz zu einer gewissen selbstkontrolle fähig. es scheint die bürgerInnen sind verantwortlicher als die verantwortlichen. das privatfernsehen ist ein gutes beispiel für eine kontrollierte institution, die seltsamerweise genau das produziert, das einer ethischen verantwortung widerspricht. so scheint es, dass es nicht um kontrolle des mediums geht, sondern um den zugriff auf die finanziellen quellen des netzes. eines noch: jedes medium kann missbraucht werden und wird es auch. der glaube, dies ließe sich verhindern, ist ein naiver.

web 2.36 – re:publica `09

im dritten jahr in folge gibt es ein treffen der deutschen bloggerInnen-szene in berlin. unter dem motto „shift happens“ (veränderung passiert) gibt es zahlreiche vorträge und diskussionsrunden zu allen aspekten rund ums bloggen. daran beteiligen sich sowohl profis, amateure als auch firmen und konzerne. die veranstaltung nennt sich „re:publica `09“ und findet vom 01ten bis 03ten april im friedrichstadtpalast und in der kalkscheune in berlin statt.

dass bloggen anscheinend in deutschland erst so langsam in die gänge kommt, zeigt sich daran, dass dies die einzige veranstaltung ihrer art in der bundesrepublik ist und dass sie beständig wächst. das kontingent der dauerkarten für die drei tage ist schon ausverkauft, der zugang für journalistInnen muss beschränkt werden, da die räumlichkeiten nicht mehr platz bieten. es können anscheinend nur noch karten für einzelne veranstaltungen und tage bezogen werden. ein wenig schade ist es, dass online keine übertragung zu sehen ist. zumindest kann ein rss-feed installiert werden, der die neuesten meldungen rund um die veranstaltung bündelt und natürlich kann der veranstaltungseigene blog besucht werden. zu finden ist dieser unter: http://www.re-publica.de/09/ . na ja, und nächste jahr muss wohl auf noch größere räume ausgewichen werden, denn shift happens.

10 fragen zur selbstbefragung (01)

  1. welches problem würden sie vordringlich als berater/in von obama in angriff nehmen?
  2. nachdem sie eine hühnerfarm besucht haben, essen sie dann noch hähnchenfleisch?
  3. wie wird ihre haltung zur sterbehilfe wohl sein, wenn sie ein schwerer pflegefall auf einer pflegestation sind?
  4. was ärgert sie zur zeit am meisten?
  5. geben sie ihrem ärger ausdruck oder behalten sie ihre stimmung für sich?
  6. mit wem streiten sie am ehesten: partner/in, arbeitskollege/kollegin, menschen auf der strasse oder verwandtsschaft?
  7. welchen traum wollen sie in diesem leben auf alle fälle noch verwirklichen?
  8. was finden sie schöner: ein kunstwerk oder einen hübschen menschen?
  9. würden sie für eine angemessene summe bei „ich bin ein star, holt mich hier raus!“ mitmachen?
  10. wer stand/steht ihnen näher, ihre mutter oder ihr vater? warum?

web 2.0 und gafferei

 

man kennt das: ein unfall ist auf der autobahn passiert und auf der gegenseite staut es, da die vorbeifahrenden autos langsamer fahren, um einen blick auf das unglück anderer zu erhaschen. ebenso kam es oft genug vor, dass menschen etwas passierte und kein mensch kümmerte sich darum. leider verstärkt die halbanonymität des internet diese menschlichen reaktionen.

vor etlichen tagen brachte sich in den usa ein junger mensch mit bipolarer störung (auch als „manisch-depressiv“ bekannt) vor seiner webcam um und die internet-community, in diesem zusammenhang eher schülerInnen, schauten zu, feuerten ihn sogar an, da sie ihm nicht glaubten. sicherlich spielte dabei eine rolle, dass er seinen suizid schon häufiger angekündigt hatte und viele ihm nicht mehr glaubten.

und doch vereinfacht die virtualität, soll heißen, der nicht vollständig reale charakter einer übertragung auf einen bildschirm, eine innere distanz zum geschehen herzustellen. wären die gleichen schülerInnen neben ihm gestanden, während er seine tabletten nahm und sich aufs bett legte, hätten sie ihm sicherlich nicht gesagt, er solle das jetzt endlich zu ende bringen. Weiterlesen

web 2.0 und geschäftsbedingungen

 

dass das web 2.0 keine so freie einrichtung ist, wie es sich gern gibt, zeigt sich dann, wenn man in ruhe einmal die geschäftsbedingungen der verschiednen angebote durchliest. die kriterien für das geschäft setzen die anbieter. sie speisen sich aus verschiedenen quellen.

zum einen aus den gesetzlichen vorgaben. die sind in demokratisch gewählten ländern recht weit gefasst und es bestehen etliche freiheiten, die ins netz gesetzt werden können. das birgt zwar immer die gefahr in sich, dass auch unliebsame äußerungen im netz gemacht werden, doch so etwas sollten demokratische strukturen und vorstellungen von redefreiheit schon aushalten, so wie es auch bei gedruckten haltungen gang und gäbe ist. in anderen ländern sind die einschränkungen sehr viel größer. da zeigt sich, dass die geschäftsanbieter den finger auf den verbindungen und auf den positionen haben. und sind es nicht die anbieter, dann sind es die staatlichen behörden. die schwierigkeit virtueller daten besteht darin, dass sie leicht gefiltert werden können. im unterschied zu gedruckten und handgeschriebenen texten, lassen sich so leichter daten löschen und beseitigen.

zum anderen speisen sich aber die kriterien für das geschäft aus einer ethisch-moralischen grundhaltung, Weiterlesen

schnickschnack (40)

dass der mensch macht, was machbar ist, ist keine neue erkenntnis nach der erfindung der atombombe oder den geklonten schafen. so verwundert es nicht, dass inzwischen das internet angebote bereithält und darüber der vertrieb organisiert wird, die sehr fragwürdig erscheinen. eines der abschreckenden beispiele einer fortschreitenden beliebigkeit, die der ethischen debatte einfach davoneilt ist auf der seite http://www.23andme.com zu finden. unter dem motto „genetics just got personal“ besteht hier die möglichkeit, sein genom testen zu lassen. die zahl „23“ spielt auf die zahl der chromosomen an, die jeder mensch doppelt in sich trägt. für 399 dollar kann man sich in die seite einloggen und eine probe einschicken, die auf genetische störungen untersucht werden kann. so werden bestimmte abschnitte auf den genen untersucht, die einen hinweis auf die disposition für bestimmte krankheiten anzeigen können. dass die erforschung dieser abschnitte bis heute noch nicht eindeutig ist und eine disposition nicht unbedingt bedeutet, dass die krankheit jemals auftreten muss fällt bei dem angebot  ein wenig hinunter. so finden sich die dispositionen für bestimmte krebsarten oder den herzinfarkt im angebot. wer sich einloggen darf in das angebot der homepage, der kann auch den blog mit den neuesten erkenntnissen über weitere genabschnitte und dispositionen aufrufen. und er wird persönlich benachrichtigt, welche zusätzliche krankheitsgefahr sein vormals untersuchtes genom noch aufweist. da wird die bedeutung einer mail eine ganz andere. die wöchentliche hiobsbotschaft als newsletter, was ich noch alles habe. interessant wäre die untersuchung, was die ergebnisse bei den menschen auslösen. ob sie ihre wohnung nicht mehr verlassen? zumindest ein tolles schnäppchen für alle hypochonder, die die bestätigung erhalten werden, dass irgendetwas mit ihnen nicht stimmt. die zeit wird für 399 dollar nicht mehr langweilig. vielleicht das beste beispiel dafür, die diskussion über die weitere gentechnologie noch einmal von vorne zu beginnen. will ich es wissen? und sollte es jemand anderes wissen? 😈

social software und nutzungsbestimmungen

 

da, wie im vorigen post berichtet, bei der social software die gefahr größer ist, dass kommunikation aus dem ruder laufen kann, versuchen die anbieter von plattformen dieser software, durch ihre nutzungsbestimmungen, missverständnissen und übergriffigkeiten vorzubauen. wenn man sich diese bestimmungen genauer betrachtet, handelt es sich dabei inzwischen um moralkataloge, die der freiheit des webs extrem widersprechen.

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philosophisches schreiben

 

viele in diesem blog vorgestellten schreibtechniken und -ideen können als grundlage dienen, einen philosophischen text zu verfassen. schon beim biografischen schreiben, setzt man sich häufig mit der eigenen lebensphilosophie auseinander. jeder mensch hat eine vorstellung davon, wie leben zu gestalten ist, welche ethischen und moralischen grundlagen er hat und wie der mensch an sich so ist.

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„absichten und einsichten“ – ein buchtipp

wie verantwortlich sind schriftstellerInnen für ihre texte, die sie verfassen und veröffentlichen? haben sie eine ethisch-moralische verantwortung gegenüber der gesellschaft oder ist alles beliebig? diese und andere fragen bewegten viele schreibenden nach den 68ern und sie versuchten antworten zu finden. dabei stellten sie, wie es in anderen berufen und ausbildungen zu dieser zeit auch geschah, ihr eigenes tun sehr in frage.

das reclam-heft „absichten und einsichten – texte zum selbstverständnis zeitgenössischer autoren„, herausgegeben von markus krause und stephan speicher, versammelt eine große zahl von statements zur situation der literatur und den grundlagen des schreibens. unter den autorInnen befinden sich rolf hochhuth, heinrich böll, peter handke, elias canetti, peter rühmkorf, friedrich dürrenmatt, max frisch und viele andere. die meisten texte sind ende der sechziger und anfang der siebziger jahre entstanden, haben aber an aktualität überhaupt nicht verloren. eher das gegenteil ist der fall, je beliebiger der literaturbetrieb wird, je unpolitischer die haltungen, umso interessanter scheint eine diskussion über die rolle der literatur. meiner ansicht nach einer der schönsten beiträge des heftes sind die „55 sätze über kunst und wirklichkeit“ von dürrenmatt. es finden sich aber noch viele andere anregungen, auch für die rolle des kreativen schreibens in der heutigen gesellschaft. leider ist das heftchen 1990 erschienen und wahrscheinlich nur noch antiquarisch zu erhalten, aber der versuch es zu bekommen lohnt sich. erschienen ist es im verlag philipp reclam jun., Stuttgart, 1990. ISBN 3-15-008640-X