Schlagwort-Archive: gehirn

wortklauberei (103)

neuromarketing

da ich hier im blog gerade so in fahrt komme, mich über die neurowissenschaften und die neuropsychologie zu echauffieren, greife ich doch gleich einmal eines der aktuellen gruseligen worte auf. angeblich liegt der trend der zeit im „neuromarketing“. nun kann man ja schon über die disziplin „marketing“ streiten, deren einziges ziel es ist, viel von einem produkt zu verkaufen, mit allen mitteln, die recht sind.

nein, bei neuromarketing kann man weder werbung noch anreize für den kauf von gehirnen oder nervenzellen finden. vielmehr geht es darum, tricks und techniken zu entwickeln, die kundInnen willenlos machen und ein bestimmtes produkt kaufen lassen. dabei stützen sich die marketing-expertInnen auf erkenntnisse aus den neurowissenschaften oder geben dementsprechende forschung in auftrag. letztendlich soll herausgefunden werden, welche unterschwelligen manipulationstechniken zum kauf eines produkts führen könnten. dazu werden augenbewegungen und hirnscans im mrt (magnetresonanztomographen) durchgeführt.

es wird geschaut, welche bilder, farben, gerüche oder texturen welche hirnregionen aktivieren. sollte man die „einkaufs-„ oder „haben-wollen“-region im gehirn mit produkteigenschaften koppeln können, dann hat man das richtige instrument gefunden. zum glück funktioniert das, wie vieles im marketing und in der werbung, nicht ganz so reibungslos, wie man es gern hätte. der mensch reflektiert einfach zu viel und ist schwer zu dressieren.

jedoch werden immer mehr läden und passagen mit duftzerstäubern aufgerüstet, um unterschwellig emotionen auszulösen. ebenso werden produkte dementsprechend eingefärbt, platziert und verpackt, um dadurch unterschwellig einen (kaufan)reiz zu geben. all diese versuche basieren auf statistischen neurowissenschaftllichen experimenten. ich plädiere dafür „marketing“ einfach durch „manipulation“(sversuch) zu ersetzen. denn damit benennt man wirklich, worum es geht, um neuromanipulation.

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nabelschau (65)

neuropsychologie oder die bedrohung geht von den wahrsagern der naturwissenschaften aus. das schlimme internet, die bedrohung des menschlichen geistes. so oder ähnlich lassen sich etliche äußerungen von neurowissenschaftlerInnen, psychologInnen und gesellschaftsbetrachterInnen zusammenfassen. und sie berufen sich alle inzwischen auf erkenntnisse über die veränderungen der hirnstruktur beim nutzen des netzes. die neuropsychologie bringt es dann so schön auf den punkt, wenn sie den zusammenhang zwischen ergebnissen der gehirnwissenschaften und dem menschlichen verhalten herstellt.

um überhaupt zu erkenntnissen zu kommen, werden probanden diversen reizen ausgesetzt oder ihnen werden (denk)aufgaben gegeben und gleichzeitig werden hirnströme gemessen, wird die aktivierung von hirnregionen im mrt (magnetresonanztomographen) abgebildet. zwischen den messergebnissen, den aufgaben und reizen wird ein statistischer zusammenhang hergestellt, der eigentlich keine schlussfolgerungen zulässt. aber sie werden vorgenommen. eigentlich könnte man nur sagen: wenn ich das und das lese, dann wird mit einer wahrscheinlichkeit von xy % die und die hirnregion aktiver.

aha! und jetzt? jetzt wird das gemacht, was die zahlen einfach nicht hergeben: jetzt wird aus den vermuteten funktionen der hirnregionen und deren aktivierung auf das zurückgeschlossen, was der mensch wohl denkt und wie er denkt. das ganze verfahren ist sehr aufwendig und teuer, endet aber meist in kaffeesatzleserei. da wäre es interessanter, die menschen zu fragen, was sie denken, während sie den reizen ausgesetzt sind, während sie die (denk)aufgaben lösen. sie können sicher sein, bei hundert probanden werden sie hundert verschiedene antworten bekommen (auch wenn sich die inhalte der antworten annähern, so werden sie doch mit unterschiedlichen worten und im hintergrund in individuellen emotionalen zuständen geäußert).

woran das liegt? daran, dass wir subjekte sind. der eine proband sitzt zum beispiel gerade an einer hausarbeit und stellt sich für den versuch zur verfügung. er ist gestresst und erlebt das experiment in diesem zustand. die andere probandin hat sich gerade von ihrem partner getrennt und ist traurig. der nächste proband hatte die nacht vorher tollen sex usw. auch dies steckt alles in den hirnen der versuchspersonen, wird aber im versuchsdesign ausgeschlossen. denn man möchte „unverfälschte“ ergebnisse.

und so kommt man zu dem schluss, dass das surfen im internet unsere hirnregionen, unser denken verändert. aha! wahrscheinlich so, wie das tägliche stundenlange stumpfsinnige autofahren von berufspendlern dies auch tut. unser gehirn ist sehr anpassungsfähig, es kann sich den zielen des denkenden menschen anpassen. wenn ich mich also auf einen bild- oder textausschnitt konzentrieren möchte, dann kann ich das tun und alle anderen wahrnehmungen bis zu einem gewissen grad ausschließen. nur autisten haben teilweise die schwierigkeit, andere sinnesreize zu filtern.

die neuro-expertInnen gehen in ihren aussagen einen schritt weiter: sie stellen fest, dass der mensch, der regelmäßig surft, dinge schneller erfasst, aber oberflächlicher denkt. aha! die technik führt also zu einer kürzeren aufmerksamkeit? liegt wahrscheinlich an der menge der informationen, an den kurzen texten, an den vielen bildern, an der gehäuften zahl von sinneseindrücken? da kann man dann ja den umkehrschluss ziehen, dass menschen, die regelmäßig die bild-zeitung lesen (viele bilder, wenig text, durch große kontrastreiche lettern starke sinnesreize) oberflächlicher denken und ihre hirnstruktur sich verändert – oder?

und was sagt das über den menschen aus? nichts. doch eben diese unterschwellige bewertung Weiterlesen

kreatives schreiben und körper

der körper ist eine galaxie des kreativen schreibens. seine wunderbare koppelung von fleischlichkeit, emotionen und sinnen bietet viele anknüpfungspunkte für geschichten. das fängt beim thema nummer eins an: dem sex. sex kann von der körperlichkeit nicht abgekoppelt werden, auch wenn in vielen literarischen werken die sexualität in den hintergrund verbannt wird oder der asexualität gehuldigt wird. ob allein, zu zweit oder zu vielen, die begegnung mit körpern kann lust verursachen.

kreative worte für die lust zu finden ist schon eine lust an sich. womit der übergang zu den sinnen geschaffen wäre. lust setzt sich aus reaktionen auf berührungen, wahrnehmungen und gedanken zusammen. der körper bietet alle instrumente dafür. man kann aber auch einen schritt zurückgehen und schriftlich einen blick auf die wahrnehmung werfen. was melden mir meine sinne? geschichten, die beschreiben, wie einem die haare zu berge stehen, wie ein anblick übelkeit oder freude hervorruft oder wie eine berührung zarte gefühle weckt, all dies ist unser körper in worte gefasst.

doch nicht nur sinne und wahrnehmungen können einen spannenden hintergrund von kreativ geschriebenem abgeben. allein die einzelnen körperteile bieten stoff zum schreiben. schreiben sie einfach mal eine geschichte über eine hand. was macht sie so den lieben langen tag? wie funktioniert sie? was möchte ich momentan „begreifen“? die haut als kosmos diverser lebewesen, als schutzschild oder wässrige hülle einer welt. die linke große fusszehe als widerstandsnest gegen unversehrte socken. die kopfhaut als beet für ungerichteten haarwuchs oder aber ausgetrocknete wüste bei der glatze.

und dann noch der blick auf das ganze ensemble. junge körper, alte körper, zeichen der veränderung, orte der verletzung. der körper ist der ort unseres daseins und wir sind nicht vorstellbar ohne unseren körper. wie wirkt alles in allem? als strich in der landschaft oder als knutschkugel, ebenmäßig oder ungelenk? Weiterlesen

biografisches schreiben und körper

wir stecken alle in einem körper fest, an dem wir gern rummäkeln, der an manchen stellen besser gestaltet sein könnte und doch funktioniert er phänomenal. irgendwie hat er etwas an sich wie die heutige autos. ist ein bereich nur einen hauch defekt, kann es sein, dass gleich das ganze system gestört ist und ein größerer eingriff notwendig wird. alles in unserem körper ist so aufeinander eingespielt, besser hätten es wir menschen nicht entwerfen können.

schreibt man seine lebensgeschichte auf, schreibt eigentlich unser körper die lebensgeschichte auf. unser gehirn erinnert sich, wir nehmen wahr, wir fassen es in worte, wir notieren es mit unseren gliedmaßen und kontrollieren mit unseren augen. stift und papier sind nur verlängerungen unseres körpers, wie beinahe alle werkzeuge. darum ist es einen blick wert, unseren körper selber einmal in das biografische schreiben einfließen zu lassen. welches verhältnis haben wir zu unserem körper? wie ist dieses verhältnis entstanden?

und wenn wir zurückblicken auf unser leben, dann blicken wir auch auf das funktionieren unseres körpers. wann hat er mal nicht funktioniert, wann sind wir krank geworden? wann hat er besonders angenehm funktioniert und wir hatten befriedigenden sex? was passierte in diesen momenten, was ging uns durch den kopf? und wie haben wir andere körper erlebt? können wir eigentlich unseren körper schätzen oder haben wir ihm immer wieder dinge angetan, die ihm nicht gut tun? und vor allen dingen, warum machten wir das?

es gibt so viele aspekte unseres körpers, die immer wieder unsere lebensgeschichte beeinflusst haben. zu oft versucht das gehirn, den körper als werkzeug zu nutzen, dabei ist er so viel mehr. vor allen dingen unsere sinne sind eigentlich erst die grundlage des gehirns, das deren reaktionen einordnet Weiterlesen

schreibpädagogik und gehirnakrobatik

was möchte schreibpädagogik erreichen? salopp formuliert, dass menschen einen unverkrampfteren und kreativen zugang zum schreiben finden. dass menschen sich locker auf den schreibprozess einlassen. dafür werden techniken vorgestellt, werden feedbacks auf geschriebenes gegeben und wird versucht, die angst vor dem weißen blatt oder bildschirm zu nehmen.

eine der folgen der schreibpädagogik ist ein immer wacher geist. der blickwinkel verändert, ja, er erweitert sich. die menschen laufen mit offeneren augen durch ihre umgebung und schnappen anregungen, erlebnisse oder formulierungen auf, die sie oft schon beim aufschnappen in textform, in ein exposé bringen. „lässt sich mit dem erlebten etwas anfangen?“, ist der nicht sehr bewusste gedanke, der im hintergrund abläuft. es liegt wahrscheinlich am training des schreibens, der den kopf immer öfter akrobatiken vollführen lässt.

man kann sich das ein wenig wie im sport oder beim fahrradfahren vorstellen. erst übt und trainiert man viel. man schaut genauer auf die abläufe, sucht nach anregungen, beginnt, seiner fantasie leichter freien lauf zu lassen. nach einer längeren trainingsphase verselbstständigen sich die wahrnehmungsprozesse und verarbeitungen im gehirn. irgendwann ist man an dem punkt, dass man einmal fahrradfahren gelernt hat und es nie wieder verlernt.

so ähnlich kann man sich das mit der wirkung der schreibpädagogik für das eigene schreiben vorstellen. einmal gelernt, verlernt man das „andere“ schreiben eigentlich nicht mehr. gut, einzig schreibblockaden können einen stoppen. diese form der blockade taucht beim radfahren doch eher selten auf, dafür kann man einen platten bekommen.
faszinierend ist jedenfalls, wie das gehirn im hintergrund fleissig seine tätigkeit aufnimmt. Weiterlesen

verändert die digitale revolution unser denken?

ja!

nur, was ist so schlimm daran? in letzter zeit kommen diskussionen auf, die aufgeteilt werden können in kulturpessimistische haltungen und technikglorifizierende. dazwischen gibt es wenige äußerungen. die digitale revolution beeinflusst uns. und wie schon im ersten beitrag zu diesem thema aufgezeigt, unterscheiden sich die veränderungen nicht sehr von den veränderungen nach der erfindung des buchdrucks. um noch einmal kurz bezug darauf zu nehmen: auch die verbreitung der bücher und die folge, dass immer mehr menschen lesen konnten, hat sicherlich das denken der menschen verändert.

unser gehirn hat viele kapazitäten und einen großen spielraum. wie wäre es sonst bei einem schlaganfall möglich, dass andere regionen des gehirns aufgaben der geschädigten bereiche übernehme können? das gehirn schein variabler und flexibler als der „mensch“ oder zumindest seine theoretischen gedankengebäude. also ist es für das menschliche gehirn auch möglich, sich den technischen neuerungen, oder besser geschrieben den möglichkeiten, die die technischen neuerungen eröffnen, anzupassen und diese sich nutzbar zu machen.

in diesen momenten werden mit sicherheit neue bereiche des gehirns verschaltet. das fängt schon mit den bewegungen an. das lernen des 10-finger-schreibsystems ist nichts anderes, als sein gehirn auf neue abläufe zu trainieren, die einmal gelernt, schwer wieder verlernt werden können. diskutiert werden die veränderungen durch die digitale revolution meist nur als defizite. so lesen wir nicht mehr in büchern, und das lesen in büchern wird gleichzeitig als die intellektuell hochwertige beschäftigung beschrieben. so können wir nur noch schwer kopfrechnen, da dies vom taschenrechner abgenommen wird. in manchen äußerungen erscheint der mensch durch die digitale revolution hohl und leer zu werden.

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nabelschau (13)

sie sollten sich zeit für gefühle nehmen. wie gestern die süddeutsche zeitung auf ihrer seite „wissen“ (s.16) mitteilte, gibt es eine untersuchung der universität san diego, die belegen soll, dass das entwickeln von mitgefühl für menschen, die seelische verletzungen erfahren haben, ungefähr sech bis acht sekunden dauert. anscheinend etliches länger, wie wenn körperlicher schmerz bei anderen beobachtet wird. ähnlich lang dauert das entwickeln von bewunderung für eine leistung.

in einer zeit, in der die kommunikation immer schneller und kürzer von statten geht, stimmt dies nachdenklich. kein wunder, dass in vielen arbeitsverhältnissen so wenig lob ausgesprochen wird. mal kurz etwas angeschaut oder mitbekommen und schon konnte wieder keine bewunderung entwickelt werden. oder jemand berichtet von seinen problemen, aber gleichzeitig klingelt schon das handy, wen erstaunt es da, dass kein mitgefühl entwickelt werden konnte. vor kurzem war auf der straße ein kleines mädchen zu beobachten, das brüllend da stand und der vater versuchte sie zu beruhigen. dann meinte ihr vater „jetzt kannst du aber mal aufhören.“ sie antwortete: „nein. das kann ich erst, wenn du mich getröstet hast.“

wahrscheinlich sollte dies unsere zukünftige kommunikation sein: „hast du mal acht sekunden zeit, um mitgefühl für meine schwierigkeiten zu entwickeln?“ oder „bleib mal stehen, warte ein paar sekunden, vielleicht kannst du dann mit mir fühlen oder mich bewundern“. auch bei filmen im fernsehen, die von seelischen problemen handeln, sollte mindestens eine achtsekündige pause nach emotionalen höhepunkten geschaltet werden, um ein gefühl für die protagonisten zu entwickeln. kein wunder, dass die krimis mit den sichtbaren körperlichen verletzungen immer viel besser ankommen, kann man dort doch sofort mitfühlen.

web 2.0 und das gehirn

die neurophysiologie und gehirnforschung setzen teilweise die geschwindigkeit des hirns in zusammenhang mit einer ständig vorherrschenden grundaktivität, einem „rauschen“, das tag und nacht stattfindet. wir können zum beispiel nicht aufhören zu denken, auch nicht im schlaf (siehe träume) oder bei meditationen. auch dann denke ich, dass ich nichts denke. bei entspannungsübungen wird das denken sicherlich fokussiert auf einen einzelnen gedanken, das rauschen also ein wenig reduziert, aber die gehirnaktivität endet nicht. wie hier schon erwähnt, besitzt der mensch vor allen dingen die fähigkeit, zu selektieren und nicht jedem gedanken zu folgen. viele denkprozesse verlaufen unbewusst, so denke ich nicht jedesmal bewusst darüber nach, dass ich beim gehen den rechten fuss jetzt anheben muss. doch der prozess an sich findet statt, da ich in diesem moment auch stehenbleiben könnte. ich treffe also eine entscheidung.

wozu dieser lange vorlauf? es erscheint mir immer einleuchtender, dass das web 2.0, da von menschen geschaffen, formen eines ausgelagerten gehirns annimmt. es gibt ein beständiges „rauschen“ im netz, es werden gedanken, texte und bilder produziert, die nicht wahrgenommen werden. für beständige abläufe werden netzwerke gegründet, die einen gedanken, eine idee oder eine handlung fokussieren. plötzlich können informationen, die lang verschüttet waren, wieder aufgerufen werden und von interesse sein. fängt jemand damit einmal an, folgen etliche andere. und doch bündeln sich interessen, selektieren, unterstützt von den suchmaschinen. der mensch fasst dies gern in ein ranking, sortiert also vorrangige gedanken gegenüber nebensächlichen aus. was nicht bedeutet, dass dies immer die sinnvollen und vernünftigen gedanken sind. aber auch dies ist im realen leben nicht unbedingt der fall. das eigene hirn kann einem einen haken schlagen, indem es dinge fokussiert, die man gerade gar nicht fokussiert haben will.

wichtig scheint es auch im web, dass eigentlich kein gedanke verloren geht, höchstens jemand löscht seinen eintrag, seine homepage oder seine bilder. es gibt unvollendete gedanken, es gibt chaos, das unüberschaubar scheint. und doch bilden sich immer wieder neue ordnungen heraus, gedanken, überlegungen, die vorausstürmen. ich finde jedenfalls den gedanken immer interessanter, dass der mensch, nicht unbedingt bewusst, mit dem web 2.0 ein abbild etlicher seiner hirnfunktionen geschaffen hat. spannend wird dann die frage, wo die hormone im web 2.0 ihre funktion haben 😉