Schlagwort-Archive: heulen

schreibpädagogik und verlust

dieses mal ein sehr ernster beitrag zur anleitung von schreibgruppen. vor allen dingen im biografischen schreiben sollte man meines erachtens sehr vorsichtig vorgehen, wenn man schreibübungen zum thema verlust oder tod anleitet. es ist nicht sinnvoll das thema auszusparen, nur um die eventuellen folgen zu umgehen. verlust und tod beeinflussen unser leben sehr. jeder mensch hat seine eigenen strategien damit umzugehen. und doch scheint es, wie wenn vor allen dingen das thema tod mit einem tabu versehen ist. das ist um so erstaunlicher, dass man ab einem höheren alter immer wieder damit konfrontiert wird (und manchmal auch schon viel früher).

schreibt man in schreibgruppen also über verluste, vor allen dingen über persönliche verluste, kann es leicht vorkommen, dass menschen nicht nur darüber schreiben, wie sie durch eine trennung einen partner verloren haben, sondern dass sie darüber schreiben, wie ein mensch in ihrem umfeld gestorben ist. das schreiben darüber kann noch einmal sehr aufwühlend erlebt werden. und dies wiederum kann zu emotionalen reaktionen führen, wenn texte vorgetragen oder besprochen werden. dies sollte eine gruppe aushalten können. doch damit darf man als schreibgruppenleitung nicht rechnen.

viele menschen halten es schwer aus, andere weinen zu sehen. in gruppen kann dies zu hilflosen unterstützungsversuchen und tröstungen führen. in diesem moment sollte eine schreibgruppenleitung einschreiten. denn wenn teilnehmerInnen für sich entscheiden, einen sie selbst sehr berührenden text vorzutragen, dann entscheiden sie sich auch dafür, eventuell beim lesen Weiterlesen

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selbstbefragung (161) – schmerz

die fragebögen zur selbstbefragung versuche ich unter rubriken zu bündeln. dieses mal geht es um den „schmerz“.

  • welcher körperliche schmerz war ihr letzter? beschreiben sie.
  • welcher seelischer schmerz war ihr letzter? beschreiben sie.
  • was tun sie gegen schmerzen als erstes?
  • wer hat ihnen zuletzt schmerzen zugefügt?
  • wem haben sie zuletzt schmerzen zugefügt?
  • welches war der größte schmerz ihres lebens? beschreiben sie.
  • wann fühlen sie sich schmerzen gegenüber am ohnmächtigsten?
  • warum fügen sich ihrer meinung nach, menschen gegenseitig schmerzen zu?
  • welche schmerzhafte erfahrung (körperlich oder psychisch) hat ihr leben verändert? warum?
  • können sie weinen, wenn etwas schmerzt? warum?

die letzten 150 selbstbefragungen sind als links hier gebündelt: https://schreibschrift.wordpress.com/2012/01/05/1500-fragen-zur-selbstbefragung-aus-diesem-blog/

schreibidee (338)

die reaktionen auf filme und geschichten sind von mensch zu mensch verschieden. doch es gibt immer wieder stories, die viele menschen zu tränen rühren, in den seltensten fällen handelt es sich da um geschichten von rosamunde pilcher. es gibt also handlungen in den geschichten, die bei vielen menschen ähnliche reaktionen hervorrufen, ganz gleich, welche lebensgeschichte diese haben. dabei geht es meist um tod, sehnsucht, liebe und kinder oder tiere. dies soll eine schreibanregung zu „tränendrüsen-stories“ sein.

als einstieg möge man sich an die eigenen emotionalen höhepunkte beim sehen, hören oder lesen erinnern. durch einen kleinen fragekatalog werden die teilnehmerInnen an ihr persönliches emo-erlebnis herangeführt. dieses ereignis und vor allen dingen die gründe für die tränen sollen in einem kurzen text von maximal zwei seiten dargestellt werden. anschließend werden die texte in der schreibgruppe vorgetragen.

nun sammelt die schreibgruppe gründe und mechanismen für die tränen, zum beispiel die langsame identifikation mit den protagonisten einer geschichte, das zusteuern auf ein happy-end und dann die anschließende zerstörung des idylls. oder man beschreibt vergebliche bemühungen, einer lage herr zu werden, das ewige scheitern, obwohl alles getan wird, eine schwierige lage zu bewältigen. es kann auch eine geschichte sein, in der die ohnmacht der beteiligten auf die leserInnen oder seherInnen überspringt. im vorfeld steht die frage: was benötigt eine geschichte, damit menschen sich emotional angesprochen fühlen?

da die anregung der tränendrüsen einen gewissen vorlauf in der geschichte benötigt, werden keine weiteren vorarbeiten in der schreibgruppe gemacht (wer möchte kann noch ein cluster erstellen), sondern es steht genug zeit zur verfügung, eine längere geschichte zu verfassen. diese geschichten werden dann in der schreibgruppe vorgetragen. vorher werden alle teilnehmerInnen aufgefordert, ihre emotionalen reaktionen auf die geschichte zu notieren. von welchem ereignis in der geschichte fühlen sie sich am stärksten berührt? welche wortwahl lässt sie emotional mitschwingen? anschließend findet eine ausführliche feedbackrunde statt. es sollten auf alle fälle taschentücher während der leserunde vorhanden sein.

schreibpädagogik und weinen

es kann auch in schreibgruppen vorkommen, dass teilnehmerInnen in tränen ausbrechen. entweder, da sie texte über ereignisse verfasst haben, die ihnen sehr nahe gehen, oder, da sie sich durch rückmeldungen und kritiken sehr angegriffen und hilflos fühlen. dieser starke ausdruck von gefühlen kann andere teilnehmerInnen erschüttern und verunsichern. in diesen momenten ist die schreibgruppenleitung als ausgleichendes moment gefragt.

es geht vor allen dingen darum, in einer gruppe auch raum für emotionale ausdrücke zu geben. kein mensch ist davor geschützt, dass ein eigener text oder einer von jemand anderem so berührt, dass die tränen fließen. wichtig scheint mir, dass diese reaktion zwar beachtet aber nicht überbewertet wird. es ist für teilnehmerInnen unangenehm, wenn sich beim weinen alle anderen teilnehmerInnen auf sie stürzen, versuchen sie zu trösten und gute ratschläge haben.

die schreibguppenleitung sollte kurz unterbrechen, nachfragen ob sie weiterlesen wollen, wenn sie bei eigenen texten weinen, oder nachfragen, ob sie den raum verlassen wollen, wenn sie bei texten von anderen schreibgruppenteilnehmerInnen weinen. dann sollte aber im normalen vorgehen weiter verfahren werden. zu viel aufmerksamkeit in solchen momenten gibt dem weinen schon wieder den beigeschmack Weiterlesen

kreatives schreiben und weinen

beim kreativen schreiben ist die wahrscheinlichkeit größer, dass einem die freudentränen in die augen steigen, als dass man über das geschriebene so traurig wird, dass geweint wird. hier unterscheidet sich das kreative schreiben vom biografischen schreiben. aber das möchte ich nicht genauer betrachten. es stellt sich für mich eher die frage, wie lässt sich weinen in texten umsetzen.

die gefahr, protagonistInnen in der eigenen geschichte weinen zu lassen, besteht darin, dass es recht schnell kitschig und gefühlig wird. da in der deutschen sprache die worte für das weinen und die tränen fehlen, also nicht viele verschiedene varianten gewählt werden können, ist zu überlegen, ob man die große traurigkeit oder hilflosigkeit nicht in metaphorische umschreibungen packt. dabei wird das eigentliche weinen zwar in den hintergrund gedrängt, aber für die leserInnen erschließt sich die gefühlslage besser.

in dialogen lässt sich das weinen noch schwerer darstellen. es klingt nicht unbedingt gut, wenn man „huhuhu“ schreibt, um dem weinen einen klang zu geben. „schnief“ und „schneuz“ gehören eher in den comic, als in einen dialog. es müssen also verbale ausdrücke für die traurigkeit gefunden werden und vielleicht kann man dann noch die regieanweisung angeben, wann jemandem die tränen herunterlaufen. mehr kann man nicht machen.

beim weinen unterscheidet sich das schreiben sehr stark vom film oder theater, wo dieser gefühlsregung die unterschiedlichsten ausformungen gegeben werden können. aber man kann dafür die zuspitzung der traurigkeit durch lautes und niedergeschriebenes denken schriftlich umsetzen. hier ist der spielraum wiederum unendlich. wie erlebt ein mensch innerlich die sich zuspitzende krise? welche gefühlsregungen machen sich breit? ab wann erreicht jemand einen karthatischen zustand und ergibt sich Weiterlesen

biografisches schreiben und weinen

ist ihnen schon einmal aufgefallen, dass es für das weinen wenige wertfreie synonyme oder umschreibungen gibt. ja gut, tränen fließen und wir schluchzen vielleicht auch dabei, ja wir heulen. aber der rest, greinen, flennen und jammern sind abwertende begriffe. wir scheuen also den blick auf den ausdruck großer traurigkeit oder hilflosigkeit, uns fehlen die worte.

dem sollte beim biografischen schreiben etwas entgegen gesetzt werden. zu weinen ist meist ein ausdruck für die realisierung einer unangenehmen situation (abseits der freudentränen). es ist ein schritt in richtung veränderung, wahrnehmung und ein ausdruck unserer gefühlslage für andere. doch in gesellschaften, in denen man die gefühle lieber weiterhin für sich behält, da fällt das weinen weiterhin schwer. es gibt kulturen, die der trauer lauten, klagenden ausdruck verleihen und sich dafür nicht schämen.

bei uns macht es weiterhin viele menschen hilflos, wenn jemand weinend vor einem steht. ganz schnell soll dieser ausdruck verschwinden und es wird alles unternommen, um nicht zu viel von der traurigkeit anderer mitzubekommen. schade eigentlich, da es kaum solch eine umfassende körperliche reaktion auf emotionale zustände gibt. das will was heißen.

bei der betrachtung der eigenen lebensgeschichte sollte man ruhig einmal den blick darauf werfen, wie schwer oder leicht einem das weinen gefallen ist. in welchen situationen konnte man nicht mehr an sich halten und wie haben die menschen um einen herum reagiert? hat man sich in diesen momenten aufgehoben gefühlt? wie reagierte man selber auf die trauer anderer? haben wir deshalb so viele beerdigungsvorschriften, weil wir den emotionalen ausbruch bei verlusten in rituale umlenken wollen? selbst elefanten weinen.

vielleicht ergibt sich durch das biografische schreiben ein etwas anderer blick auf die möglichkeit, durch hemmungsloses weinen einem einschneidenden moment ausdruck zu verleihen. kinder können noch weinen, irgendwann verschwindet diese fähigkeit bei den meisten menschen im gaaanz privaten. wie sagte einmal eine gute freundin „man sollte alles zelebrieren, auch die traurigkeit“.

na dann, heulen wir doch ausgiebig beim betrachten der traurigen momente unserer biografie, denn die gibt es auch, bei jedem menschen. und schämen wir uns nicht dafür, dass unsere augen dem inneren ausdruck verleihen.

liste (71) – weinen

wer lust hat, kann sich diese seite ausdrucken und ausfüllen. ich schlage listen vor, die einem vielleicht einen überblick zu verschiedenen themen der eigenen lebensgeschichte geben können. dieses mal geht es um das „weinen„.

das rührt mich am meisten zu tränen:

in diesen momenten meines lebens habe ich am meisten geweint:

in diesen momenten meines lebens habe ich in der öffentlichkeit geweint:

momente, die mich aus wut und zorn weinen ließen:

das gibt mir am meisten trost, wenn ich weine:

schreibberatung und weinen

in jeder beratungssituation kann es vorkommen, dass die klientInnen an ihre grenzen gelangen und zu weinen anfangen. es kann manchmal schon genügen, dass ihnen jemand zuhört und sie sich aufgehoben fühlen. auch wenn schreibberatungen seltener als psychologische beratungen mit tiefgreifenden lebenskrisen beschäftigt sind, so kann der emotionale druck bei einzelnen ratsuchenden trotzdem enorm hoch sein.

natürlich kann es also auch in schreibberatungen vorkommen, dass jemand in tränen ausbricht. dagegen spricht erst einmal überhaupt nichts. der kathartische effekt des weinens hat meistens eine entspannende funktion (zumindest für kurze zeit) und macht es möglich noch einmal anders an die fragestellung heranzugehen.

und doch ist es den meisten ratsuchenden recht peinlich, dass sie das weinen vor einer ihnen recht fremden person nicht mehr zurückhalten können. hier sind die beraterInnen gefragt, um den gefühlsausbruch kein großes aufheben zu machen. ideal ist es, wenn man ein taschentuch oder papiertücher zur hand hat, die man den klientInnen geben kann. sollten sich die weinenden entschuldigen, dann kann man ihnen sagen, dass sie sich für die tränen nicht zu entschuldigen brauchen. man sollte den weinenden zeit und raum geben, ihren tränen nachzugeben.

manche beraterInnen verunsichern weinende klientInnen. dies kann mehrere effekte haben: der gefühlsausbruch wird übergangen und es wird nicht darauf reagiert. es wird recht hektisch reagiert, da sich die beraterInnen emotional unter druck gesetzt fühlen und meinen schnell reagieren zu müssen. es ist den beraterInnen unangenehm und peinlich, dass jemand vor ihnen in tränen ausbricht. oder es wird vehement versucht, die positiven aspekte der situation hervorzuheben. all dies wird von ratsuchenden nicht als sehr hilfreich empfunden.

die sinnvollste reaktion besteht darin, die ruhe zu bewahren, nichts schön zu reden und den emotionalen ausbruch Weiterlesen

schreibidee (226)

menschen sind traurig, wenn ihnen schlechtes widerfährt oder träume und wünsche nicht in erfüllung gehen. sie spüren einen schmerz in der seele, der sich in schreie, in weinen oder in flucht verwandeln kann. andere menschen fühlen in solchen momenten gern mit, sehr viel stärker als in positiven situationen. darum finden vor allen dingen auch die filme anklang, die zu tränen rühren. doch was rührt zu tränen? dies kann in dieser schreibidee in form von „traurigen texten“ ausprobiert werden.

am anfang notieren alle schreibgruppenteilnehmerInnen für sich, wann sie das letzte mal geweint haben. was war passiert, was brachte sie den tränen nahe? anschließend werden am flipchart auslöser für traurigkeit gesammelt. was macht traurig? zum beispiel ein ölverschmiertes wasservogelküken das sich über den meeresstrand schleppt und immer wieder von wellen mitgerissen wird. oder menschen, die sich gerade nach langer odyssee gefunden haben und nun wegen unveränderlicher umstände wieder voneinander lassen müssen.

alle teilnehmerInnen wählen sich jeweils einen traurigkeitsauslöser aus und schreiben eine kurze geschichte dazu (maximal zwei seiten). es soll darauf geachtet werden, den traurigen moment zu verlängern, voll auszukosten, ihm nicht auszuweichen beim beschreiben. die traurigen geschichten werden in der schreibgruppe vorgetragen.

nun sind alle in der richtigen stimmung, eine wirklich traurige, längere geschichte zu schreiben. woran sich die traurigkeit festmacht, bleibt den schreibenden überlassen. damit eine geschichte wirklich traurig wird, liegt beim schreiben, im gegensatz zum film, vor allen dingen in der wortwahl. wenn das kleine hoppelhäschen plötzlich in die eisenfalle gerät und mit seinen langen ohren in unerbittlichen stählernen zähnen festhängt, dann wird die geschichte nicht dadurch trauriger, dass das häschen weint, sondern, dass es verzweifelt zappelt und vom schmerz überwältigt wird. die schreibenden müssen es zappeln lassen bis es erschöpft zu boden sinkt und der fuchs plötzlich vor ihm steht 😦 .

die texte werden anschließend vorgetragen und wie in der vorherigen schreibidee ob ihrer traurigkeit bewertet. wie stark wurde die tränendrüse gereizt beim hören der geschichte? zum schluss wird eine runde papiertaschentücher ausgegeben.