Schlagwort-Archive: historie

schnickschnack (119)

hier stelle ich immer wieder gern (foto)sammlungen vor, die man als anregung verwenden. als anregung für geschichten, als anregung für biografisches schreiben oder als anregung, eigene sammlungen ins leben zu rufen. und es gibt wieder eine schöne sammlung, die gestern im fernsehen vorgestellt wurde.

die new yorker stadtverwaltung hat fotografien aus vielen jahrezehnten (insgesamt wohl über 870 000) ins netz gestellt. das interessante an den fotografien ist, dass sie nicht unbedingt nur die sehenswürdigkeiten abbilden, sondern viel alltag. denn die fotos wurden von angestellten der stadtverwaltung im laufe der jahre gemacht. und so kann man sich durch eine der lebhaftesten städte der welt in einer zeitmaschine bewegen. würde man zumindest gern, wenn der server nicht überlastet wäre. anscheinend hat die stadt new york mit ihrem angebot das interesse vieler geweckt.

nun versuchen sie mal historische bilder von berlin in einer sammlung zu finden. oh je, es gibt dermaßen verstreute angebote, dass man sich einen wolf suchen kann. das ist schade. und die stadtverwaltung bietet zwar aktuelle fotos aus der stadt, doch darauf sind ausschließlich touristische attraktionen abgebildet. die archive werden nicht geöffnet, bleiben weiter verschlossen. auch bei suchen auf der plattform „europeane“, der kulturdatenbank der eu, finden sich bilder von berlin aus norwegen, österreich oder anderen ländern, aber kaum aus berlin selber.

darum also erst einmal den blick nach new york wenden, wenn der erste ansturm auf den server vorüber ist, und eine kleine story verfassen: http://www.nyc.gov/html/records/html/gallery/home.shtml .

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jugend in deutschland aus tagebüchern, briefen und dokumenten – ein buchtipp

die wiedergabe des titels dieses buches wäre nur das zitat eines zitats gewesen und hätte auf die falsche fährte gelockt. darum habe ich dieses mal die unter-über-schrift gewählt, um einen hinweis auf das spannende werk zu geben. eigentlich handelt es sich um das buch „“wir wollen eine andere welt“ – jugend in deutschland 1900 – 2010 – eine private geschichte aus tagebüchern, briefen, dokumenten“. zusammengestellt hat das buch fred grimm.

wenn man mit hilfe von persönlichen zeugnissen in ein jahrhundert eintaucht, dann stellt man fest, wie viel sich in dieser zeit verändert hat und wie viel sich ständig wiederholt. schon anfang des 20ten jahrhunderts echauffierten sich die gesellschaft und die moralwächter über junge menschen (die halbstarken), die um die häuser zogen und tranken. diese debatten haben wir hundert jahre später wieder. war es früher die kirche, die aufsässigkeit sündig fand, haben wir heute die institutionen der drogenbeauftragen und der bundeszentrale für gesundheitlich aufklärung.

oft könnte man glauben, es gebe keine generationskonflikte mehr, zu viel sei friede, freude, eierkuchen, aber das buch zeigt, dass immer wieder jugendliche haltungen einnehmen, die ältere generationen nicht mehr oder schwer nachvollziehen können. und es zeigt sich auch, dass unsere gesellschaft um kinder ein unglaubliches aufhebens machen, bei jugendlichen meist überhaupt kein verständnis mehr zeigt.

doch noch unter einem ganz anderen aspekt ist dieses buch höchst spannend: beim biografischen schreiben kann man es durch zeitzeugnisse wunderbar nutzen, um in die vergangenheit einzutauchen. können sie sich noch erinnern, was sie in ihrer jugend besonders bewegte? das buch gibt unzählige anregungen, ja es vermittelt sogar die stimmung in der jugendzeit ihrer eltern. es zeigt ebenso die ängste und nöte bestimmter generationen, es macht vergangenes verständlicher.

die beinahe-gegenwart kommt ein wenig kürzer in dem buch vor, aber das macht nichts, denn man kann sie im internet oder in den „shell-studien“ finden. wer wissen will, wie sich jugendliche heute fühlen, sollte sie einfach fragen 😉 . das buch ist bei tolkemitt bei zweitausendeins in frankfurt am main 2010 erschienen. ISBN 978-3-942048-17-0

„die große zukunft des buches“ von eco und carrière – ein buchtipp

das ganze buch ein gespräch zwischen zwei buchliebhabern und -sammlern: umberto eco und jean-claude carrière. auslöser für das gespräch ist die frage, ob die digitalisierung unseres lebens, das gedruckte buch zum verschwinden bringt? die leserInnen können sich schon nach ein paar seiten zurücklehnen und feststellen, die wahrscheinlichkeit ist sehr gering. denn die schrift ist eine ähnliche erfindung wie das rad, sie kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. der mensch kann nicht auf die schrift verzichten, seitdem er sie erkannt und entdeckt hat.

anders sieht es damit aus, wie die schrift verbreitet wird, natürlich verlagert sich vieles ins internet, aber auch hier wird man mit erfrischenden gedanken konfrontiert. ein großer stromausfall und vielleicht verschwindet das internet wieder so schnell, wie es gekommen ist. eco vergleicht die situation mit dem zeppelin: eine große katastrophe und die menschheit verzichtete auf diesen fortschritt. nun muss man nicht unbedingt darauf hoffen, vieles fortschrittliche bestand auch weiter, aber das gedankenspiel um die dauerhaftigkeit des buches, „die große zukunft des buches“ liest sich spannend und regt zu vielen eigenen gedanken an.

die beiden experten fragen sich zum beispiel auch, welche schriften uns eigentlich überliefert sind. sind das wirklich die schriften, die damals in den alten kulturen tonangebend waren oder sind es nur zufällige überbleibsel, deren gewicht in den damaligen gesellschaften marginal war? und was bedeutet dies für unsere gläubigkeit an überliefertes?

ein weiter bogen, der aber immer wieder zu der frage zurückführt, ob der unterschied zwischen internet und buch wirklich so groß ist, wie immer getan wird? denn auch früher bei den ersten büchern wurde schon wissen und weitergabe von wissen gefiltert. eco und carrière gehen sogar so weit, dass sie behaupten „unser wissen über die vergangenheit verdanken wir idioten, dummköpfen und gegnern“ (eine der kapitelüberschriften), da der rest verloren gegangen ist oder nicht weitergegeben wurde.

es wird richtig amüsant in dem gespräch, viel wissen wird vermittelt und der diskurs regt zu einer neuen sichtweise an. ich kann dieses buch jedem empfehlen, der sich mit den konsequenzen des internet für unsere gesellschaften auseinandersetzen möchte. ein kluges und witziges, gedrucktes buch 😉 es ist 2011 in münchen beim deutschen taschenbuch verlag erschienen. ISBN 978-3-423-34694-8

schreibidee (306)

wenn es dann hier schon die ganze zeit um das trinken geht, dann kann man dies auch in einer schreibidee aufgreifen. betrachtet man allein, welche getränke einzelne gesellschaften und kulturräume wie verwenden, dann ergeben sich unterschiede, die mit landschaften, soziologie und kulturellen traditionen bzw. der historie zu tun haben. und so ist neben frankreich, deutschland eines der traditionellen wein-länder. hier soll eine schreibanregung zur „weinprobe“ gegeben werden.

bevor schreibgruppenleiterInnen eine weinprobe als schreibanlass durchführen, sollten sie im vorfeld die gruppe fragen, ob es interesse gibt und direkt nachfragen, ob sich zum beispiel trockene alkoholiker unter den teilnehmerInnen befinden. man kann alternativ auch tee-verköstigungen oder mineralwasser-proben in der schreibgruppe durchführen. sind alle teilnehmerInnen interessiert und einverstanden, kann es losgehen.

zum einstieg in das thema, kann dieses mal eine selbstbefragung zum thema „wein trinken“ stehen. wann trinken die schreibenden wein? trinken sie überhaupt wein? sind sie weinkennerInnen? am besten verteilt man einen kleinen fragebogen, der von allen ausgefüllt und behalten wird. anschließend sollte noch ein cluster zum thema wein erstellt werden. daraus entsteht eine kurze, maximal drei seiten lange geschichte, die in der schreibgruppe ohne feedbackrunde vorgetragen wird.

dann kommt es zur eigentlichen weinprobe. entweder wird sie von den schreibgruppenleiterInnen selber durchgeführt oder die gruppe hat sich jemanden eingeladen, fährt in einen weinberg und führt so eine weinprobe durch. während der weinprobe werden notizen gemacht. zu den weinen, zum ablauf, alles, was einem bei der durchführung in den sinn kommt. zusätzlich anregend kann es sein, vor der weinprobe noch einen geschichtlichen abriss über die historie des weines zu geben.

anschließend wird eine längere geschichte zur weinprobe geschrieben. in der geschichte sollte auf alle fälle eine weinprobe stattfinden, alle anderen abläufe sind den schreibgruppenteilnehmerInnen freigestellt. danach werden die geschichten in der schreibgruppe vorgetragen und es findet eine ausführliche feedbackrunde statt. diese kann man dann in eine gemütliche weintrinkende runde übergehen und das schreibgruppentreffen damit ausklingen lassen.

web 2.54 – erinnerungsstücke vom ersten weltkrieg

es wird kaum mehr zeitzeugen geben, die noch den ersten weltkrieg miterlebt haben. das ist ganz normal. doch erst jetzt hat man die möglichkeit, relativ leicht und ohne großen aufwand, digitale archive zu erstellen, vor allen dingen unter der beteiligung der gesamten bevölkerung.

und dann gibt es da familien und sippen, die erinnerungsstücke ihrer vor-vorfahren bewahren. vor allen dingen aus zeiten, die eine zäsur für das land, für die familien und für das zusammenleben bedeuteten. früher war die sammlung von erinnerungsstücken schwierig, da die aufbewahrerInnen der erinnerungsstücke schwer zu erreichen waren. vieles fand sich eher auf flohmärkten oder bei wohnungsauflösungen.

jetzt werden die neuen medien genutzt. hinweise dazu gibt es über das radio und als flyer, die an vielen orten ausliegen. unter dem label „100 jahre erster weltkrieg„, einem traurigen erinnerungsdatum, soll eine virtuelle sammlung auf der europäischen kulturhomepage aufgebaut werden. dazu kann jeder mensch, der erinnerungsstücke, wie bilder, briefe oder erinnerungen an den ersten weltkrieg sein eigen nennt, diese selber ins internet stellen.

zum beispiel einfach bilder einscannen, dann auf die website http://www.europeana1914-1918.eu gehen und den hinweisen folgen, schon beteiligt man sich an dem erinnerungsprojekt. eigentlich eine ganz gute idee, die dem vorwurf, das internet würde das gesellschaftliche gedächtnis abschaffen, entgegensteht. gleichzeitig bietet das internet viel raum für biografisches archivieren und zeitzeugen-materialien. es ist zu wünschen, dass der erste absurde weltkrieg nicht vergessen wird.

web 2.23 – „LIFE“-fotografie

so umstritten google ist, manchmal gibt es kooperationen, die einfach toll sind. so hat die „time-verlagsgruppe„, die archive der ehemaligen zeitschrift „life“ geöffnet und die vorhandenen fotografien zur verfügung gestellt.

„life“ wurde vor allen dingen bekannt für seinen reportage-fotografie und band viele berühmte fotografInnen seit anfang des letzten jahrhunderts an sich. jetzt steht all dies mit einer gesonderten suchfunktion zur verfügung.

an viele bilder mag man sich erinnern, da sie in anderen zusammenhängen auch in deutschland abgedruckt wurden und im gedächtnis hängen blieben. dazu kommt aber auch eine großzahl bis jetzt unveröffentlichter fotos. doch gerade im zusammenhang mit biografischem schreiben kann dieses archiv manche erinnerungen wachrufen. ansonsten lässt sich in hervorragender fotografie schwelgen. ein angebot, das einfach spaß macht und zeitgeschichte abbildet.

zu finden ist dies alles unter: http://images.google.com/hosted/life . achtung! die suchbegriffe müssen in englischer sprache eingegeben werden und zwar in das suchfenster auf der rechten seite der homepage.

zeitzeugengeschichte-homepage und lebensgeschichten

hier ist dann auch schon die erste seite, die dieses jahr einen grimme-online-award erhalten hat. dabei handelt es sich um eine seite, die aus interviews mit zeitzeugen besteht. vor allen dingen mit menschen, die das dritte reich miterlebt haben. das besondere an dieser seite ist, dass die interviews schülerInnen geführt haben und sie so bearbeitet haben, dass sie ins internet gestellt werden können.

dort sind sie nachzulesen, zu hören und weitere informationen zu bekommen. dieses projekt erscheint umso wertvoller, je weniger zeitzeugen aus dieser zeit noch leben. letztendlich waren auch die vielen verschiedenen zeitzeugenprojekte mit ein auslöser für die weitere etablierung des biografischen schreibens.

doch besonders sinnvoll finde ich, dass vor allen dingen junge menschen, menschen erleben, die unter ganz anderen lebensbedingungen aufgewachsen sind, vielfältige lebensgeschichten haben und davon erzählen. es ist noch einmal ganz anders ein buch über bestimmte lebensgeschichten zu lesen oder einer leibhaftigen person gegenüberzusitzen und von ihrem leben zu hören. bei solchen kontakten besteht auch immer die möglichkeit nachzufragen und zu diskutieren. sicherlich eine wunderbare ergänzung zum geschichtsunterricht. die homepage ist zu finden unter: http://www.zeitzeugengeschichte.de/

übrigens brachte in diesem zusammenhang die süddeutsche zeitung in ihrer letzten wochenendausgabe ein lange interview mit der schriftstellerin judith kerr, die berühmt wurde durch ihr buch „als hitler das rosa kaninchen stahl“. das buch ist sehr zu empfehlen, da es die erlebnisse eines mädchens in der zeit des dritten reiches schildert. judith kerr sagte, sie habe das buch auch für ihre kinder geschrieben, damit sie wüssten, was sie erlebt habe. der versuch ist gelungen und auch ein beispiel für biografisches schreiben.