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ein aufruf zum urheberrecht – kommentiert

schriftstellerInnen haben in der wochenzeitung „die zeit“ den aufruf „wir sind die urheber!“ zum schutz des urheberrechts gestartet. inzwischen fanden sich viele mitunterzeichnerInnen. hier der aufruf: http://www.wir-sind-die-urheber.de/ . in diesem aufruf wenden sich die schreiben gegen diebstahl und geiz im internet – sie möchten ihr geistiges eigentum schützen. das ist ein verständliches und sinnvolle anliegen.

aber! und dies ist ein groooßes „aber“, die begründungen für den schutz des eigenen geistigen eigentums und für die einhaltung des urheberrechts sind seltsam, wenn nicht sogar abstrus. da haben wir schon seit langem eine missachtung der kultur und des geistigen eigentums vor allen dingen durch die „verwerterInnen“. nur ein paar stichworte: tantiemen, bestsellerlisten, lektorat, verträge, übertragung der verwertungsrechte, verlagsgesellschaften, bürokratie, hörbücher, e-books …

faszinierend ist, dass in diesem aufruf nicht klarer position bezogen wird. man könnte mit solch einem aufruf diverses fordern:

  • angemessene entlohnung für geleistete geistige arbeit
  • zugang zur literatur und zu büchern für alle bürger des staates (nur wer geld hat, hat bei uns auch einen wirklichen zugang zu büchern)
  • ausbau der bibliotheken
  • veröffentlichungsmöglichkeiten für nicht abgesicherte schriftstellerInnen
  • überprüfung des verkaufsrankings
  • aufhebung von knebelverträgen
  • unterstützung von autorInnenverlagen
  • eindeutige positionierung zu monopolistischen strukturen im internet und verlagswesen

aber diese kuschelprosa gegenüber den „verwerterInnen“ und dem gesellschaftssystem wird mit großer wahrscheinlichkeit genau das gegenteil vom erhofften erreichen, denn nun haben wir es schwarz auf weiss: literaten verkaufen sich auf teufel komm raus. und plagiieren kommt anscheinend in den besten familien vor. hier verrutscht ein maßstab nach dem anderen. was ist denn nun diebstahl und was nicht? die grenzen sind längst nicht mehr so klar, wie es der aufruf suggerieren möchte. und der ausschluss ganzer bevölkerungsgruppen wird in kauf genommen (nicht ein wort zu den unveröffentlichten, zum geistigen ausschluss ganzer bevölkerungsgruppen). so bleibt das „gschmäckle“, hier will jemand nur seine pfründe sichern, sich aber keine gedanken über die entwicklung der gesellschaft machen. schade!

p.s.: man muss bei uns leider inzwischen gleichzeitig betonen, dass man, wenn man obiges schreibt, nicht dem diebstahl geistigen eigentums das wort redet – auch eine folge dieses verallgemeinernden aufrufs!

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web 2.0 und europa

groß angekündigt wurde sie, die neue kulturdatenbank der eu. sie sollte kunstschätze, literatur, biobliotheken, fotografien, zeitdokumente, archive und vieles mehr aus den eu-ländern bündeln und im laufe der zeit ein riesiges archiv der europäischen kultur werden. letzte woche war es dann soweit, die datenbank ging und online. und verschwand auch gleich wieder. der server war überlastet und schaffte die anfragen nicht (anscheinend 10 millionen in einer stunde).

nun, da hat jemand mal wieder die bürger unterschätzt. aber eigentlich hätte das klar sein müssen, wenn man sich anschaut, was an kulturellem inzwischen alles im netz präsentiert wird, wieviele blogs sich mit kulturellen themen beschäftigen und wie groß der kunstausstellungstourismus in europa ist. dazu kommen dann noch journalisten und neugierige ebenso wie menschen, die recherchieren wollen. nun, der andrang brachte das ding zum abstürzen.

jetzt bekommt man, wenn man http://www.europeana.eu aufruft den hinweis, dass sich die veröffentlichung der datenbank in den dezember verzögert und daran gearbeitet wird, ein stabileres system aufzubauen. wie machen das nur andere? wir schaffen zwar einen teilchenbeschleuniger, der den urknall mit hilfe eines rechnerverbundes über die ganze welt verstreut simulieren soll. aber wir schaffen es nicht eine kulturdatenbank angemessen auf die beine zu stellen. wenn man sich anschaut, wie wenig geld für diese datenbank zur verfügung gestellt wird, wird einem die geringe wertschätzung der kultur in politischen kreisen wieder bewusst.

und die europagegner ruft dieser absturz sofort auf den plan, da sie das dilemma auf diversen kommentarseiten an der eu-bürokratie festmachen. wie wäre es damit, wenn man schon nationalistisch denkt, sich an die eigene nase zu fassen. deutschland steuert bis jetzt extrem wenig zu dieser datenbank bei und schafft es bis heute auch nicht, bundesweit eine übergreifende bibliothekendatenbank auf die beine zu stellen. peinlich, peinlich, vielleicht hilft ein bisschen weniger geschrei und viel mehr geld. dann kann auch wissen von allen genutzt werden und das große interesse gefeiert werden ❗