Schlagwort-Archive: langeweile

nabelschau (67)

gentrifizierung ist überall. ein moderne, seltsamer begriff, der etwas beschreibt, das es schon immer gegeben hat. die schwierigkeit besteht darin, dass die doppeldeutig des begriffes inzwischen zu einem politikum wird. übersetzt heisst gentrification eigentlich „aufwertung“. und das kleine wörtchen „wert“ spielt die hauptrolle in diesem zusammenhang. denn es geht um die gerechtigkeit und verteilung in gesellschaften. ein beispiel:

einer der schönsten biergärten in berlin, am rand eines parks gelegen, seit jahrzehnten dort ansässig, ist im sommer treffpunkt von vielen menschen. der vorteil des gartens war es, dass er weit genug von wohnhäusern entfernt war und somit niemanden der rege betrieb bis in die tiefe nacht störte. in den letzten zwei jahren entstanden in der nähe des biergartens edle häuser mit penthouse- und loft-atmosphäre. der kenner konnte ahnen, was dies bedeutete. menschen mit viel geld platzierten sie in die nähe eines großen biergartens, da sie den ausblick von der anhöhe über die stadt schätzen.

vor ein paar tagen dann die erwartbare konsequenz: um 22.00 uhr wurden auf die bierbänke und tische an denen hunderte saßen kleine schildchen gestellt, auf denen stand, dass man sich nach 22.00 uhr bitte ruhig verhalten möge. es ist logisch, dass das nicht funktionieren kann. das ruhebedürfnis von vierzig oder fünfzig menschen wird über das soziale leben von hunderten gestellt, da man neben einen biergarten edelwohnungen stellen musste. über kurz oder lang wird der treffpunkt reglementiert und eingeschränkt werden. die „aufwertung“ führt zu „verdrängung“.

das wäre auch nicht so das problem, wenn es nicht weit entfernt, alternativen gäbe. doch dem ist nicht so. berlin ist ein schönes beispiel dafür, wie sukzessive eine innenstadt, eine mitte zu einem sterilen, langweiligen und muffigen ort wird. der potsdamer platz hat einen vorgeschmack gegeben. denn auf“wert“ung bedeutet geld. nur leider bedeutet geld heute einförmigkeit, langeweile und tristesse auf hohem niveau. ausgedrückt wird sich über wohnlage, design und autos. aber eben nicht mehr über lebenäußerungen, soziales miteinander und kreativität. es entstehen austauschbare zentren der sterilität und bewachungen.

wie schon geschrieben, das hat es schon immer gegeben. aber es offenbart sich inzwischen krasser, die kontraste werden immer größer, die finanzielle schere klafft weiter auseinander. inzwischen kann jeder die gesellschaftliche ungerechtigkeit sehen. und das macht menschen zweifelnd, lässt machtverhältnisse in frage stellen. unzufrieden sind alle, sowohl die an den rand gedrängten der gesellschaft, als auch die housekeeping-verwahrten in den zentren. seltsam, dass dies kaum jemand ändern möchte, sondern alle auf eskalationen warten.

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schreibidee (295)

graues wetter, kühl, schauer, viel wind. die bücher sind gelesen, die zu kaufenden dinge besorgt, das fernsehprogramm bietet nichts, im internet hat man auch schon genug gesurft, für freizeitsport ist das wetter zu schlecht. kurz geschrieben: die situation ist öde. sie ist eine mischung aus langeweile, überdruss und antriebslosigkeit. da wäre es mal den versuch wert, dieses gefühlt sowohl in eine geschichte zu übertragen als auch bei den leserInnen auszulösen. somit eine schreibanregung zu „öden geschichten„.

normalerweise möchten sich schreibende selber ausdrücken als auch meist die leserInnen unterhalten, binden und in spannung versetzen. darum käme man kaum auf die idee, öde geschichten zu schreiben, ist also nicht geübt darin. aber diese geschichten sind eine schöne fingerübung für das schreiben. darum notieren die schreibgruppenteilnehmerInnen als erstes auf maximal einer seite, wann sie eine geschichte öde finden. was macht für sie einen text trist und langeweilig? diese kurze beschreibung wird in der schreibgruppe vorgelesen, um für die anderen eine anregung zu sein.

dann wir ein cluster erstellt zu dem begriff „öde handlung“. was sind das für handlungen, die einen vollständig anöden? sollte teilnehmerInnen dazu nichts einfallen, können sie sich vielleicht daran erinnern, welche fernsehsendungen oder welche webseiten sie unglaublich langweilig fanden. nach dem cluster wird eine kurze öde geschichte geschrieben, die maximal drei seiten lang sein sollte. ist die geschichte fertig, wird sie dieses mal nicht vorgetragen, sondern an andere schreibgruppenteilnehmerInnen weitergereicht.

die alle schreibgruppenteilnehmerInnen schreiben dieses mal ein schriftliches feedback dazu, was die ihnen vorliegende geschichte noch öder machen könnte. sie können stellen auf denen ihnen vorliegenden zetteln markieren und dazu stichwortartig kommentare schreiben oder einen zusammenhängenden text, der die alternative aufzeigt. die zettel werden zurückgegeben und der text wird von den verfasserInnnen überarbeitet. dabei kann die story ruhig länger werden, es können wiederholungen eingebaut werden und dergleichen mehr, denn ödnis entsteht auch durch länge und zähigkeit. kenne sie die witze, die einen unglaublich langen vorlauf haben, da kommt zumindest noch ein pointe. doch lassen sie diese weg, wird es eine öde geschichte.

sollte genug zeit vorhanden sein, kann die geschichte noch einmal an andere schreibgruppenteilnehmerInnen weitergereicht werden, die abermals ein schriftliches feedback verfassen. die geschichte wird noch einmal überarbeitet und noch öder gemacht. bevor dann die abschliessende lese- und feedbackrunde durchgeführt wird, sollten alle schreibenden noch eine selbstreflexion über das schreiben öder geschichten von maximal einer seite länge schreiben. wie war es, etwas zu schreiben, das man gar nicht schreiben möchte, also all die fehler bewusst zu begehen, die man sonst beim schreiben vermeiden möchte? die selbstreflexionen werden nicht vorgelesen, aber die geschichten und es findet eine feedbackrunde statt.

liste (30) – saftig

wer lust hat, kann sich diese seite ausdrucken und ausfüllen. ich schlage listen vor, die einem vielleicht einen überblick zu verschiedenen themen der eigenen lebensgeschichte geben können. dieses mal geht es um „saftiges„.

die fünf saftigsten momente meines lebens:

die fünf trockensten momente meines lebens:

saftige momente, die ich auf alle fälle noch erleben möchte:

meine drei lieblingssäfte:

biografisches schreiben und tristesse

 

menschen gehen in der öffentlichkeit gern davon aus, dass sie wichtig sind, dass sie beachtung verdienen und dass sie tolle leistungen erbringen. davon gehen sie zumindest (oft in strategischem verhalten) anderen gegenüber aus. doch kaum werden sie dazu eingeladen, über sich selbst zu schreiben, etwas aus ihrem leben zu erzählen, da formulieren sie, dass sie nichts besonderes erleben, dass ihr alltag langweilig sei und alles ein wenig trist.

dann kommt man mit diesen menschen langsam ins gespräch und es zeigt sich, sie haben wahnsinnig viel im laufe ihres lebens erlebt. sie sind voller geschichten, die, einmal angezapft, nur so aus ihnen hervorsprudeln. doch auch im verlauf des gesprächs gehen sie davon aus, dass ihre geschichten niemanden interessieren wird. nun kann man niemanden zwingen, seine geschichte zu veröffentlichen oder für sich selbst zu notieren. aber man kann eindeutig interesse zeigen, das nicht gespielt werden muss.

und man kann etwas anderes vermitteln, vor allen dingen auch durch das biografische schreiben, den blick auf das eigene leben und den eigenen alltag zu verändern. genauer hinzusehen, was stündlich passiert, was man erlebt, was sich auf der straße zuträgt. es wird nicht lang dauern, bis menschen erkennen, wie randvoll die welt von geschichten ist. Weiterlesen