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mein computer und ich – eine umgangslehre (21)

denken

viel aufhebens wird zur zeit darum gemacht, wie der computer und vor allen dingen das internet unser denken verändern. es wird gemessen, getestet und experimentiert, um zu dem schluss zu kommen, dass unser denken sich verändert. teilweise soll die aufmerksamkeitszeitspanne reduziert werden, es soll sich die visuelle wahrnehmung verändern und vieles mehr. dies könnte man so stehen lassen, wenn da nicht eine gesellschaftliche und kulturelle bewertung mit den ergebnissen verknüpft würde. und plötzlich gibt es gut oder schlecht.

es ist schlechter, tag und nacht vor dem computer zu sitzen, als tag und nacht vor dem fernseher zu sitzen oder tag und nacht bücher zu lesen. warum? man könnte auch anders herum argumentieren. im gegensatz zu fernseher und buch ist der computer die viel aktivere variante. bei büchern und glotze wird nur passiv konsumiert, beim computer wird aktiver einsatz verlangt. gut, man kann darüber streiten wie wertvoll ego-shooter-programme sind, aber dass soziale netzwerke eventuell mehr kompetenzen von den usern einfordern als gerichtsshows oder soaps im tv dürfte außer frage stehen.

es ist davon auszugehen, dass jede technische oder kulturelle neuerung unser denken verändert. die entdeckung des feuermachens gab unserer entwicklung einen schub, ebenso die fähigkeit, werkzeuge herzustellen. säge, axt und bäume befähigen uns, den winter anders verbringen zu können, als in der zeit davor. wir müssen uns nicht mehr ständig damit beschäftigen, welches die beste höhle zum überwintern ist, wir können unsere gedanken für anderes verwenden. und die aufmerksamkeit für die abläufe der natur reduzierte sich enorm mit der einführung des wetterberichts 😉

die lebensqualitäten und natürlich auch das denken, veränderten sich zu zeiten der industriellen revolution. und auch damals schon wurden die diskurse über die veränderung auf eine emotional-persönliche ebene verschoben. es wurde nicht darüber diskutiert, wie sich die neuen werkzeuge für alle sinnvoll und human einsetzen lassen, sondern es wurde darüber diskutiert, wer unter welchen gesichtspunkten für welche werkzeuge geeignet ist. die psychotechnik kam auf.

und seien wir mal ehrlich – es ging nie darum, was kann die technik dem menschen gutes tun, sondern es ging darum, wie lassen sich effizienz, leistung und produktion steigern. menschen wurden immer dann bedrohlich für die gesellschaft, wenn sie versuchten sich ihr zu entziehen. der computer bietet manchen menschen eine möglichkeit sich der gesellschaft und ihren anforderungen zu entziehen. in diesem moment wird die wissenschaft herangezogen, um den diskurs über die veränderung des denkens in ein bedrohliches szenario kippen zu lassen. Weiterlesen

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nabelschau (38)

das erbe helmut kohls. nach beinahe 30 jahren zeigen sich die folgen des beständigen „intellektuellen-bashing“ durch den damaligen bundeskanzler. immer wieder betonten er und etliche seiner nachfolger, wie lästig ihm wissenschaftliche und intellektuelle diskurse sind. das kam schon damals der demontage von wissenschaft (bevorzugt von geisteswissenschaft) nahe.

es ist paradox, dass auf der einen seite die förderung der bildungselite propagiert wird, dass wir auf exellente wissenschaft als zukünftigen motor unserer gesellschaft eingeschworen werden, und auf der anderen seite das faken einer doktorarbeit durch einen minister als kavaliersdelikt angesehen wird. nun ist er zurückgetreten nach wochen der gleichgültigkeit, der ausreden und des betonens aller anderen leistungen.

alle menschen erbringen in dieser gesellschaft immer wieder leistungen. oft leistungen, die über das hinausgehen, was sie bis dahin vollbracht haben. immer mehr eltern schwören ihre kinder schon in der kita auf das leistungsprinzip ein. und dann wird ihnen erklärt, dass das alles gar nicht so wichtig ist, dass man solche abschlüsse und regeln nicht zu ernst nehmen sollte.

gut, man kann der meinung sein, dass unser wissenschaftsbetrieb auch ein fantasieloser, dem mainstream und der wirtschaftlichen verwertbarkeit verhafteter ist. dass inzwischen so viele einen doktortitel tragen, dass er immer mehr an bedeutung verliert. aber man kann den menschen nicht ihre bemühungen absprechen. man sollte endlich in dieser komplexen welt wieder dahin zurückkehren, dass man komplexe gedanken und diskurse benötigt.

gleichzeitig sollte man aber auch dahin gelangen, dass alle leistungen der menschen anerkannt werden. der eine mag sie im wissenschaftlichen betrieb erbringen, der andere bei der erziehung seiner kinder. aber vom verhalten der frau merkel und des herrn guttenberg geht eine ganz andere botschaft aus: ihr könnt euch noch so anstrengen, wenn ihr nicht zur richtigen pressure group gehört, dann bringt euch das alles nichts. und ein großteil der bevölkerung heisst dies auch noch gut. wahrscheinlich wäre es wieder an der zeit einen könig oder eine königin zu krönen.

biografisches schreiben und leistungsprinzip

menschen finden sich im laufe ihres lebens meist an einem punkt wieder, an dem sie sich fragen, für wen sie eigentlich die ganzen mühen auf sich nehmen. dieser gedanke kann sich in verschiedenen momenten bemerkbar machen. zum beispiel, wenn für die eigene leistung keine anerkennung von außen gegeben wird, wenn man sein leben lang geschuftet hat und am schluss kaum rente übrig bleibt, wenn die kinder aus dem haus sind und signalisieren, dass sie ihr elternhaus nicht sehr schätzen oder wenn der körper bei all dem stress nicht mehr mitmacht.

diese krisenhafte überlegung hat meist einen längeren vorlauf und basiert auf der vorgabe, sich in einer leistungsgesellschaft zu befinden. der gegenentwurf ist im „aussteigen“ zu finden, in brüchen, die zu radikalem umdenken geführt haben und plötzlich das genießen der „früchte der arbeit“ erlauben.

beim aufschlüsseln der eigenen lebensgeschichte und ihrer konzepte lohnt es sich, einmal einen blick darauf zu werfen, wieweit man ein leistungsprinzip umgesetzt hat und diesem gefolgt ist. dazu kann man eine leistungskurve entlang des lebensalters für das eigene leben aufzeichnen. zum beispiel lassen sich in dieser kurve die zeitpunkte verzeichnen, an denen man überdurchschnittlich leistungsbereit war und die punkte, die einen obige frage nach dem sinn des ganzen stellen ließen. zudem wären noch die momente zu verzeichnen, an denen man sich den leistungsanforderungen entzogen hat oder ihnen entzogen wurde (z.b. durch krankheit).

wenn man nun seine eigene leistungsbilanz betrachtet, dann könnte man im anschluss ein resümee in form des freewriting verfassen. auf welcher seite der waagschale möchte man sich befinden. auf der seite der beständigen steigerung des eigenen potentials oder auf der seite des durchatmens und innehaltens? wieweit wurde man von dem wunsch nach anerkennung angetrieben, immer mehr leistung zu bringen? und hat man die anerkennung bekommen, die man sich immer erwünschte? dieses resümee kann viele hinweise auf die entwicklung der eigenen biografie geben und vielleicht das biografische schreiben mit persönlichen einsichten unterfüttern.

schule und das leistungsprinzip

seit den pisa-studien versucht das land in den bildungsinstitutionen ein leistungsprinzip zu verankern, das jegliche pädagogischen anstrengungen lernen könne spaß machen. wer in berlin mitbekommt, wie lang inzwischen schülerInnen am tag in die schule gehen müssen  und wieviel hausaufgaben sie dann noch bekommen, fragt sich, ob sie überhaupt noch spielen und freizeit haben. es spricht nichts gegen ganztagsschulen, nur müssen sie durch die bank auf eine bestimmte form des lernens ausgerichtet sein?

ähnlich konkurrierend geht es in den anschleißenden aus- und fortbildungen und in den universitäten weiter. „elite“ und „exzellenz“ sind die stichworte, die im laufe der zeit begriffe wie „leben“ und „kreativität“ an den rand drängen. der junge mensch hat leistung zu bringen, damit er akzeptiert wird. schaut man sich die eltern der jungen menschen an, dann sorgen sie sich um die zukunft ihrer kinder und tun alles, damit die lieben kleinen dem leistungsprinzip folgen können. bietet die staatliche schule zu wenig, geht es an die private oder man unterrichtet gleich zuhause. selten geschieht das noch unter dem gesichtspunkt, welche bedürfnisse die kinder haben, sondern unter dem label, hauptsache sie haben bestand in der konkurrenz.

werbung ist immer ein ausdruck gesellschaftlicher verhältnisse. so verwundert es nicht, dass die buchhandlung „hugendubel“ eine werbebroschüre unter dem titel „fit für die schule – die besten lernhilfen“ verbreitet. ein blick in das heftchen konfrontiert einen mit seitenüberschriften, die einen frieren lassen ob der pädagogischen zumutungen, die anscheinend werbewirksam sind. so lauten die werbebotschaften:

„aller anfang ist leicht!“

„lesen macht schule!“

„übung macht den meister!“

„eine klasse für sich!“

„wissen macht stark!“

„gut getestet ist halb bestanden!“

„fitness für den kopf!“

„ein kurztest für jeden tag!“

„alleskönner für jeden fall!“

„wer´s versteht, lernt leichter!“

„vokabeln und mehr!“

„ein fach, eine klasse, ein band!“

„direkt zum erfolg!“

„können, was kommt!“

„auf alles vorbereitet!“

noch fragen? man beachte die ausrufezeichen. die welt kann so einfach sein, wenn man den anforderungen nur widerstandsfrei folgt 😯