Schlagwort-Archive: nabelschau

nabelschau (70)

die stadt, die sich nicht an ihre eigenen verordnungen hält. berlin ist schon speziell. zum einen ist es eine hoch moralische stadt, die in allen bereichen ein gutes auskommen der menschen miteinander fördern möchte, die auf projekte, kampagnen und aufrufe setzt. zum anderen schlägt aber immer wieder die preussische königs- und gutsmentalität durch, nach dem motto „das war schon immer so und letztendlich haben wir das sagen“. ob im sozialen bereich, in der bildungspolitik oder auch beim neuen flughafen: berlin beschäftigt die gerichte.

erst einmal wird dem bürger möglichst viel verweigert oder nicht zugestanden, obwohl die gesetzeslage ein anderes bild abgibt. also ist der bürger gezwungen, sein recht beim gericht einzufordern. dies macht nur ein teil der bürger, also hat berlin schon einmal gespart. so war der schallschutz der anwohner des neuen flughafens unzureichend umgesetzt worden. jetzt wurde ein urteil gefällt, das berlin zu einer sehr teuren nachrüstung auffordert. doch auch dazu erklärt die stadt schon, sie werde wohl nur einen teil der forderungen umsetzen. also gehen die gerichtsverhandlungen in die nächste runde.

sogar bei den kleinen aspekten der alltags schafft die stadt es regelmäßig, ihre bürger zu erzürnen. da gibt es zum beispiel eine rasenmäherverordnung, die den bürger auffordert, nur noch leise rasenmäher zu verwenden. eine gute entscheidung. werden aber öffentliche flächen gemäht und gepflegt, bekommt jeder mensch das gefühl, eine kompagnie von panzern sei in die strasse oder in den park eingefallen. dies natürlich auch gern am frühen morgen, obwohl die stadt damit wirbt, dass sie nie schläft, also auch eine menge menschen nachts arbeiten müssen. die dezibelwerte der städtischen schneidegeräte überschreiten mit garantie jeden grenzwert. gern wird argumentiert, dass es keine anderen geräte für das teilweise hohe gras gebe. das stimmt überhaupt nicht. manche mäher sind nur so laut, weil die leisen nicht gekauft werden.

eine stadt mit so viel grünfläche könnte ohne probleme in größerer stückzahl im laufe der zeit auf leisere mäher umstellen. aber berlin macht dies einfach nicht. und begeht somit täglich ordnungswidrigkeiten, die die ordnungsämter jedoch nicht ahnden. denn das grünflächenamt hat schon immer so gemäht, warum sollte es inzwischen anders mähen. aber eine veränderung hat es gegeben, die mitarbeiter an den mähern, laub- und hundekotsaugern, die tragen inzwischen ohrschützer. wahrscheinlich müsste man erst wieder ein gericht beschäftigen, das dann ohrschützer für alle bürger auf der strasse und bürger, die ihre fenster im sommer geöffnet haben, vorschreibt. das kann teuer werden 😉 be berlin: wo kein kläger da kein lärmschutz, keine sozialleistungen, keine veränderung.

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nabelschau (68)

seltsame diskurse – oder was verloren ging. es scheint, in den letzten jahrzehnten ist so manches im politischen und wissenschaftlichen diskurs verloren gegangen, das erst mühsam reaktiviert werden muss – was für eine zeitverschwendung. ob es diskussionen über die energiewende, über unser wirtschaftssystem, über rechte gewalt, über die arbeitswelt, über die folgen von multitasking, stress und burn-out oder über die folgen von lärm sind, alles war schon einmal da, alles ist schon erforscht, diskutiert und belegt. und komischerweise fangen wir heute wieder bei null an.

nein, komisch ist es eigentlich nicht. es ist die logische folge aus einer politik und wissenschaftspolitik, die etliche diskurse und forschungen lang an den rand drängen, nicht finanzieren, als gesellschaftsschädigend kompromittieren und runterspielen konnte. wie immer, lag es eigentlich nur am geld. die schwerpunkte für forschung und wissenschaft wurden verlagert und herrschaftskonformer gestaltet. faszinierend auch, dass sich vieles nicht überlebt hat, sondern momentan immer drängender in den vordergrund rückt.

nur, wieso wieder von vorn anfangen? kann man nicht einfach mal nachschlagen, welche konsequenzen vor jahrzehnten aus den diskursen heraus vorgeschlagen wurden. ein beispiel: schon vor drei jahrzehnten wurde die dezentralisierung der energieproduktion diskutiert, wurden alternative konzepte entwickelt, wurden die kosten in reale verhältnisse gesetzt, indem die langzeitkosten der jeweiligen energieproduktion berücksichtigt wurden (und somit auch die endlagerung eingerechnet wurde). der schluss war eindeutig: alternative energien rechnen sich.

und heute? wir fangen bei null an. auf der einen seite wird die energiewende propagiert, aber bei der diskussion darüber wird schon wieder auf großprojekte gesetzt, dieses mal sind es größenwahnsinnige windparks in der nordsee. und um den strom ins land zu bekommen bedarf es natürlich sofort weiterer stromleitungen, die dann auch noch überirdisch verlaufen, obwohl deren energieverlust enorm ist. und um erst gar keine weiteren diskussionen aufkommen zu lassen, werden wir momentan gebetsmühlenartig darauf vorbereitet, dass eine energiewende natürlich viel geld kostet, die sich im strompreis niederschlägt.

hier wird abermals der bürger für dumm verkauft (und sprachlich eingeschworen). wenn wir es so haben wollen, dann sollten wir auch dafür zahlen. um ein wenig verschwörungstheoretisches futter zu geben: Weiterlesen

biografisches schreiben und unsicherheit

schon als jugendlicher ahnte man, dass die erwachsenen längst nicht so selbstsicher sind, wie sie einem glauben machen wollten. nach außen stellten sich viele als menschen mit klaren vorstellungen, prinzipien und werten dar. doch kratzte man ein wenig an der fassade, dann offenbarten sich unsicherheit, angst und zweifel. nun braucht jeder erwachsene mensch nur sich selbst anzuschauen, sich selbst zu befragen und schnell findet man die momente, in denen man sich überhaupt nicht sicher ist oder war.

wie wäre es, einmal einen blick hinter die eigene fassade zu werfen? wie weit klaffen bei ihnen die außendarstellung und die innere verfassung auseinander? ist es nicht ein seltsames gesellschaftliches phänomen, dass die inszenierung des selbst vor allen dingen die unsicherheiten überdecken soll? warum nur? es ist doch etwas sehr menschliches, dass man nicht jede entscheidung, die man trifft, hundertprozentig für richtig hält. es gibt so viele überraschungen, zufälle und nicht absehbare folgen, dass man gar nicht sicher sein kann, dass die entscheidung richtig war.

doch es schwirrt ein kodex bei uns herum, der von uns in der außendarstellung verlangt, stete sicherheit auszustrahlen. und so halten wir daran fest, dass der flughafen rechtzeitig eröffnet wird. jeder, der uns nach zweifeln fragt bekommt eine klare antwort – der zeitplan wird eingehalten. die renten sind sicher – die banken sind stabil – der klimawandel kann gestoppt werden – … skurril, da wir damit erst schwierigkeiten verursachen, die uns noch unsicherer werden lassen. klar, wir müssen wieder und wieder entscheidungen treffen und wir sollten uns relativ sicher dabei sein. aber was wäre so schlimm, wenn man seine unsicherheit durchschimmern lassen würde?

und hier sind wir alle an der reihe beim biografischen schreiben: wie viele schwierigkeiten haben wir uns dadurch bereitet, dass wir unsere unsicherheit verborgen haben? das fängt bei beziehungen an und endet im berufsleben. wie oft verlangten menschen von uns eine klarheit, die wir gar nicht ins uns tragen? wie oft wurde uns übel genommen, dass wir unsere meinung noch einmal änderten? und wie haben wir darauf reagiert? vielleicht waren die selbstsicheren momente in unserem leben die, in denen wir Weiterlesen

nabelschau (67)

gentrifizierung ist überall. ein moderne, seltsamer begriff, der etwas beschreibt, das es schon immer gegeben hat. die schwierigkeit besteht darin, dass die doppeldeutig des begriffes inzwischen zu einem politikum wird. übersetzt heisst gentrification eigentlich „aufwertung“. und das kleine wörtchen „wert“ spielt die hauptrolle in diesem zusammenhang. denn es geht um die gerechtigkeit und verteilung in gesellschaften. ein beispiel:

einer der schönsten biergärten in berlin, am rand eines parks gelegen, seit jahrzehnten dort ansässig, ist im sommer treffpunkt von vielen menschen. der vorteil des gartens war es, dass er weit genug von wohnhäusern entfernt war und somit niemanden der rege betrieb bis in die tiefe nacht störte. in den letzten zwei jahren entstanden in der nähe des biergartens edle häuser mit penthouse- und loft-atmosphäre. der kenner konnte ahnen, was dies bedeutete. menschen mit viel geld platzierten sie in die nähe eines großen biergartens, da sie den ausblick von der anhöhe über die stadt schätzen.

vor ein paar tagen dann die erwartbare konsequenz: um 22.00 uhr wurden auf die bierbänke und tische an denen hunderte saßen kleine schildchen gestellt, auf denen stand, dass man sich nach 22.00 uhr bitte ruhig verhalten möge. es ist logisch, dass das nicht funktionieren kann. das ruhebedürfnis von vierzig oder fünfzig menschen wird über das soziale leben von hunderten gestellt, da man neben einen biergarten edelwohnungen stellen musste. über kurz oder lang wird der treffpunkt reglementiert und eingeschränkt werden. die „aufwertung“ führt zu „verdrängung“.

das wäre auch nicht so das problem, wenn es nicht weit entfernt, alternativen gäbe. doch dem ist nicht so. berlin ist ein schönes beispiel dafür, wie sukzessive eine innenstadt, eine mitte zu einem sterilen, langweiligen und muffigen ort wird. der potsdamer platz hat einen vorgeschmack gegeben. denn auf“wert“ung bedeutet geld. nur leider bedeutet geld heute einförmigkeit, langeweile und tristesse auf hohem niveau. ausgedrückt wird sich über wohnlage, design und autos. aber eben nicht mehr über lebenäußerungen, soziales miteinander und kreativität. es entstehen austauschbare zentren der sterilität und bewachungen.

wie schon geschrieben, das hat es schon immer gegeben. aber es offenbart sich inzwischen krasser, die kontraste werden immer größer, die finanzielle schere klafft weiter auseinander. inzwischen kann jeder die gesellschaftliche ungerechtigkeit sehen. und das macht menschen zweifelnd, lässt machtverhältnisse in frage stellen. unzufrieden sind alle, sowohl die an den rand gedrängten der gesellschaft, als auch die housekeeping-verwahrten in den zentren. seltsam, dass dies kaum jemand ändern möchte, sondern alle auf eskalationen warten.

schreibpädagogik und bürokratie

der mensch ist ein aufreger. gern regt man sich entweder über mitmenschen oder über institutionen auf und teilt dies anderen menschen mit. diese grundlagen der kommunikation werden nur noch von den berichten über persönliche krankheiten und von der wetterlage übertroffen. in schreibgruppen kann man diesen mitteilungsbedarf aufgreifen.

so kann man sich den erlebnissen mit bürokratischen abläufen oder in service-wüsten mit schreibanregungen zuwenden. was haben die teilnehmerInnen jeweils erlebt? lässt sich dies in geschichten packen? (so hat zum beispiel die süddeutsche zeitung das thema aufgegriffen und eine extra-homepage zu zugverspätungen eingerichtet. siehe: http://www.sueddeutsche.de/thema/Bahn-Verspätungen .) man kann dem amt-wutbürger spielraum für seine frustrationen und ohnmacht geben.

ein wenig besteht die gefahr, dass sich die stimmung in allgemeinen empörungen hochschaukelt, und für die hinter den abläufen steckenden menschen kein verständnis mehr besteht. darum sollte man beim thema „bürokratie“ mit schreibgruppen ruhig auch mal einen perspektivwechsel vornehmen. wie würde man selber auf menschen reagieren, die schon von anfang an mit schlechter laune Weiterlesen

nabelschau (63)

tag-und-nacht-gleiche. ausgewogen sollten die gewichte sein, wie die tag-und-nacht-gleiche. hell und dunkel sollten gleich lang andauern, je nach vorliebe wäre für jeden genauso viel dabei. zum frühlings- und zum herbstanfang ist dies der fall. leider nicht zu allen anderen jahreszeiten. leider auch sonst nicht in unserem restlichen leben. es gibt keine zeitliche und keine bedingungsgerechtigkeit. das problem abseits der natur besteht aber darin, dass wir die ungleichheit selbst produzieren. wir werten auf und werten ab – und was noch schlimmer ist, wir ignorieren diese ungerechtigkeit.

es ist nicht mehr zu verstehen, weshalb die trauerfeier um kinder, die in einem bus gestorben sind, der gegen eine tunnelwand raste in den hauptnachrichten staatlicher sender platz findet, aber die trauerfeiern für die kinder, die täglich in afrika verhungern nicht einmal gezeigt werden. so schlimm der unfall im tunnel ist, so schlimm das erlebte für belgische eltern ist, so unklar ist die gewichtung. gut, die geographische nähe ist ein unterstützender faktor, das zugpferd katastrophe sicherlich auch.

aber der alltag in afrika ist auch ein katastrophe, die leider täglich stattfindet. und wir tun immer noch so, wie wenn wir nicht daran beteiligt wären. wir gewichten also das leid und die kinder (ja, es wird auch das label „kind“ in diesem zusammenhang für die meldung genutzt) verschieden. es ist zu vermuten, dass sich „ohnmacht“ – nämlich ein unfall – besser verkauft, als schlechtes gewissen. darum wird wohl die rede einer schwester eines opfers zur hauptsendezeit verbreitet. wir bilden aber nicht (oder fairer weise sollte ich schreiben „kaum“) die ohnmacht einer mutter ab, die ihr kind verhungern lassen muss.

da mag es mancher „unerträglich moralisierend“ finden, was hier steht. aber es scheint mir interessant, weshalb so gewichtet wird. die distanz allein kann es nicht sein. schon die zahl der opfer in afrika spricht gegen die alleinige distanz. es scheint, hier wird der bildungs- und informationsauftrag öffentlich-rechtlicher anstalten absichtlich missverstanden. es geht um die quote! zum bildungsauftrag gehört auch, unbequemes zu thematisieren. aber eine der begründungen für manches infotainment ist: die menschen wollen nicht immer nur schlimme nachrichten vernehmen.

doch tod ist tod – ein mensch wird aus dem leben gerissen. andere menschen werden ihn vermissen, sie trauern. aber es gibt hier eine schräge sichtweise. der tod in belgien ist wichtiger als der tod in afrika. und wenn man genau hinhört, dann schwingt in vielen berichten auch die unterscheidung von unverschuldet und selbst verschuldet mit. die erwähnung von bürgerkriegen wird im zusammenhang mit einer hungersnot sehr gern gebracht. wie wenn der klimawandel und die trockenheit nicht vor allen dingen von uns mitverursacht werden. manchmal wünscht man sich in den nachrichten eine tag-und-nacht-gleiche so zum an die eigene nase fassen. und dann vielleicht wenigstens, allerwenigstens den co2-ausstoss zu verringern.

vier jahre schreibschrift-blog und die rubriken

im laufe der zeit sammelten sich rubriken an, die nicht weniger werden, sondern weiter anwachsen:

352 schreibideen

169 biografisches schreiben und …

160 kreatives schreiben und …

157 selbstbefragungen

143 schreibpädagogik und …

115 schickschnacks

105 web 2.0 und …

101 listen

101 wortklaubereien

085 web 2.xy – webtipps

083 buchtipps

062 nabelschauen

054 schreibberatung und …

025 schreibaufgaben

025 wissenschaftliches schreiben und …

013 umgangslehren zum computer

010 tipps zur schreibgruppen-gründung

und schon jetzt kann ich ankündigen, dass bald eine rubrik eröffnet wird, die sich mit der verhinderung des schreibens beschäftigt.

die rubriken „xy und …“ sind noch einmal gesondert hier aufgelistet: https://schreibschrift.wordpress.com/suchhilfe-fur-den-blog/ (die kombinationen in die suchfunktion des blogs eingeben und schon findet sich der passende artikel)

viel spaß beim lesen

christof zirkel

nabelschau (60)

macht mich nicht nass! wasser wurde hier meist so lieblich dargestellt, wie wenn es kaum ein wässerchen trüben könnte. doch in erster linie macht es nass – von innen und von außen. und nass möchte man nur werden, wenn man es eingeplant hat. geht einem aber im rucksack mit unterlagen die wasserflasche auf oder gerät auf dem weg zum abendlichen date in einen regenschauer, dann hat es sich schnell mit der gutmütigkeit der menschen und des wetters.

doch noch einen schritt weiter: dieses schlichte, klare element kann häuser wegtragen, hänge zum rutschen bringen, deiche aufweichen und sich in jeder ecke stauen. da kommt es erst als kleines rinnsal aus der wand und in kurzer zeit verursacht es einen gehörigen wasserschaden. das wasser dürfte in vielen bereichen ruhig ein wenig dezenter auftreten. die schwierigkeit besteht darin, dass dies nicht nur in der hand des wassers liegt, sondern der mensch fleissig daran arbeitet, dass rinnsale zu reissenden fluten werden.

und so langsam kommen die menschen nicht mehr damit hinterher, die schäden des wassers zu reparieren, schon tauchen die nächsten auf. da klingt es zwar verlockend, wenn der meeresstrand der eigenen haustür näher rückt, aber gleichzeitig muss man beständig damit rechnen, nasse füsse zu bekommen oder gleich mit allem hab und gut weggeschwemmt zu werden. und es spielt keine rolle mehr, ob man am berg oder im tal lebt.

schon die römer versuchten das wasser für sich zu nutzen, für sich arbeiten zu lassen, aber sie machten es noch dezent. heute werden ganze landstriche überschwemmt, menschen vertrieben, es wird gestaut und versiegelt, kanalisiert und begradigt. anscheinend ist wasser so verführerisch für allmachtsfantasien, da es so klar, schlicht und tröpfelnd daherkommt. dabei können schon tropfen genügen, um den menschen zu foltern. manchmal scheint es, wie wenn in der wasserwelt das kind schon in den brunnen gefallen wäre.

die menschen finden in vielen regionen kein wasser mehr, das sie noch trinken können, in anderen ertrinken sie darin. das mittelmaß ist verloren gegangen. und was fällt den menschen ein: der vertrieb in plastflaschen, ein umkämpfter markt, um nicht krankheiten und gleichzeitig medikamentencocktails mit dem trinkwasser aufzunehmen. plötzlich erscheint einem ein sommerlicher platzregen als paradies in der wasserwelt. die natur darf mich nass machen, aber die gesellschaft sollte die finger davon lassen, da werd ich nur stinkig.

nabelschau (56)

wie die demokratie sich selbst abschafft! es ist wirklich spannend, was gerade in verschiedenen ländern europas passiert. letztendlich findet ein politischer offenbarungseid statt, der unsäglicher nicht sein kann. da wird in italien eine regierung eingesetzt, die vor allen dingen betont, dass sie ohne politiker auskommt. die begründung: das regieren würde dadurch unkomplizierter.

damit einher geht aber eine gnadenlose abschaffung des diskurses. und das schlimmste, das heissen auch noch alle gut. die gewählten volksvertreterInnen begrüßen den schritt in italien. dafür kann es nur zwei gründe geben: entweder hat politik die schnauze voll, diskurse zu führen und meinungen zu vertreten, oder politik fühlt sich ohnmächtig ob der übermacht des kapitals.

das absurdeste an dieser entwicklung ist, dass jetzt (auch in griechenland) experten eingesetzt werden, die aus der branche kommen, die die ganze misere mit eingebrockt hat. so wird in italien jemand minister, der mal chef eines großen bankhauses war und in griechenland wird jemand regierungschef, der einen hohen posten bei der europäischen zentralbank hatte. es schleicht sich das gefühl ein, dass hier böcke zu gärtnern gemacht werden.

beschrieben wird diese entwicklung schon etliche jahre: regierungen werden immer mehr zu den sachwaltern des kapitalismus, letztendlich zu bankiers und spekulanten, und sie geben ihre eigentlich rolle, die vertretung der gesellschaft und die regelung des sozialen miteinanders, auf.

wie konnte das geschehen? seit ungefähr 20 jahren werden die aktuelle mehrwertschöpung und der geldverkehr, wie sie bei uns stattfinden, noch naturgegebener betrachtet als die jahre vorher. und ab diesem moment entstand der zwang, auf gedeih und verderb das system aufrecht zu erhalten. die verwunderung darüber, dass die kluft zwischen arm und reich Weiterlesen

nabelschau (54)

wie politik am rolli scheitert. der rollstuhl ist eine möglichkeit für menschen, die aus körperlichen gründen schwierigkeiten mit der fusslichen fortbewegung haben, die rollende fortbewegung zu nutzen. mit manchen rollstühlen kann man beinahe ebenso überall hinkommen wie ohne rollstuhl – nur nicht in den bundestag. da wird die körperliche verfassung zum hinderungsgrund, an der politik des landes teilzuhaben.

ja, es ist ein langer weg, gebäude rollstuhlgerecht zu gestalten, und manchmal mag es auch kaum möglich sein (aus finanziellen gründen im privaten bereich). aber es hat sich in den letzten jahren einiges getan. doch die veränderungen des öffentlichen lebens gehen immer noch schleppend voran. nun sollte wohl darüber und über andere themen mit rollstuhlfahrerInnen im bundestag diskutiert werden. man rechnete mit wenigen anmeldungen zur diskussion (sind ja rollstuhlfahrer ;-)). doch da der rolli menschen mobil macht, wünschten 100 menschen, an der diskussion teilzunehmen, allesamt fahrend.

das geht nicht, war die reaktion des bundestages. es sind die verwaltungsvorschriften feuerpolizeilicher und anderer art, die es unmöglich machen, das treffen stattfinden zu lassen. wir schaffen es zwar, dem papst die ganze stadt zu räumen, damit er ungestört messen abhalten kann, aber wir schaffen es nicht, 100 rollifahrer in den bundestag zu lassen. faszinierend, wie hilflos parteien am politischen interesse etwas breiterer weggefährten scheitern.

durch die absage an die rollifahrer stellt sich mir eine ganz andere frage. wird eigentlich bei den menschen, die sonst zu gast auf tribünen oder zu diskussionen im plenarsaal sind, der body-mass-index und die gehfähigkeit erfasst? mag doch mancher dicke mensch, ungelenker und hilfloser aus feuerpolizeilicher sicht sein, als viele rollifahrer. und es stünde unserer regierung gut an, ratzfatz baumaßnahmen zu unternehmen, um die auflagen für rollifahrer zu erfüllen. das dürfte man sich schon einmal etwas kosten lassen. oder wo fängt diskriminierung an?

nabelschau (51)

wählerwanderung der besonderen art. gestern wurde bei den verschiedenen wahlberichterstattungen ständig wiederholt, dass berlin keine normale stadt sei und das wahlergebnis ausdruck der berliner mentalität wäre. wie formulierte es die nette dame vom rbb? meckern. faszinierend, dass die forderung nach mehr beteiligung und mehr transparenz in politik und verwaltung als „meckern“ ausgelegt wird. und die „piraten“ haben ihr label auch schon erhalten, so werden sie als „digitale bohemiens“ (fernsehen) oder „digitale wutbürger“ (süddeutsche zeitung) bezeichnet.

aber darum soll es mir hier überhaupt nicht gehen. nein, es gab eine andere faszinierende tatsache, die mir wirklich rätsel aufgibt. das angemessene abschneiden der fdp bei der wahl wurde mit wählerwanderungen belegt. dazu gab es in der ard eine hübsche grafik und es wurde aufgezeigt, wo die wählerInnen so hinwanderten. und 1 % zog es von den liberalen zur linken. wie geht das? erst für die freiheit der märkte stimmen und dann der kapitalismuskritik seine stimme geben?

hier muss es gravierende umbrüche in einzelnen biografien gegeben haben. jedenfalls rätselte ich den ganzen abend, was bei jemandem passiert sein muss, damit er oder sie in ihrer politischen grundhaltung so erschüttert wurden, dass sie den weg von dem versprechen einer ungezügelten wirtschaft ohne hohe lohnnebenkosten zu einer grundsicherung für arbeitnehmer gefunden haben. ist hier das eigene unternehmen pleite gegangen? wird nach farben gewählt? oder verrutschte das letzte mal das kreuzchen auf dem stimmzettel und man hat es dieses mal korrigiert?

irgendwoher müssen die zahlen ja kommen. da werden doch bestimmt menschen befragt, wie sie bei der letzten und wie sie bei dieser wahl gewählt haben. vielleicht war da nur jemand genervt von der fragerei und machte einen scherz. aber man sollte nicht zu sehr an veränderungen zweifel, denn der mensch kann jederzeit umdenken. wieso sollte ein mensch während seines wirtschaftswissenschaftsstudiums nicht auch mal den marx lesen, wird er dort doch wegen seiner treffenden analysen beachtet, und umgedacht haben?

wahrscheinlich wählt der bürger ernsthafter als es politikerInnen und journalistInnen ihm zugestehen mögen, meinungsbildend statt meckernd.

nabelschau (50)

verschobene verantwortung. die verantwortung für handlungen oder ereignisse zu tragen, kann anstrengend sein und zeit kosten. die verantwotung für handlungen und ereignisse zu tragen, spiegelt sich im berufsleben in der bezahlung und aufgabenstellung wieder. gibt man die verantwortung an andere ab, muss man normalerweise dafür einen dienstleister beauftragen und entsprechend der leistung die kosten dafür übernehmen.

doch es gibt seit längerer zeit eine widersprüchliche entwicklung, die das einzelne subjekt in der gesellschaft immer mehr zum spielball von politik, unternehmertum und behörden macht.

auf der einen seite wird vom einzelnen gefordert, beständig mehr verantwortung für die eigene lebenssituation zu übernehmen. die zunehmende entsolidarisierung in der gesellschaft führt dazu, für alles selbst verantwortlich zu sein und sich nicht mehr auf eine soziale eingebundenheit verlassen zu können.

auf der anderen seite ziehen sich die verantwortlichen stellen immer mehr aus der verantwortung und verschieben die notwendigen schritte zum einzelnen subjekt. zuständigkeiten für eigenes fehlverhalten oder für das fehlverhalten angestellter, für fehlerhafte produkte und für fehleinschätzungen werden allen anderen angelastet (eben meist dem einzelnen) nur nicht sich selber, und es wird keine verantwortung mehr übernommen.

von außen betrachtet, erinnert dies immer stärker an eine psychopathologische diagnose. das zusammenspiel zwischen innenwelt (eigener verantwortung) und außenwelt (gesellschaftlicher verantwortung) wird unterbrochen, letztendlich zerstört und den einzelnen anderen übertragen. alle anderen sind schuld, nur ich nicht. die menschen werden im sinn eines größeren ganzen instrumentalisiert und dadurch wird zunehmend personalisiert.

das kann man in allen lebenszusammenhängen erleben. ist ihre sendung nicht angekommen war es nicht der zulieferer, die kontaktstelle für vermisstes ist mit horrenden telefongebühren zu bezahlen, vor ort können sie kaum etwas ausrichten. reklamationen, beschwerden und beanstandungen erhalten entweder gar kein gehör oder sie zahlen im vorfeld dafür, dass später ihr anliegen auch wahrgenommen wird. das bundesverfassungsgericht hat gerade verkündet, Weiterlesen

nabelschau (49)

wer entscheidet da was? ja, es gibt eine demokratische legitimation auf vier oder manchmal mehr jahre für staatsregierung nach wahlen. die regierungen dürfen dann im auftrag der bevölkerungen handeln. die legitimation ist bis zur nächsten wahl zeitlich befristet und gewichtige entscheidungen (wie verfassungsänderungen) müssen bei uns mit großen mehrheiten (meist auch mit stimmen der opposition, beschlossen werden. das macht sinn, um vor machtmissbrauch zu schützen.

ebenso wählen wir, wie alle anderen eu-mitglieder auch, ein europäisches parlament, das wiederum zeitlich befristet, entscheidungen auf eu-ebene fällen kann, die auch auswirkungen auf die einzelnen staaten haben können. doch von anfang an, gab es eine parallelwelt, die immer neben dem europäischen parlament agierte, die treffen der staatsführungen und fachminister. das bleibt ein äußerst fragwürdiges konstrukt, da wir bei der bundestagswahl eigentlich zu bundesangelegenheiten entscheiden und bei der eu-wahl zu eu-angelegenheiten.

nun wurde in den letzten monaten immer häufiger auf höchster ebene entschieden, wer wie viel geld für klamme länder zur verfügung stellt. dagegen spricht erst einmal nichts, so lang man nachvollziehen kann, dass die konzepte sinn machen, aber es bleibt das „gschmäckle“, dass das eu-parlament umgangen wird. es gibt eigentlich vom eu-parlament benannte eu-kommissare, die die „regierung“ der eu bilden. doch frau merkel und herr sarkozy haben nun die idee, ein ministerium auf eu-ebene einzurichten, dass an allen demokratischen entscheidungswegen vorbeiführt.

man kann auch so schon das gefühl haben, dass alle vier bis fünf jahre wählen nicht unbedingt demokratische mitsprache ist. deutschland hat nie über die eu-mitgliedschaft abgestimmt im gegensatz zu anderen ländern. es geht mir nicht darum, nationalismen zu verteidigen, eher das gegenteil ist der fall. aber ich möchte, auch als bürger der eu, mitbestimmen können. und möchte einfluss nehmen können, auf die zusammensetzung des eu-parlaments, dass dann gern einen wirtschaftsminister benennen kann. ich möchte jedoch nicht, dass die, die einen großteil der verschuldungen verursacht haben, dass die bestimmen, wer ihr minister wird.

hier wird es ungefähr so, wie wenn ein konzern oder ein verein, seine externen kontrollgremien selbst benennt, und dies am besten auch nur durch die führungsriege der für eine gewisse zeit, beschlussrechte übertragen wurden. nein, das irritiert schon gewaltig. es hieß einmal, dass politikverdrossenheit auch daher rühre, dass zu wenig transparenz herrsche. ja, es sollte mehr transparenz geschaffen werden. und dazu würde mitbestimmung der bevölkerung in solch einem fall gehören und ebenso die offenlegung der tatsächlichen wirtschaftlichen situationen der einzelnen länder. denn bürger kann das schon verstehen, bekommt aber überhaupt nicht mehr die informationen.

interessant, wer da eigentlich was entscheidet. da scheint abnehmendes demokratieverständnis zu herrschen und eine andere politikverdrossenheit.

schreibidee (300)

eine schwierige anregung zum 300ten schreibidee-jubiläum, es darf ja auch einmal „ans eingemachte“ gehen 😉 selbstkritik ist sehr beliebt, sie kommt nicht selten unerbittlich, direkt und unverblümt zur sprache. es wurde gelernt, gern nach den eigenen fehlern zu suchen, um ein besserer mensch zu werden. und so bemühen wir uns alle vehement. gelernt haben wir nämlich, dass die andere seite stinkt, das eigenlob. gut, bei der selbstvermarktung, da wird dann gern mit dem eigenlob marktschreierisch übertrieben, das ist aber marketing und fällt vielen schwer. hier sei das bodenständige „perfekte eigenlob“ angeregt.

schon der einstieg mag manchen schreibgruppenteilnehmerInnen schwer fallen. man kann sie an bewerbungsunterlagen, die man irgendwann einmal in seinem leben erstellen musste, erinnern. denn in stichworten sollen die persönlichen vorzüge notiert werden. die liste wird nicht vorgetragen.

anschließend erhalten alle teilnehmerInnen eine liste in die sie nur ihren namen eintragen. dann wird die liste rundherum an alle anderen schreibgruppenmitglieder weitergegeben. alle sind aufgefordert, für die jeweils namentlich vermerkte person eine positive eigenschaft zu notieren. wenn es geht, sollten sich keine aussagen doppeln und es genügen stichworte, gern auch ein oder zwei sätze. zum schluss erhalten alle ihre jeweilige liste zurück und können ihre eigene aufstellung durch die aussagen der kollegInnen erweitern.

nun wird mit einzelnen sätzen begonnen: zehnmal soll der satz „ich finde an mir gut, dass … “ vervollständigt werden. auch diese sätze werden nicht vorgetragen. anschließend erstellt man aus allen vorarbeiten ein „zeugnis“. der text ist in der dritten person formuliert und beginnt zum beispiel mit „frau / herr zeichnet sich dadurch aus, dass …“. so ein „zeugnis“ bietet noch die möglichkeit der distanz und klingt, wie wenn es durch andere formuliert wurde.

zum abschluss wird dann das ultimative „perfekte eigenlob“ in der ich-form verfasst. einzelne eigenschaften und vorzüge dürfen ausgeschmückt, begründet oder in ein beispiel gefasst werden. es kann und darf ein längerer text entstehen. so weit es geht, sollte der innere zensor überwunden werden. im anschluss werden das zeugnis und das perfekte eigenlob in der schreibgruppe vorgetragen. vor und nach dem vortrag dürfen keine einschränkungen oder relativierungen vorgenommen werden. anschließend findet eine feedbackrunde statt, die sich hauptsächlich mit der frage, wie schwer es war, solch einen text zu verfassen, auseinandersetzt. und es gibt die hausaufgabe, den text auszudrucken und über das eigene bett zu hängen 😉

nabelschau (48)

drei jägermeister bestellen + eine sonnenbrille gratis. gerade dem letzten gewitter in die buchhandlung entronnen, nachdem das brot schon gekauft war und nicht gewässert werden sollte. ach, was für ein prächtiger sommer: so arbeitsträchtig und gut gekühlt. da lässt sich doch gleich viel mehr von dem großen stapel abtragen.

aber es soll menschen geben, die mehr sonne und wärme herbeisehnen. vor allen dingen die verkäufer von sommerprodukten, wie badehosen, badematten, sonnenschirmen oder auch sonnenbrillen. aber nüscht, die dinge werden nicht gebraucht. eher der regenschirm findet reissenden absatz. und somit bleibt mancher anbieter auf seinen sachen sitzen. da wird dann gern verramscht. auch das eine feine sache.

auf dem weg nach hause (nach dem gewitter), fällt der blick auf die perfekte geschäftsidee: „drei jägermeister bestellen + eine sonnenbrille gratis!“ da kann der kunde seinen frust ob des durchnässten sommers mit ein paar promille locker runterschlucken und bekommt für nächstes jahr und den nächsten sommer eine sonnenbrille dazu. die lager werden geräumt, die gewitterwolken erscheinen noch dunkler, der regen benetzt die augen nicht und die welt scheint nach drei jägermeistern auch schon viel fröhlicher.j

alternativ ließe sich dieses geschäftskonzept ausweiten: „3 sahnetörtchen bestellen und einen strohhut gratis!“ oder „drei packungen vanilleeis und ein paar badelatschen gratis!“ … „drei glas champagner und eine strandkorbmiete gratis!“

nabelschau (47)

bagby hot springs does not allow nudity or alcohol„. die freiheit der kunst erlaubt es, einen alternativen film zu drehen, der zwei männer jeweils in holzwannen steigen lässt, um heisse quellen in der pampa amerikas zu genießen. sie sind beide nackt, wenn sie in die wanne steigen. sie trinken nebenher und rauchen böse dinge. und zwischen dem schweigen unterhalten sie sich über ihre freundschaft und wie sie sich verändert hat. so weit, so gut in dem film „old joy„, der vor kurzem auf „arte“ lief.

schön, dass inzwischen der abspann wieder vollständig gezeigt wird, nichts überblendet wird und keiner dazwische quatscht. es hat sich in den fernsehanstalten wieder etwas geändert, den machern von filmen wird genug raum gegeben. da die landschaft eine wunderschöne ist, in der der film gedreht wurde, interessierte es den hier schreibenden zuschauer, wo denn diese wilden quellen sich befinden. und so schaute er interessiert auf den abspann. es waren die „bagby hot springs“, die die kulisse für den film boten (siehe: http://www.bagbyhotsprings.org/).

doch kaum war auf die heissen quellen hingewiesen folgte ein weiterer hinweis, der die darstellungen im film zurechtrücken sollte: bagby hot springs does not allow nudity or alcohol! oh holde wildnis! so ist die welt heute: der mensch genießt, der mensch lässt es sich gutgehen, der mensch entspannt. und dies tut er an einem abgelegenen ort in den tiefen der wälder. doch er ist nicht allein. die ordnung und das regelwerk waren schon da. auch das betreten einer holzwanne muss den züchtigen vorstellungen von ordnungsfetischisten folgen. es erinnert an die ordnungshüter am bodensee, die nachts mit taschenlampen das seeufer abschritten, um nacktbader zu entdecken oder die verwilderte wiesen abschritten, um das tragen der badehose zu kontrollieren.

meinereiner fragt sich in diesen momenten, ob auch der käfer, das eichhörnchen oder größeres vierbeiniges ebenfalls in diesen regionen gezwungen wird, sich zu bedecken. ich stelle mir eine wildnis voller badehosen recht bunt vor. 😛

nabelschau (45)

hundekekse selber backen. mal wieder am buchladen vorbeigekommen. es lohnt sich immer ein kurzer blick auf die grabbeltische, manchmal sind ganz interessante sachen dabei. außerdem könnte man für die einladung noch ein kleines schnäppchen finden, so zum mitbringen. ach schau, da die kochbücher. die werden heutzutage auch hochglanz-billig-verscherbelt. eine ganze ladeninsel voller preiswerter kochbücher. und mittendrin „hund-kekse selber backen“ mit ausstechförmchen.

die förmchen in possierlicher knochenform und verschiedenen knochengrößen. hier zeigt sich wieder, dass das haustier immer mehr zu einem echten familienmitglied wird. morgens noch den apfelkuchen gebacken und am nachmittag schon die hundekekse. den vierbeiner freut es. die backrezepte unterscheiden sich wahrscheinlich ein wenig. aber seitdem katzenfutter portioniert mit einem sträusschen petersilie serviert wird (laut werbung) und der kratzbaum das wohnzimmer vollständig ausfüllt, seitdem bekommen hunde eigene betten, kleine jäckchen um und inzwischen eben auch selbstgebackene kekse.

da ist es nur logisch, dass das backbuch unter den kochbüchern für unseren zweibeinigen freund, dem menschen, zu finden ist. demnächst dann „leberterrinen für kleine hunde“ oder „fischpastete für unseren haustiger“. ja, es gibt ja jetzt auch das gebissreinigende kauprodukt gegen zahnstein beim hund. früher bekam er einfach einen fetten knochen. neben den modedesigner-halsbändern für vier- und zweibeiner entsteht neben dem partnerInnen-look auch noch eine mahlzeiten-allianz.

irgendwann werden sich die tiere mit an den tisch setzen, an der konversation teilnehmen und eigene geburtstags- und weihnachtsfeiern bekommen sie sowieso schon ausgerichtet. wer in diesem moment an dekadenz denkt, sollte sich was schämen. es ist ja ein „haus“tier und lebensgefährte.

nabelschau (44)

position und psychopharmaka. es wundert immer wieder, mit welchen vorleistungen man in unserer gesellschaft, welche positionen einnehmen kann. der nächste fall von schwierigkeiten bei der promotion zeigt sich. ein wenig anders gelagert, ein bisschen ehrlicher, aber irgendwie weiterhin fragwürdig. und die nächste stellungnahme von, „ach ja, da habe ich wohl ein paar kleine fehler gemacht“.

es geht nicht darum, jemandem keine fehler zu zu gestehen. natürlich darf einem das beim verfassen einer doktorarbeit ebenso passieren, wie im job. den „fehlerfreien“ menschen gibt es nicht. wäre auch insgesamt ganz schön unmenschlich. aber es gibt verschiedene formen, mit einem fehler umzugehen. da ärgert es einen nicht nur einmal, nein es ärgert inzwischen auf ganzer linie. mag sein, dass inzwischen verschärft bei leistungsträgern geschaut wird, ob sie nicht doch etwas falsch gemacht haben. aber es kann nicht sein, dass ihnen das überhaupt nicht bewusst war.

und dann wird es gruselig. denn auf der einen seite handelte es sich in letzter zeit um vertreterInnen der riege: „es muss korrekt, ordentlich und vor allen dingen unbedingt leistungsorientiert in unserer gesellschaft zugehen. von nichts kommt nichts.“ das bedeutet, die fehlermachenden verschärfen die regeln und haltungen gegenüber der ausbildung, der bildungsinstitutionen und die kriterien für wissenschaftliches arbeiten. der druck auf studierende wird beständig erhöht. wissenschaftliches arbeiten hat nur noch wenig mit entdecken, mit interesse und mit freude am forschen zu tun.

gleichzeitig gibt es die meldung, dass studierende ständig mehr psychopharmaka (im besonderen anscheinend antidepressiva) verkauft werden. da muss man sich doch fragen dürfen, ob nicht etwas schief läuft in unserem bildungssystem? läuft uns wirklich die weltweite konkurrenz davon, wenn wir nichts anderes mehr machen als bewerten, prüfen und testen, dabei aber den wissenschaftlichen diskurs und das abwägen aus den augen verlieren? die konsequenz aus diesen kurzen bemerkungen: jemand, der der meinung ist, starken einfluss auf die öffentliche meinung nehmen zu wollen (und im besonderen auf das wissenschaftliche arbeiten an hochschulen), der sollte für sich erst einmal prüfen, wie die eigene studienzeit verlaufen ist und welche form des lernens, forschens und studierens er/sie schätzte.

es ist zu vermuten, dass wir dann vielleicht wieder einen weg zum interessengeleiteten und lustvollen lernen finden.

drei jahre schreibschrift-blog

exakt vor drei jahren startete dieser blog als versuch, sich dem schreiben und der schreibpädagogik im web 2.0 zu widmen. in der zwischenzeit kam viel dazu, das meiste zum schreiben, zu schreibgruppen und schreibideen, zu kreativem schreiben und biografischem schreiben. gedanken über die schreibpädagogik, über das web 2.0 und inzwischen auch über die schreibberatung rundeten das theoretische bild vom schreiben und seinen möglichkeiten ab.

aber dann fand sich mehr. es fanden sich interessante websites und homepages, die entweder dem „schnickschnack“ oder dem web 2.0 zugeordnet wurden. dann noch im näheren umfeld des autors skurrilitäten und ereignisse, die anlass zur „nabelschau“ gaben.

wenn man sich nach themen über das schreiben verstärkt umschaut, fällt einem auf, dass (vor allen dingen in werbung und politik) die sprache einem doppeldeutigen, schrägen oder einfach nur gruseligen gebrauch ausgesetzt ist. und so entstand die „wortklauberei„. na ja, und wo schaut man sich um, wenn man schreiben zu seinem thema macht? in büchern. also liest man, entdeckt man, findet neues und spannendes. warum nicht davon berichten? also mussten buchtipps.

beim lesen und stöbern fielen irgendwann die listen und fragen auf, die der selbstvergewisserung dienen sollten. warum nicht selber entwerfen? es entstanden die „selbstbefragungen“ und die „listen„, die inzwischen auch reichlich vorhanden sind und als vorstufen des biografischen schreibens verwendet werden können.

und so bildete sich im laufe der drei jahre ein bunter strauss an hinweisen, tipps, vorlagen und statements zum schreiben und zur schreibpädagogik, die gern wiederverwendet werden dürfen. kann man der statistik dieses blogs glauben schenken, dann wird dies auch reichlich getan. spitzenreiter bleiben die schreibideen, die gern der reihe nach besucht und ausgewählt werden, um sie für sich zu nutzen. so soll es sein und so fühlt sich der autor geschmeichelt.

also, danke für das interesse – es wird weitergehen!

nabelschau (39)

eine strahlende zukunft, nicht nur in japan. so, da ist es mal wieder passiert. und es war vorhersehbar und es wurde davor gewarnt. selbst wenn es nun in den beiden atomkraftwerken in japan nicht zum super-gau kommt, zeigen die heutigen ereignisse doch eines. ein akw, sei es auch noch so sicher, kann kaputt gehen. und wenn dann mal eben schnell das kühlwasser um zwei meter zurückgeht, aber niemand die ursache findet, dann wird es eng und erschreckend.

ich sehe sie jetzt schon dazwischen rufen, „ja, aber solche erdbeben können bei uns nicht passieren!“. macht nichts, dafür kann anderes passieren. es ist auch relativ gleichgültig was passiert, es gibt einfach einen qualitativen unterschied, ob es in einem akw oder einem kohlekraftwerk passiert. denn plötzlich werden menschen in drei kilometer umkreis evakuiert und die in zehn kilometer entfernung sollen in den häusern bleiben (abgesehen davon, dass man bescheuert wäre, wenn man das machen würde, zuhause warten bis man strahlt). das zeigt nur, wenn etwas in einem akw schief läuft, dann kann man nur noch evakuieren.

tschernobyl in den 80ern hat einen vorgeschmack davon gegeben, und die nachwirkungen geben heute noch einen nachgeschmack, welche wirkung so ein super-gau auf menschen im umfeld hat. japan zeigt, dass die ganze lobbyarbeit für die atomenergie eine milchmädchen-rechnung ist. erdbeben in einem solarkraftwerk würden zu keinen evakuierungen führen. und dann kostet die stromproduktion zwar mehr, aber der mensch kann sich auch ein stück sicherer fühlen.

man kann nur hoffen, dass die klagen vor dem bundesverfassungsgericht erfolg haben werden, dass eine verlängerung der betriebsdauer dreist auf kosten der gesamtbevölkerung gehen und dass menschen mit einem hauch vernunft, die teile so schnell wie möglich abschalten würde. da wird inzwischen überall von nachhaltigkeit geredet, wird der umweltschutz für wichtig erklärt, und gleichzeitig die un-nachhaltigste form der energieerzeugung weiter beibehalten. das ist kein widerspruch des lebens mehr, das ist vogel-strauss-politik, wenn nicht gar schlimmer.