Schlagwort-Archive: revolution

wortklauberei (91)

„kochblockade“

man kann viel blockieren: strassen, plätze, hauseingänge, häfen, castor-transporte oder auch nur anrufe am telefon. die blockade kommt der barrikade recht nahe und war schon immer ein demonstrations- und revolutionsmittel. und man kann sich selbst blockieren. bewusstes und unbewusstes verhindern äußerungen, handlungen oder die wahrnehmung.

so kam hier schon öfter die „schreibblockade“ (von manchen eher als firlefanz betrachtet) zu sprache. dabei handelt es sich um die unmöglichkeit, einen text zu verfassen, kreative gedanken niederzuschreiben oder auch nur ein paar sätze zu papier zu bringen. neben der schreibblockade wird in diskussionen anderen noch gern die denkblockade unterstellt. doch neu hinzugekommen, dank der werbung im fernsehen, ist die kochblockade.

ein hilfloser koch steht in der küche und ruft seinen kollegen an: er habe eine kochblockade. dies eröffnet ganz neue dimensionen der blockade. hat er doch eigentlich eine kochideeblockade, denn etwas in den topf werfen wird er noch können, aber ob es aber zu etwas schmackhaftem verwandeln kann, das bleibt dann ungewiss. so kommt die kochblockade dem „burn-out“ sehr nahe: selbst die kleinsten tätigkeiten sind nicht mehr zu bewältigen. aber der kollege am telefon hat die rettende idee und die passende tiefkühlkost, um fleisch anzureichern.

ein brisanter spot, der andere berufsgruppen zu ähnlichen handlungen und reaktionen auf stress und (selbst)überforderung animieren könnte. bei der s-bahn berlin herrschen schon länger fahrblockaden. was wäre, wenn in call-centern die telefonierblockade ausbrechen würde? oder wenn postmitarbeiter unter der zustellblockade litten (auch dies scheint schon manchmal realität zu sein). das verfassungsgericht würde unter einer urteilsblockade leiden, ärzte unter einer behandlungsblockade und soldaten unter einer schießblockade.

ja, es käme wieder einer revolution gleich, würden die blockaden gemeinsam auftreten – andere wählen dafür das wort generalstreik. die fernsehwerbung greift anscheinend allgemeine entwicklungen auf: da droht ein land mit seeblockade, banken vollführen kreditblockaden und der bundespräsident stellungnahmeblockaden. es ist damit zu rechnen, dass „blockade“ das jahr des jahres 2012 wird. wie gut, dass es wenigstens tiefkühlkost gibt.

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wortklauberei (64)

„transformationspartnerschaft“

dass diplomatische sprache eine sprache für sich ist, daran lässt sich nicht zweifeln. dass diplomatische sprache aber auch oft der versuch ist, keine klare position zu beziehen, das wird gern verschwiegen. ja, in ägypten wehrt sich die bevölkerung gegen eine zynische und gewalttätige regierung. und so, wie es schon häufiger in den letzten jahrzehnten der fall war, haben die regierungen der industrienationen mit machthabern zusammen gearbeitet, die die menschenrechte nicht achten.

denn eine unterdrückte bevölkerung produziert und kauft trotzdem waren und kommt nicht mit seltsamen forderungen an, die unbequeme demokratische prozesse in gang setzen. im diplomatensprech wird dann gern von „stabilität“ in der region gesprochen und die angst vor einem „machtvakuum“ geäußert, wenn es unruhig in der bevölkerung wird.

wenn dann letzte nacht der deutsche außenminister westerwelle in den tagesthemen nach der rede von präsident mubarak interviewt wird, dann sagt der „freie“ demokrat nicht, „wir unterstützen die forderungen der ägyptischen bevölkerung bei ihrer friedlichen revolution und können die enttäuschung über die zynische ansprache verstehen.“ nein, dann versteigt er sich in die aussage, dass man eine „transformationspartnerschaft zur demokratie“ hin anbiete.

in diesem moment wird die diplomatische sprache als schutzschild verwendet und hinterlässt doch den geschmack, dass man eigentlich gar kein interesse an einer grundlegenden veränderung hat. hätte 1989 jemand in der brd gesagt, er biete eine „tranformationspartnerschaft“ den bürgern der ddr an, dann wäre dies sofort als „besserwessi“ entlarvt worden. es klingt, wie wenn man sagen würde: „wir wissen, wie das mit demokratie läuft, wir erklären euch das gern, wenn ihr so weit seid.“ wundert es da noch jemanden, dass auf diese partnerschaft nicht zurückgegriffen wird.

und dann wiederholt der außenminister nur noch die aussage, es dürfe keine gewalt geben. doch die herrscht schon seit jahrzehnten in ägypten. einfach ein wenig spät diese erkenntnis.

schreibidee (170)

nach den schreibideen zum auftauen, aubauen, aufsaugen, aufbruch und auflauf, ist vieles aufgegangen, was meist effekte nach sich zieht. ein effekt der „auf“s ist die erkenntnis, die wahrnehmung des bisherigen und die veränderung zum zukünftigen. das mag jetzt kryptisch klingen, soll aber nur die holprige überleitung zum revolutionären sein: dem aufstand. es ist an der zeit „aufstand-geschichten“ in eine schreibidee zu fassen. der aufstand kommt ja erst einmal vom aufstehen, das an sich eine alltägliche handlung ist, die nichts kämpferisches an sich hat. doch wenn alle gleichzeitig aufstehen, könnte es schon eine interessante entwicklung werden.

als einstieg für die schreibidee können zwei wege gewählt werden. entweder notieren sich die schreibgruppenteilnehmerInnen stichwortartige dinge, für die sie aufstehen würden. aus ihrer liste wählen sie sich einen gedanken aus, den sie auf einer seite näher umreissen. warum würden sie für ihre gewählte angelegenheit aufstehen? warum haben sie es bis jetzt nicht gemacht? die ergebnisse werden in der gruppe vorgelesen. oder man nutzt den beginn der schreibidee für eine körperliche bewegungseinheit (bietet sich zum beispiel bei längeren schreibwochenenden an). man setzt sich und steht immer wieder auf, mit der gruppe zusammen. zu beginn sagt man noch nichts zum thema, dann fordert man die teilnehmerInnen auf, dass sie beobachten, was geschieht. anschließend findet ein kurzes freewriting zum thema aufstehen statt und daraus soll ein einseitiger text entstehen. die texte werden in der schreibgruppe vorgelesen.

als nächster vorbereitungsmöglichkeit bietet sich die aufforderung an, einen aufstand zu konzipieren. so, wie heute im eventmanagement und im pr-bereich. was braucht man für einen aufstand? wogegen soll er sich richten, wofür setzt er sich ein? welche komponenten verwende ich: demos, streiks, internetblockaden, feuer legen oder andere bösartigkeiten. soll körperliche gewalt im spiel sein oder nur widerstand geleistet werden? all dies ist in ein kleines zweiseitiges konzept zu fassen. entweder kann ein rahmen vorgegeben werden und alle sollen zu einer thematik einen aufstand konzipieren oder es können die themen aufgegriffen werden, die persönlich am interessantesten sind. die aufstände werden anschließend in der gruppe vorgestellt.

zum abschluss wird einen längere aufstand-geschichte verfasst. sie kann die konsequente fortführung der vorherigen übungen sein, also eine passende geschichte zum aufstand-konzept, sie kann aber auch eine neue idee, die durch die vorherigen schreibaufgaben entstanden ist, aufgreifen. die aufstand-geschichten werden anschließend in der schreibgruppe vorgetragen danach bewertet wie groß das revolutionäre potential ist 😀

am rande (01)

wenn man von den gesellschaftlichen veränderungen durch die erfindung und verbreitung des buchdrucks redet, dann muss man schon etliche jahrhunderte zurückgehen. es ist schwer sich in die zeit zu versetzen, die gesellschaftlichen entwicklungen erfassen und verstehen zu können. aus unserer heutigen sicht scheint vieles nicht so sensationell und besonders, was damals ganze regionen umgewälzt hat und die mächtige kirche durch die reformation in bedrängnis brachte.

um einen einblick in die technik, die erfindung und die gesellschaftliche einbettung des buchdrucks zu bekommen, lohnt sich ein besuch im „gutenberg-museum mainz„. dort sind eine menge informationen zusammengetragen word, natürlich etliche alte drucke zu bewundern und es gibt die möglichkeit, sich selbst im druck zu probieren. es werden führungen angeboten, aber auch eine homepage, die einen teil der musealen informationen auch den surferInnen zur verfügung stellt. die seite ist zu finden unter: http://www.gutenberg-museum.de/ .

neben dem überlick über die aktuellen ausstellungen, manche links und informationen, nicht nur über das museum, findet man zum beispiel die so genannte „gutenberg-bibel“ als bilddatei, durch die man sich virtuell klicken kann, also sie durchblättern kann. und vielleicht erschließt sich dann schon durch den digitalen besuch im museum die bedeutung des buchdrucks für die weitere entwicklung der menschheit.

p.s.: wissenschaftlich ist es nicht ganz aufrecht zu erhalten, dass herr gutenberg der große erfinder war. in asien wurde ebenso gedruckt und eine eigene form der papierherstellung entwickelt.

woche der „digitalen revolution“

es ist nicht zu übersehen und nicht zu überlesen, dass der diskurs über das internet, das web 2.0, die neuen kommunikationstechniken, den computer, die suchmaschinen, macht und ohnmacht im digitalen zeitalter und der streit über die konsequenzen der entwicklung gerade so richtig beginnt. welche auswirkungen haben die technischen entwicklungen, die digitalen anwendungen auf unser leben.

vieles an den diskussionen erinnert an frühere debatten, als die computerspiele aufkamen, als das private fernsehen startete oder als überhaupt fernseher und telefon dem bürger zugänglich wurden. doch sowohl die dimensionen der veränderungen als auch die lautstärke der debatten erscheinen existentieller. es erinnert an die gesellschaftlichen umwälzungen als der buchdruck erfunden wurde und die effekte auf die welt weitreichende auswirkungen hatten.

einziger unterschied scheint die geschwindigkeit zu sein. die umsetzung der digitalen veränderungen geschehen in einer schnelligkeit, die bisher keine kulturtechnik geschafft hat. darum gehört in einen blog, der sich mit schreibpädagogik und dem web 2.0 auseinandersetzt, ein blick auf die entwicklungen und vielleicht anregendes zu den gesellschaftlichen diskursen.

ja, es ist schwer einzuschätzen, wie die weiteren konsequenzen der digitalen entwicklung aussehen werden. und ist die „digitale revolution“ wirklich eine revolution oder nur ein zusätzliches instrument der kommunikation? dies alles werde ich in dieser woche aus dem blickwinkel eines kleinen computernutzers versuchen darzustellen und zu hinterfragen. aufgehübscht durch ein paar links am rande.