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wissenschaftliches schreiben und verwandlung

menschen, die zuhause an einer schriftlichen wissenschaftlichen arbeit sitzen, verwandeln sich. sie verwandeln sich oft in menschen, die ein schlechtes gewissen haben. eigentlich sollten sie jetzt an ihrer arbeit sitzen, aber sie machen was anderes: sie telefonieren mit einem, gehen in die kneipe, ins kino oder zu irgendwelchen anderen events, sie lesen romane, sie machen großputz und sie wissen genau, dass sie eigentlich etwas anderes machen sollten.

also entwickeln menschen, die an einer wissenschaftlichen arbeit sitzen, ganz persönliche strategien, wie sie sich zum schreiben motivieren können. die einen suchen räume auf, in denen sie kaum etwas anderes machen können als schreiben. wieder andere stellen sich einen strikten zeitplan auf, um allen schreibverpflichtungen nachzukommen. wieder andere sind dabei sich persönliche aufpasserInnen im bekanntenkreis zu engagieren, um immer wieder zum schreiben angetrieben zu werden.

das unangenehme am wissenschaftlichen schreiben ist für viele, dass es nur einen abgabetermin, aber keine weitere struktur gibt. darum sind auch alle eben aufgezählte strategien, keine garantie dafür, dass es mit dem schreiben klappt. aber sie bewegen sich in eine richtige richtung: zu schauen, welche atmosphäre und welches umfeld man benötigt, um konzentriert schreiben zu können. manchmal genügt schon ein ruhiger raum oder überhaupt ein freier schreibtisch. dann vielleicht noch kleine mahlzeiten dazwischen, ein abgestelltes telefon, eine gesperrte mailfunktion und ein paar bewegungspausen dazwischen. aber vielleicht benötigt man auch musik oder zwischendurch gespräche mit anderen menschen, die auch an einer wissenschaftlichen arbeit sitzen. wichtig scheint nur, um sich nicht in einen panik-zombie zu verwandeln, sich einmal etwas zeit zu nehmen und darüber nachzudenken, welches für einen selber das beste schreibsetting ist.

man kann die frage eventuell schriftlich beantworten. man kann sich aufschreiben, möglichst ohne lang nachzudenken, was es braucht, damit man sich beim schreiben wohl fühlt. man kann es anderen erzählen und danach das gesagte Weiterlesen

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schreibberatung und arbeit

die schreibberatung ist eine stete gratwanderung zwischen der vermittlung eines entspannteren schreibens und dem hinweis, dass schreiben auch immer arbeit bedeutet. menschen suchen die schreibberatung meist auf, da das schreiben für sie zur qual geworden ist oder überhaupt nicht funktioniert. hier ist es an den beraterInnen eine einfachere, direktere vorgehensweise beim schreiben zu vermitteln und den positiven lerneffekt auszulösen, dass schreiben nicht so anstrengend sein muss, wie man es sich bisher vorgestellt hat.

doch gleichzeitig steckt hinter dem flüssigen und entspannten schreiben doch wieder eine „anstrengung“, nämlich die regelmäßige übung, also in den augen vieler klientInnen eben doch arbeit. und damit ist es in vielen zusammenhängen noch nicht getan: im anschluss muss der entstandene text oft noch überarbeitet werden. der zeitaufwand für das überarbeiten ist nicht zu unterschätzen. darum sollte man in beratungen eine zweiteilung vornehmen.

schreiben ist wie rechnen oder lesen nicht frei von arbeit, aber die arbeit kann entspannter vollzogen werden, da der text oder die geschichte nicht von anfang an perfekt sein muss, sondern der einstieg ins schreiben ein spielerischerer ist. es wird also erst einmal „drauflos geschrieben“. der gedanke, jeden text noch einmal überarbeiten zu können, lässt einen beruhigter in den schreibprozess einsteigen. doch das überarbeiten kostet natürlich zeit. es wäre ein trugschluss, zu glauben, schreiben würde keine zeit kosten. und man kann auch nicht versprechen, dass am anfang, wenn man noch nicht viel übung hat, diese form des schreibens schneller geht.

man kann nur versprechen, dass das gefühl einer qual oder die inneren blockaden im laufe der zeit verloren gehen. es geht also erst einmal um die qualitativen aspekte des schreibprozesses. erst im im zweiten schritt, im laufe der zeit, reduziert sich dann auch der arbeitsaufwand. es fällt bei entspannterem schreiben leichter, für den text die richtigen worte zu finden. das bedeutet, dass nachbesserungen und überarbeitungen abnehmen. es bedeutet aber nicht, dass dies Weiterlesen

biografisches schreiben und arbeit

hier habe ich schon öfter die bedeutung der arbeit für die eigene lebensgeschichte thematisiert, z.b. unter den überschriften „biografisches schreiben und … – … arbeiterbewegung – … arbeitsleben – … arbeitsverhältnisse“. die posts können hier über die suchfunktion aufgerufen werden. doch dieses mal möchte ich mich der frage widmen: wie viel arbeit macht biografisches schreiben?

viel, wenn man möglichst viele aspekte des eigenen lebens darstellen möchte. wie so oft steht hier die frage im vordergrund, wozu man seine eigene lebensgeschichte aufschreiben möchte. dies muss einem vor dem schreiben nicht bewusst sein, doch irgendwann gerät man an den punkt sich die frage zu stellen, wie viel arbeit man in seine biografie investieren möchte und warum.

wenn ich nur bestimme aspekte und lernerfahrungen meines lebens an andere generationen weitergeben möchte, kann ich mich inhaltlich beschränken. wenn ich nur die wichtigsten ereignisse für verwandte und bekannte auflisten möchte, kann ich mich auch beschränken. möchte ich aber meine persönliche entwicklung nachzeichnen, wird man schnell feststellen, dass dies ausufern kann. fängt man nämlich einmal an, das erlebte, das wahrgenommene und das gedachte zu notieren, wird man feststellen, dass es sich um viel mehr handelt, als man annahm. und wenn man noch genauer hinschaut, dann wird man feststellen, wie viele erlebnisse und ereignisse mit entscheidungen und überlegungen verknüpft sind.

nicht selten kommt das gefühl bei biografisch schreibenden im laufe der zeit auf, dass die eigene entwicklung nicht darzustellen ist, wenn man ein paar ereignisse unter den tisch fallen lässt, wenn man nur ausschnitte der eigenen gedanken und überlegungen wieder gibt. beläst man sie aber im text, wird es ein langer und eventuell für außenstehende langweiliger text. viel anstrengender und in arbeit ausartend ist aber der aspekt, dass man von hölzchen auf stöckchen kommt und den ausstieg aus der eigenen biografie nicht findet.

empfehlen kann man da zum beispiel: suchen sie eine thematik, einen aspekt aus, an dem sie ihr leben aufreihen. zum einen haben sie dadurch einen roten faden, zum anderen kann man auch ein einem detail die anderen entwicklungen festmachen, aber man beschränkt sich automatisch ein wenig.
oder sie entscheiden für sich „ich möchte mir die arbeit machen“. dann nehmen sie sich genug zeit für die überarbeitung. geben sie bekannten oder verwandten das unfertige werk zur rückmeldung. fühlen sie sich nicht persönlich getroffen, wenn das „zu viel“ zum thema wird. lesen sie sich ihre texte laut vor, um ein gespür für längen zu bekommen. gewichten sie ihre abschnitte mit einem punktesystem, um die abschnitte, die am wenigsten punkte erhalten, Weiterlesen

wie man den spass am schreiben abgewöhnt (12)

alles aufräumen

dieser beitrag ist nun der übergang zu den selbstverursachten abgewöhnungsstrategien. sie hängen natürlich mit den bisher gemachten erfahrungen in bezug auf das schreiben und den schreibprozess zusammen. sie stehen nicht für sich allein im raum und entspringen einer persönlichen laune. „alles aufräumen“ ist eine vorgehensweise, um den einstieg ins schreiben zu umgehen, zu verhindern und teilweise selbst zu boykottieren. daher wird das vorgehen selten positiv erlebt, sondern eher als belastung, die man nicht abstellen kann.

doch erst einmal eine typisierung: es gibt zwei arbeitstypen unter den menschen: die einen, die früh mit einer aufgabe anfangen, sie für sich strukturieren und planen und das ziel konsequent verfolgen. und dann gibt es den arbeitstypen, der die besten und effektivsten ergebnisse erreicht, wenn er auf den letzten drücker handelt und arbeitet. zwischen den beiden polen von arbeitstypen gibt es viele unterschiedliche varianten an arbeitsstrategien. doch die meisten menschen tendieren in eine der beiden richtungen.

beide arbeitstypen kommen am ziel an, beide liefern die geforderte arbeit ab und beide haben die gleiche zeit zur verfügung. es gibt also qualitativ im ergebnis keinen unterschied. und ganz wichtig, es gibt auch keinen bewertung, welche arbeitsweise besser oder schlechter ist. allein die emotionale befindlichkeit kann für den einzelnen menschen ein kriterium sein. wann wird der arbeitsprozess (schreibprozess) oder der einstieg in den arbeitsprozess (einstieg in den schreibprozess) quälend und unangenehm? dann sollte man einen blick darauf werfen, welche form des arbeitens man bevorzugt. denn: weiß man, wie man am liebsten arbeitet, bekommt man auch kein schlechtes gewissen oder zweifel, ob das alles so richtig ist, wie man das gerade handhabt.

womit ich beim „aufräumen“ bin: wenn ich weiß, dass ich am effektivsten arbeite, wenn ich auf den letzten drücker arbeite, dann muss ich mir in der zeit vorher keine ausreden überlegen, warum ich nicht schon am schreibtisch sitze und schreibe. also kann ich es sein lassen mit den ausweichhandlungen, wie das aufräumen der wohnung. weiß ich aber, dass ich eine klare struktur brauche, dann kann ich mir einen zeitplan erstellen, der für mich bindend wird. in diesen plan kann ich schon meine ausweichhandlungen einbauen, wenn ich weiß, dass ich eine unangenehme aufgabe vor mir habe. ich gebe mir pro tag zum beispiel zwei stunden zeit, die wohnung aufzuräumen. ist dies erledigt, setze ich mich entspannter ans schreiben und verurteile mich nicht für meine ausweichhandlungen.

man gewöhnt sich das schreiben eher dadurch ab, dass man der meinung ist, ausweichhandlungen seien sehr verwerflich. dabei kennt beinahe jeder mensch die situation, plötzlich fenster zu putzen, obwohl eine hausarbeit geschrieben werden sollte. geben sie den ausweichhandlungen und ihren arbeitsweisen genug raum und zeit, und vieles wird Weiterlesen

wissenschaftliches schreiben und coolness

wissenschaftliches schreiben ist eigentlich pure coolness. keine andere schreibform zeigt weniger emotionen im text, vielleicht noch gebrauchsanweisungen, doch selbst juristen schreiben lebhafter. aus dem wissenschaftlichen schreiben wurden emotionen verband, um eine wie auch immer geartete objektivität zu bewahren. es ist der glaube, dass eine gefühllose und subjektlose sprache die reinheit der wissenschaften bewahrt.

betrachtet man jedoch die forschungsfelder und studien, ergebnisse oder erkenntnisse genau, ist eigentlich das gegenteil der fall. in alle untersuchungen fließen auch die auffassungen der forschenden mit ein. das beginnt bei einem menschenbild, das grundlage ist für die vorstellungen, was neue erkenntnisse für uns seien. es geht weiter über das forschungssetting und die frage, welche aussagen sich aufgrund von statistischen erhebungen treffen lassen und geht bis zur frage, wie viel persönliche meinung in einen wissenschaftlichen text einfließen darf.

gerade die naturwissenschaften vermitteln, dass es möglich wäre in einem menschenungebundenen neutralen raum forschen zu können. was für ein trugschluss. und so werden alle forschenden zu einer angemessenen coolness angehalten, die ihnen gerade einmal im schlusskapitel die möglichkeit eröffnet, persönlich position zu beziehen. man kann dies auch anders und nicht weniger wissenschaftlich handhaben. wissenschaft hat einen gemeinsamen kleinsten nenner: meinungen und thesen müssen belegt oder widerlegt also begründet werden. das hat zur folge, dass die behauptung auch von anderen durch experimente, befragungen oder studien belegt und widerlegt werden kann, die begründung also wiederholt werden kann.

doch momentan haben wir eine gegenteilige entwicklung: da keine zusammenhänge mehr erfasst werden, keine emotionen mehr im spiel sind, sondern beinahe alles nur noch auf mathematikbasierte statistiken runtergebrochen wird, fehlt in vielen zusammenhängen die eigentlich begründung. coolness ist exakt der richtige ausdruck dafür. denn coole kommunikation lässt möglichst alles menschliche außen vor und führt zu handlungen, die keiner menschlichen logik mehr folgen. doch durch dauercoolness verlieren wird den kontakt Weiterlesen

biografisches schreiben und engel

die überschrift mag ein wenig befremdlich für menschen klingen, die nicht an engel glauben. es handelt sich dabei auch eher um ein gedankenspiel, denn um eine glaubenseinstellung. mit engeln verbindet man gewisse eigenschaften: dass einem gutes durch sie widerfährt, dass sie hilfreich sind, dass sie einen beschützen, betreuen, hegen und pflegen, dass sie selbstlos sind und keine gegenleistung erwarten und vieles mehr.

beim biografischen schreiben kann man einmal schauen, ob es mitmenschen im laufe des eigenen lebens gibt, die diese eigenschaften widerspiegeln. oder hat man selber die rolle eines engels für andere menschen übernommen? werfen sie einen blick auf ihre sozialen interaktionen. nutzen sie das konstrukt des engels, um unterschiede zwischen den verhaltensweisen ihrer mitmenschen festzustellen und fragen sie sich, wie sie damit umgehen. gibt es zum beispiel menschen, denen sie noch einmal dafür danken möchten? gibt es menschen, von denen sie sich distanzieren möchten, da sie weder engel noch angenehmer mitmensch sind oder waren?

die vorstellung von engeln ist eine brücke, sich der beziehung zu anderen menschen ein wenig bewusster zu werden. man kann natürlich noch einen schritt weiter gehen und sich fragen, wann man in seinem leben einen schutzengel hatte. es gibt eigentlich im leben jedes menschen situationen, die auf die eine oder andere weise brenzlig waren und man das glück hatte, dass einem nichts geschah, dass alles gut ausging. wie ist man im nachhinein mit solchen Weiterlesen

schreibpädagogik und unsicherheit

zwei aspekte bei schreibgruppen sind nicht zu unterschätzen: die unsicherheit der teilnehmerInnen und die unsicherheit der anleitung. trifft dies aufeinander ergibt sich eine durch und durch unsichere schreibgruppe. da unsicherheit nicht automatisch bedeutet, dass weder kreatives noch biografisches in schreibgruppen entsteht, spielt dies eigentlich erst einmal keine rolle. wenn aber durch die unsicherheiten gruppendynamiken entstehen, die das schreiben behindern, dann sollte dies beachtung finden.

zum einen gibt es das phänomen, dass auch in schreibgruppen strukturen, wie man sie aus der schule kennt, auftauchen. dies bedeutet, obwohl die teilnehmerInnen die gruppe freiwillig und zu ihrem vergnügen besuchen, machen sie aus der leitung eine person, die ihnen unangenehme dinge zumutet, denen sie ausweichen, und eine person, an der sie sich abarbeiten. sollte nun die schreibgruppenleitung unsicherheit ausstrahlen, kann ihr dies schnell zum nachteil werden.

gern werden auch schreibgruppenleitungen auf ihre kompetenzen hin getestet. es gibt ebenso die versuche der alpha-teilnehmerInnen die leitung „vom thron zu stossen“. dies geht nicht selten mit der abqualifizierung der leitung, unberechtigter kritik und einer personalisierung des konflikts einher. leider verstärkt unsicherheit die schwierigkeiten oft noch. man kann in diesem moment zwei strategien verfolgen: man legt alle bedenken und unsicherheiten offen. ab diesem moment wird man in vielem unangreifbar und das abarbeiten an der person beinahe unmöglich. bezieht man die teilnehmerInnen dann noch in die nächsten entscheidungsfindungen explizit mit ein, kann das die ganze lage entspannen.

eine andere strategie wäre es, die leitungsfunktion für einen festgelegten zeitraum den gruppenteilnehmerInnen Weiterlesen

schreibberatung und kunst

alle schreibenden würden wahrscheinlich gern große künstlerInnen werden. und das schöne an kunst ist auch, dass alle schreibenden mit glück große künstlerInnen werden können. halt rufen hier die mahner hoher kunst: da muss schon arbeit reingesteckt werden, das muss man lernen! stimmt, hinter großer schreibkunst steckt nicht selten viel arbeit. doch neben der vielen arbeit steckt oft auch viel glück dahinter: zur richtigen zeit, die richtigen leute getroffen zu haben und hilfreiche unterstützung bekommen zu haben.

kunst kann man machen, große künstlerInnen werden kann man erhoffen. das steckt den rahmen ab, den schreibberatung leisten kann auf dem weg zum erfolg. schreibberatung kann nicht mehr, als anregungen geben, wie man seinen eigenen ausdruck findet. schreibberatung kann eventuell hilfestellungen zu einem flüssigeren text geben. wiederum lektorInnen können beim gesamtkonzept und bei der struktur, können das werk rund machen helfen. alle übrigen entscheidungen liegen bei den schreibenden und bei den konsumentInnen.

was kann nun schreibberatung im detail leisten? schreibberatung kann dazu anregen, der eigenen kreativität raum zu geben, sich gegen beschränkungen von außen zu behaupten, einen weg zu finden, der sich gut für einen selber anfühlt, und verschiedene formen des schreibens auszuprobieren. schreibberatung kann den schreibfluss fördern, kann schreibtechniken vermitteln, die das entwickeln von ideen und assoziationen erleichtern. schreibberatung kann dabei helfen, eine schreibdisziplin zu entwickeln, einen zeitplan aufzustellen, ausweichhandlungen zu reduzieren und die lust am schreiben wieder zu entdecken.

was schreibberaterInnen aber nie machen werden: beurteilen, ob es sich bei dem geschriebenen um kunst oder nicht handelt. es gibt keine klare definition von kunst, die so viel gewissheit entstehen ließe, dass man ein urteil abgeben könnte. auf einem ganz anderen blatt steht aber, dass in der schreibberatung natürlich ein feedback Weiterlesen

schreibidee (367)

es gibt berufsgruppen, die nah am drama und am leben sind. manche leser haben dies in ihrem zivildienst oder in einem freiwilligen sozialen jahr erlebt. andere haben die berufe der kranken- oder altenpflege gewählt. dabei kommt man den patienten oder bewohnerInnen nicht nur körperlich nahe, sondern auch oft emotional. nicht selten geht es um leben und tod. darum heute eine schreibanregung zu „stationen-stories“.

es soll bei dieser schreibidee nicht um texte, wie den arztroman oder die krankenhausserie gehen, beides produkte, die zwar dramatisches aufgreifen, aber gleichzeitig mit romantisierendem und idealisierendem unterfüttert sind. dieses mal soll beim kreativen schreiben der realität nahe gekommen werden. darum gleich als einstieg die für manche sehr intime frage: wie möchten sie sterben? alle schreibgruppenteilnehmerInnen schreiben einen kurzen, maximal zweiseitigen text darüber, der nicht vorgelesen. wird.

man kann die durchführung der schreibgruppe mit einer lesung von bisher verfassten texten auf einer pflege- oder krankenstation verbinden, wenn sich so etwas organisieren lässt. dabei können eindrücke notiert werden. ist dies nicht gewünscht oder nicht möglich, kann man vesuchen sich in die situation pflegebedürftiger und erkrankter menschen zu versetzen. manche teilnehmerInnen mögen dies am eigenen leib verspürt haben. eine der unangenehmsten situationen für menschen ist der schmerz. zu schmerzen kann ich mich nicht verhalten, da ich ihnen nur teilweise ausweichen kann. darum sollen im zweiten schritt kurze geschichten über den schmerz geschrieben werden (maximal drei seiten). wie wird jemand diese situation erleben? was wird man tun, damit der schmerz vorüber geht? die geschichten werden in der schreibgruppe vorgetragen und es findet eine kurze feedbackrunde statt.

der schwierigste abschnitt dieses schreibgruppentreffens besteht in einer längeren geschichte über einen menschen, kurz vor dem sterben oder schwer erkrankt. die medizinischen gründe und behandlungen sollten nur teilweise beachtung finden. der schwerpunkt der schreibidee liegt auf den gedanken und handlungen der menschen. es gibt zum beispiel das phänomen, dass die betroffenen oft emotional stabiler reagieren als die angehörigen. manche lassen ihr leben revue passieren, andere haben große todesangst und die nächsten empfinden gelassenheit, haben die tatsache akzeptiert. in dieser geschichte sollen auch die pflegerInnen und andere berufe eine rolle spielen. was passiert in einer extremen lebenssituation?

die texte werden in der schreibgruppe vorgetragen und es findet eine ausführliche feedbackrunde statt. in dieser feedbackrunde sollte vor allen dingen auch raum für die eigenen emotionen sein. krankheit und tod sind heute bei uns weiterhin sehr tabuisierte themen, obwohl jeder mensch irgendwann davon betroffen ist. hier kann die frage an die schreibenden gestellt werden, wie schwer oder leicht ihnen diese schreibübung fiel.

generell sind solche schreibübung im vorfeld anzukündigen, da es auch das gute recht gibt, bei diesen themen an einer schreibgruppe nicht teilzunehmen, wenn einem das zu intim oder zu bedrohlich ist. aber sie bergen zum beispiel auch die chance in sich, das kreative schreiben mit dem ersten formulieren einer patientenverfügung zu verknüpfen. denn vielleicht ergeben sich durch die schreibprozesse vorstellungen, wie man selbst mit solchen lebenssituationen umgehen möchte und wie man behandelt werden will. solche vorstellungen sind natürlich nicht vorzulesen, können jedoch, wenn gewünscht, diskutiert werden.

schnickschnack (118) – tagebücher von keith haring

manchmal gibt es richtig schöne, spannende projekte im netz. man findet sie wirklich nur dadurch, dass man entweder durch zufall darauf stösst, die anderen auf einen selber zufällig stossen oder man es an einem anderen ort gelesen hat. dieses mal habe ich den hinweis in der zeitschrift „art“ gefunden.

in new york (brooklyn) gibt es zur zeit eine ausstellung zu den frühen jahren von keith haring. und parallel dazu werden frühe tagbücher / journale von keith haring veröffentlicht. jeden tag eine seite aus den notizen. sie sind lesbar und zeigen zumindest einen prozess der selbstannäherung und ideenfindung. da die ausstellung nun seit gut einem monat geöffnet hat und bis anfang juli läuft, werden noch etliche seltenheiten im netz zu finden sein.

wenn man sich die seiten durchliest, dann zeigt sich, dass kreativität und kunst schwer von selbstreflexion zu trennen sind. und dass die sammlung von spontanen gedanken und ideen nur schriftlich funktioniert. der gedanke, man könne alles im kopf behalten, ist ein trugschluss. keith haring schreibt am anfang seines tagebuchs, das er mit 20 jahren führte, er habe die jahre vorher zu viele ideen und eindrücke vergessen, die grundlage von weiterführendem waren oder sein könnten. darum werde er beginnen, die eindrücke möglichst schnell zu notieren.

eine feine sache ist es, dass diese gedanken nicht verloren sind, sondern zumindest auschnitthaft allen zugänglich gemacht werden. nach dem motto „lernen von den alten“ – obwohl „alt“ im zusammenhang mit keith haring natürlich der falsche ausdruck ist, bieten persönliche niederschriften oder lebensgeschichten doch viele anregungen und momente, die zur eigenen weiterentwicklung beitragen können. und wer es bis dahin noch nicht gemacht hat, fängt nach der lektüre vielleicht auch an, ein eigenes tage- und ideenbuch zu führen.

zu finden sind die seiten unter http://keithharing.tumblr.com/ .

wissenschaftliches schreiben und haltung

wissenschaft ist meist hierarchisch organisiert. mal ist die hierarchie flacher, mal sehr steil. titel spielen in den wissenschaftfen eine große rolle, da sie kompetenzstufen signalisieren sollen. dies verhindert so manchen kritischen diskurs und ist eng verknüpft mit den ökonomischen grundlagen der wissenschaften. eine eigene haltung in den wissenschaften einzunehmen ist meist erst nach dem erreichen bestimmter positionen machbar. vorher kann einem im wissenschaftlichen kontext schnell die existenz entzogen werden.

das ist schwarzmalerei? der wissenschaftsbetrieb ist ein durch und durch politischer betrieb. es geht in jedem forschungsbereich darum, auf welchen grundlagen und wissenschaftstheorien die gesamte forschung aufbaut. die 68er-bewegung verbreitete sich nicht ohne grund vor allen dingen an den hochschulen. doch wie kann man nun eine haltung in den wissenschaften finden?

das wissenschaftliche schreiben (oder das schreiben an sich) können dabei eine hilfe sein. zum einen entwickelt man theorien ab einem bestimmten punkt sowieso schriftlich. sie müssen ja veröffentlicht und verbreitet werden. wie weit man bei der veröffentlichung ausschließlich eigene vorstellungen einbringen kann, hängt von der position im wissenschaftlichen gefüge ab. normalerweise entwickelt man auch nicht allein ideen. es wird im team geforscht, also werden meist theorien im team entwickelt. interessant wird es erst in dem moment, in dem die meinungen auseinandergehen. dann zeigt sich, wie ausgereift die diskussionskultur im eigenen forschungsbereich ist.

davon abhängig ist auch, wie stark andere meinungen sanktioniert werden. die ökonomisierung der wissenschaften gibt schon ein ziel vor: verwertbarkeit der ergebnisse. dadurch verliert grundlagenforschung immer mehr boden. das bleibt problematisch und führt auch zu schriftlichen auseinandersetzungen in den fachwelten. man kann seine haltung, wenn man eine veröffentlichungsmöglichkeit erhält, schriftlich mitteilen. doch die zurückhaltung ist meist groß, Weiterlesen

schreibberatung und schmerzen

bauchschmerzen. ja, die bauchschmerzen sind mit großer wahrscheinlichkeit das häufigste körperliche phänomen (neben den kopfschmerzen), das einhergeht mit schreibproblemen und schreibkrisen. ob bei der arbeit oder im studium, schwierige situationen erzeugen einen emotionalen druck, der gleichzeitig einen körperlichen ausdruck finden kann. manche menschen ignorieren dies, andere können dies wegen der schmerzen nicht mehr tun.

die schreibberatung kann keine medizinische diagnose erstellen. ebenso wie bei therapien wäre von klientInnen, die von körperlichen schwierigkeiten im zusammenhang mit dem beratungsthema berichten, zu fordern, dass sie sich erst einmal medizinisch untersuchen lassen, bevor die beratung weitergeführt wird. denn es muss ausgeschlossen werden, dass es sich um eine erkrankung handelt, die in der schreibberatung nicht behandelt werden kann.

zeigt sich aber, dass es sich bei den schmerzsymptomen um zeichen der anspannung im zusammenhang mit schreibaufgaben handelt, dann kann weiter darauf eingegangen werden. denn die schmerzen können ein hinweis darauf sein, wann der druck am größten ist. es werden zwar nicht unbedingt entspannungstechniken in der schreibberatung vermittelt, aber es kann durch positive erfahrungen beim einstieg in den schreibprozess und beim erstellen einer textstruktur der druck eventuell reduziert werden.

generell ist es bei schreibaufgaben ähnlich, wie bei anderen nicht exakt termingebundenen tätigkeiten: sie schwirren ständig im kopf herum und erhöhen dadurch den druck. man weiß, man sollte noch das und das schreiben, doch man kann sich meist den zeitpunkt selbst wählen. wenn nun die ersten schritte schwerfallen, dann werden andere tätigkeiten gern vorgezogen. doch der gedanke, noch etwas erledigen zu müssen, verschwindet nicht.

das fiese besteht darin, dass selbst in der freizeit im hinterkopf die anstehende schreibaufgabe ihren platz findet. und irgendwann reagiert bei manchen menschen der körper auf die mischung zwischen schlechtem gewissen, angst oder zeitdruck. hier helfen eventuell nicht nur kleine einstiege Weiterlesen

schreibidee (354)

da „copy & paste“ viele beiträge in diesem blog in letzter zeit dominierte, hier noch ein letztes mal das thema aufgreifen. in dem buch „uncreative writing“ von kenneth goldsmith wird der vorschlag gemacht, einmal dem kopieren von texten einen großen stellenwert zu geben. darum hier die schreibanregung für den ruhigen abend, die ruhigen tage: „kopieren-kopieren“.

diese idee lässt sich nur bedingt in schreibgruppen durchführen und ist kurz und knapp. goldsmith fordert seine studierenden auf, ganze texte oder sogar bücher von hand abzuschreiben oder zu tippen. (siehe http://gettinginsidejackkerouacshead.blogspot.de von simon morris, das abgetippte buch „on the road“).

also, wählen sie sich einen längeren, literarischen text aus und schreiben sie ihn ab. wenn sie das mit hilfe einer blog-software bewerkstelligen, dann wird das buch, der text vom ende zum anfang dargestellt.
beobachten sie sich als schreibende. achten sie darauf, was dies in ihnen auslöst. und notieren sie sich vielleicht ein paar gedanken. mehr ist nicht zu tun. als erweiterung könnte man im nächsten schritt einzelne abschnitte aus romanen und büchern abschreiben und neu miteinander kopiere. doch das eigentliche schreiben benötigt erst einmal sowieso einige zeit.

und wenn sie sich fragen, was sie da tun, dann schauen sie sich die begründung von kenneth goldsmith an: http://gettinginsidejackkerouacshead.blogspot.de/2008/06/project-proposal.html .

schreibberatung und bewusstes

beratungen haben zwei funktionen: zum einen den status quo differenziert zu betrachten und zum anderen handlungsmöglichkeiten für veränderungen zu erarbeiten. dabei kann es passieren, dass allein die aufschlüsselung des status quo plötzlich zu neuen erkenntnissen führt. es handelt sich um keine wunder, die in diesen momenten geschehen, sondern um die veränderung der blickwinkel und die bewusstwerdung einzelner aspekte.

man wusste zum beispiel schon immer, dass man bei anstehenden schreibaufgaben gern die küche von oben bis unten putzt und aufräumt, wäsche wäscht oder liegengebliebenes in aktenordner sortiert, nur um nicht den schreibprozess zu starten. bis zur schreibberatung war einem aber nicht bewusst, welche mechanismen einen eigentlich dazu bringen, dem schreiben so sehr auszuweichen.

doch wenn man anfängt aufzulisten, welche momente zu den ausweichhandlungen führen, wenn man sich in diesen momenten notiert, was man gerade denkt und wenn man über die angst, einen text zu verfassen, selbstreflexionen schreibt, dann schlüsseln sich oft die mechanismen stück für stück auf und man kann gegensteuern. da werden einem zum beispiel negative erwartungen, die man durch schule und erziehung erfahren hat, bewusster. oder man erkennt die momente, in denen die ausweichhandlungen starten, man weiß um die ganz konkreten auslöser und kann sie das nächste mal umgehen.

für diese entwicklungen in einer beratung bedarf es also keiner besonderen tricks oder geheimnisvoller mechanismen. es bedarf nur einer neutralen person, die von außen die angemessenen und konkreten fragen stellt, um sich seiner selbst bewusster zu werden. im nachhinein wundern sich viele menschen, weshalb sie nicht selber auf diese fragen gekommen sind, warum es ihnen nicht von allein bewusst wurde, wie sie ihren ausweichhandlungen ausweichen können.

und in diesen momenten kommt wieder das verdrängen ins spiel, dass ja auch einen schutz darstellt. wir schützen uns vor der „wahrheit“ oder Weiterlesen

selbstbefragung (146) – schreiben

die fragebögen zur selbstbefragung versuche ich unter rubriken zu bündeln. dieses mal geht es um das „schreiben“.

  • worüber schreiben sie am liebsten?
  • wo schreiben sie am liebsten?
  • wann fällt ihnen das schreiben schwer?
  • wenn sie einen bestseller schreiben würden, welchem buch wäre er ähnlich? warum?
  • von wem würden sie gern einen brief geschrieben bekommen?
  • wem würden sie gern eine geschichte schreiben? was für eine?
  • wieviel schreiben sie in der woche?
  • würden sie gern mehr schreiben? warum?
  • schreiben sie über sich selber und ihre erlebnisse?
  • woher kommen ihre ideen für das, was sie schreiben?

hier können sie weitere 1000 fragen als pdf-datei runterladen.

schreibpädagogik und fremde

viele verschiedene schreibgruppen bieten sich im zusammenhang mit der „fremde“ an. angefangen bei schreibreisen, die man in der gruppe oder auch allein unternehmen kann und die man mit texten zur reise begleiten kann, über schreibgruppen für menschen, die neu in deutschland angekommen sind und versuchen, sich zurecht zu finden, bis zu gruppen für menschen mit migrationshintergrund, die teilweise zwischen baum und borke sitzen und sich manchmal in ihren beiden lebensländern irgendwie „fremd“ fühlen.

je globalisierter die welt wird, um so leichter kann man „fremde“ orte aufsuchen, dort hinziehen (obwohl viele einreisebestimmungen, die immer noch verhindern) oder weit umherziehen. das kreative oder auch das biografische schreiben (z.b. tagebuch) bieten viele möglichkeiten, die eigenen eindrücke auszudrücken.

so kann man selbstreflexive texte verfassen, die widerspiegeln, wie man versucht fuss zu fassen, wie man erste kontakte knüpft, wo die unterschiede zur bisherigen „heimat“ liegen, welche schwierigkeiten einem begegnen und darüber wie man sich durch die äußeren einflüsse verändert, was man dazulernt, was einem gefällt und welchen spaß man in der „fremde“ hat.

oder man verwandelt die eigenen eindrücke in geschichten, transportiert sie in etwas kreatives. das kreative gibt weniger die eigene gefühlslage wieder, sondern lässt sich durch das neue, aufregende beeinflussen. man wird zu entdeckerInnen, die neue welten Weiterlesen

wissenschaftliches schreiben und selbstreflexion

das wissenschaftliche schreiben bietet in den vorstellungen vieler erst einmal keinen anlass zur selbstreflexion. man hat ein vorgegebenes oder gewähltes thema, man hat seine untersuchungs- und forschungsergebnisse und man verfasst den dazu notwendigen text. doch viele schreibende geraten exakt in diesem moment des schreibens in einen strudel aus unsicherheit, zweifeln und aufschiebende verhaltensweisen.

gründe für dieses verhalten wurden hier schon öfter thematisiert und im zusammenhang mit dem thema „schreibberatung“ angesprochen. wichtig erscheint es mir, noch einmal gesondert auf die chancen selbstreflexiver schreibanregungen einzugehen. denn in dem moment, in dem das schreiben eines wissenschaftlichen textes nicht mehr so flüssig vonstatten geht, wie man sich das wünscht, in diesem moment werfen einen gedanken und gefühle gern auf eine selbstkritische struktur zurück.

erst einmal spricht nichts gegen eine selbstkritische haltung. doch sie kann so ausgeprägt zu tage treten, dass sie weiteres schreiben verhindert und erschwert. die menschen lassen in diesen momenten kein gute haar mehr an sich. sie entwickeln eine gedankenschleife, die oft in den resümee enden, dass man alles noch besser machen könne und damit das eigene versagen schon vorprogrammiert wäre. dies ist auch eine form der selbstreflexion, die aber teile der realität aus den augen verloren hat.

ja, man kann jeden text, jede wissenschaftliche arbeit noch besser machen. aber gleichzeitig kommt man nicht drumherum festzustellen, dass die zeit für die erstellung der texte beschränkt ist und dass man sich auf sein arbeitsaufgabe beschränken muss. das gefühl der unzulänglichkeit bei der erfüllung einer wissenschaftlichen aufgabe, lässt sich durch selbstreflexive schreibanregungen teilweise wieder Weiterlesen

„das leben wartet nicht“ von ulrike scheuermann – ein veranstaltungstipp

am dienstag, den 25ten oktober um 19.30 uhr stellt ulrike scheuermann ihr neues buch in der „urania“ in berlin vor ( http://www.urania.de/programm/2011/h922/ ). der titel des buches lautet: „das leben wartet nicht – 7 schritte zum wesentlichen„. in einem vortrag werden die grundgedanken des buches vorgestellt.

in dem buch werden sieben schritte vorgeschlagen, um durch verschiedene und vielfältige selbstreflexive übungen die wesentlichen aspekte des eigenen lebens zu erforschen. ein großteil der übungen sind schriftlich, also für menschen geeignet, die gern schreiben und schreibtechniken anwenden, um sich selbst einen schritt näher zu kommen.

das buch ist anfang oktober bei knaur in der reihe „MensSana“ erschienen. ISBN 978-3-426-87555-1 .

schreibpädagogik und qual

ja, manche schreibgruppen können auch qualvoll sein, aber darum soll es hier nicht gehen, denn dies kann nur von gruppe zu gruppe betrachtet werden und benötigt einen blick auf die gruppendynamik. mir scheint es wichtiger, einen blick darauf zu werfen, wie man als schreibgruppenleitung damit umgeht, wenn es für einzelne teilnehmerInnen beim schreiben qualvoll wird.

es kann gut sein, dass man erst einmal nicht registriert, wie sehr sich einzelne teilnehmerInnen beim schreiben abquälen. die schreibatmosphäre in gruppen kann einerseits als anregend und motivierend empfunden werden, andererseits kann die atmosphäre enorm unter druck setzen. man registriert, dass die anderen sich in einem schreibfluss befinden und einem selber fällt nichts ein. da sitzt man nun und überlegt. eventuell kommt noch die erwartung dazu, dass man einen besonders guten text erstellen möchte.

ab diesen momenten können teilnehmerInnen von ihren selbstzweifeln so überwältigt werden, dass sich während der teilnahme an einer schreibgruppe, schreibblockaden einstellen. dies wird selten offen und direkt geäußert, selbst wenn eine entspannte stimmung in der schreibgruppe herrscht. die teilnehmerInnen schämen sich für ihr, in ihren augen, versagen. als schreibgruppenleitung kann man darauf aufmerksam werden, wenn jemand nie einen text vorlesen möchte oder bevor sie ihren text vorlesen schon einmal alles geschriebene in frage stellen.

es ist schwierig in diesem moment jemanden direkt anzusprechen, da dies die scham bei den teilnehmerInnen noch erhöhen kann. wenn man versuchen möchte, ein gespräch zu führen und nachzufragen, sollte man dies nie in der gruppe machen. in einem einzelgespräch kann man signalisieren, dass man für fragen und gepräche zur verfügung steht, wenn es schwierigkeiten mit dem schreiben gibt. in der gruppe kann man die regel aufstellen, dass die texte und geschichten vorgetragen werden, ohne vorab eine eigene bewertung oder einen kommentar abzugeben.

außerdem kann man als schreibgruppenleitung immer wieder feedbacks einfordern, wie die schreibanregung oder -übung für die teilnehmerInnen umsetzbar war. zusätzlich kann es hilfreich sein, ab und zu einmal einen selbstreflexiven text Weiterlesen

„schreibend lernen“ von gerd bräuer – ein buchtipp

dass schreiben mehr als nur das aneinanderreihen von von wörtern auf papier oder auf dem bildschirm ist, das habe ich hier oft beschrieben. doch was ist schreiben denn dann noch? gerd bräuer stellt in seinem buch „schreibend lernen – grundlagen einer theoretischen und praktischen schreibpädagogik“ die verbindung zur pädagogik und zu all den disziplinen her, in denen man im rahmen des lernprozesses schreiben muss.

dabei spannt er den bogen sehr weit und zeigt, dass beinahe jeder lernprozess durch diverse schreibtechniken, selbstreflexionen und gruppenarbeiten gefördert, verändert und vertieft werden kann. es geht ihm also nicht nur um die entwicklung im schreiben, sondern, um die ganzheitliche betrachtung, die alles andere aus dem umfeld und den lebensumständen einbezieht. schreiben (und seine pädagogik) sind sozusagen nur das vehikel, das den weg zu einem autonomeren lernen ebnet.

bei seinen betrachtungen bringt bräuer vor allen dingen erfahrungen aus dem amerikanischen und engschlischsprachigen raum ein und setzt sich mit den dort entstandenen theorien und praxisansätzen auseinander. denn die pädagogischen institutionen in den usa haben schon lang eine schreibkultur etabliert, die in ihrem rahmen einen diskurs über pädagogik und lehr-lern-verhältnisse entfachte. um es sehr verkürzt zu formulieren: wenn man erkennt, dass schreiben immer ein subjektiver prozess ist, dann wird auch lernen ein subjektiver prozess und die rolle der bewertung und beurteilung tritt in den hintergrund, denn wie sollen subjektive entwicklungen in einen notenkanon eingeordnet werden.

bräuer lenkt den blick von produktorientiertem schreiben („schreibe eine erörterung zu den thesen von xy!“) zu prozessorientiertem schreiben. dabei veröffentlicht er unzählige beispiele, schreibanregungen oder fragenkataloge für selbstreflexionen und selbstbefragungen. aus diesem pool lässt sich vortrefflich für sich selber als auch für lehrende oder lernende tätigkeiten schöpfen.

manchmal fragte ich mich beim lesen, ob der bogen der selbstreflexion nicht ein wenig überspannt wird, wenn man den schreibprozess dermaßen kleinteilig durchleuchtet. ob dies nicht ab einem bestimmten moment wieder vom „kreativen“ und „lustvollen“ schreiben und lernen abbringt vor lauter prozess-betrachtungen. irgendwann möchten vor allen dingen menschen, die noch wenige erfolge in ihren schreibbiografien erlebt haben, einen „erfolg“, ein „ergebnis“ in händen halten. ich möchte dabei die stete entwicklung und das lebenslange lernen auch über den schreibprozess nicht in abrede stellen, aber vielleicht muss nicht alles in einer ganzheitlichen selbsterfahrung enden.

doch ich kann das buch guten gewissens empfehlen, da es zu neuen betrachtungen des schreibprozesses anregen und diskurse verursachen kann, ganz abgesehen von den vielen praktischen vorschlägen, die zudem helfen, die theorie in die praxis zu tragen. das buch ist 1998 in innsbruck, wien beim studien-verlag erschienen. ISBN 978-3-7065-1308-1