„spontankunde“
was ist ein „spontankunde“? die antwort ist recht einfach: jemand der zum beispiel beschließt, „jetzt gehe ich noch schnell in den supermarkt, bevor er schließt“. das ist ein spontankunde. oder wenn sie bei der bahn am schalter ihre fahrkarte ohne vorbestellung im internet kaufen, dann sind sie auch ein spontankunde. der handel und viele dienstleistungen leben von den spontankunden und der spontankunde ist die normalität des kundendaseins. warum also ein spezielles wort für kunden verwenden?
weil die behörden der weltmetropole und hauptstadt berlin ihre probleme mit spontankunden haben. denn der spontankunde kommt zu den sprechzeiten spontan vorbei (also eigentich ist der spontankunde nicht wirklich spontan, da er sich schon an sprechzeiten orientiert) und überfordert den betrieb.
darum haben die bürgerämter der bezirks mitte dem spontankunden nur noch den montag reserviert (08.00 – 15.00 uhr – wartenummernvergabe maximal bis 13.00 uhr). hier kann man schon die wandlung vom spontankunden zum plankunden erleben. wie nun dem fernsehen zu entnehmen war, verkleinert sich das zeitfenster für spontane amtsbesuch zusätzlich enorm, dadurch dass der spontankunde eigentlich vor 08.00 uhr vor ort sein muss, um noch eine der beliebten wartenummern kurz nach 08.00 uhr zu erhalten, da eine stunde später keine wartenummern mehr ausgegeben werden.
der spontankunde wird also in berlin-mitte zum plan- oder terminkunden. die restlichen termine der woche werden nicht mehr spontan vergeben, sondern müssen per internet oder telefonisch vereinbart werden. das klingt erst einmal hübsch und soll die wartezeiten verkürzen, ist aber nur ein ausdruck des personalmangels. wenn schon vorher spontan die nachfragen nicht zu bewältigen waren, dann sind sie per terminvergabe erst recht nicht zu bewältigen. es wird also einen terminstau geben, der sich stetig summiert und dazu führen wird, dass in absehbarer zeit der nächste freie termin in ein paar monaten ist.
das wäre alles nicht so problematisch, wenn nicht gerade beim bürgeramt dinge erledigt werden müssten, die termingebunden sind (meldebehörde, verlängerung von ausweisen und dokumenten, ummelden und dergleichen mehr). doch das ist in berlin kein einzelfall. inzwischen bekommt man eigentlich von beinahe jeder behörde, wenn man mit einem antrag oder einem anliegen an sie herangetreten ist, die benachrichtigung, dass die post oder die mail eingangen sei, dass die antwort aber dauern könne. leider wird nie ein zeitfenster oder dergleichen mehr angegeben.
das bedeutet, nach der abschaffung des spontankunden wird auch der plan- oder terminkunde nicht mehr akzeptiert, sondern nur noch der wart- und verharrkunde, der sich spontan überraschen lassen kann, wann er denn nun eine antwort oder einen bescheid, eine entscheidung erhält. abgesehen von der verlorenen planungssicherheit, ist man den behördlichen abläufen vollständig ausgeliefert (und wird schon vorher darauf hingewiesen von nachfragen abzusehen). man ist also überhaupt kein kunde mehr, man ist inzwischen wieder bittsteller. berlin sollte den begriff spontankunde, der hier schnell einen bedrohlichen unterton erhält, ja subversiv über seine zeit verfügt, vollständig aus dem sortiment nehmen 😉