Schlagwort-Archive: statistik

wie man den spass am schreiben abgewöhnt (11)

zu wenig zeit

dem schreiben wird zu wenig zeit gegeben. betrachtet man sich unsere schulischen und hochschulischen ausbildungen, dann fällt eines auf: für mathematik, den damit verbundenen kaufmännischen, statistischen und methodologischen vorgehensweisen gibt es in allen ausbildungsgängen genug raum. doch für das schreiben, dem zweiten standbein unseres arbeitslebens und einer der grundlagen unserer kommunikation, wird vergleichsweise sehr wenig zeit zur verfügung gestellt.

es ist nicht nachvollziehbar, weshalb beim schreiben davon ausgegangen wird, dass es keine notwendigkeit des weiteren lernens gibt. besonders auffällig ist dies zum beispiel in den hochschulen, der wissenschaft und der forschung. studiengrundlage in beinahe allen fächern ist die statistik. doch kaum ein fach kommt auf die idee, das wissenschaftliche schreiben und recherchieren ebenso auf den plan zu setzen. hierzu würde gehören, wie man die angemessene literatur finden, wie man sinnvoll exzerpiert, wie man ansprechende präsentationen erstellt oder wie man abschlussarbeiten, forschungsberichte und hausarbeiten verständlich und schlüssig verfasst.

meist taucht die frage des schreibens für die lernenden erst dann auf, wenn es eigentlich zu spät ist. es wird sehr plötzlich und möglichst schnell versucht, sich die notwendigen weiteren schreibkompetenzen anzueignen. lehrende oder arbeitgeber wiederum sind entsetzt, was sie für texte von den lernenden erhalten. doch kaum jemand fordert bei uns, dass auch in fortführenden ausbildungen die weiterentwicklung des schreibens betrieben werden sollte. und wie geschrieben, im mathematisch-statistisch-kaufmännischen bereich ist es eine selbstverständlichkeit.

ich kann nur darüber spekulieren, weshalb dies so ist. eventuell liegt es daran, dass auch lehrende nie gelernt haben, dass schreiben gelernt werden kann. auch sie unterlagen der vorstellung „entweder man kann es oder man kann es nicht“. diese schlechte tradition geben leider viele weiter. machen sie doch einmal die probe aufs exempel und fragen sie ihre lehrenden nach hinweisen zum schreibstil. am besten fragen sie drei personen – und sie werden fünf antworten erhalten.

beim schreiben setzen viele voraus, dass der lernprozess mit der ausbildung an der schule ein für allemal abgeschlossen ist, und der rest nur noch feinheiten sind, die man sich selbst Weiterlesen

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wissenschaftliches schreiben und coolness

wissenschaftliches schreiben ist eigentlich pure coolness. keine andere schreibform zeigt weniger emotionen im text, vielleicht noch gebrauchsanweisungen, doch selbst juristen schreiben lebhafter. aus dem wissenschaftlichen schreiben wurden emotionen verband, um eine wie auch immer geartete objektivität zu bewahren. es ist der glaube, dass eine gefühllose und subjektlose sprache die reinheit der wissenschaften bewahrt.

betrachtet man jedoch die forschungsfelder und studien, ergebnisse oder erkenntnisse genau, ist eigentlich das gegenteil der fall. in alle untersuchungen fließen auch die auffassungen der forschenden mit ein. das beginnt bei einem menschenbild, das grundlage ist für die vorstellungen, was neue erkenntnisse für uns seien. es geht weiter über das forschungssetting und die frage, welche aussagen sich aufgrund von statistischen erhebungen treffen lassen und geht bis zur frage, wie viel persönliche meinung in einen wissenschaftlichen text einfließen darf.

gerade die naturwissenschaften vermitteln, dass es möglich wäre in einem menschenungebundenen neutralen raum forschen zu können. was für ein trugschluss. und so werden alle forschenden zu einer angemessenen coolness angehalten, die ihnen gerade einmal im schlusskapitel die möglichkeit eröffnet, persönlich position zu beziehen. man kann dies auch anders und nicht weniger wissenschaftlich handhaben. wissenschaft hat einen gemeinsamen kleinsten nenner: meinungen und thesen müssen belegt oder widerlegt also begründet werden. das hat zur folge, dass die behauptung auch von anderen durch experimente, befragungen oder studien belegt und widerlegt werden kann, die begründung also wiederholt werden kann.

doch momentan haben wir eine gegenteilige entwicklung: da keine zusammenhänge mehr erfasst werden, keine emotionen mehr im spiel sind, sondern beinahe alles nur noch auf mathematikbasierte statistiken runtergebrochen wird, fehlt in vielen zusammenhängen die eigentlich begründung. coolness ist exakt der richtige ausdruck dafür. denn coole kommunikation lässt möglichst alles menschliche außen vor und führt zu handlungen, die keiner menschlichen logik mehr folgen. doch durch dauercoolness verlieren wird den kontakt Weiterlesen

wissenschaftliches schreiben und unsicherheit

von außen betrachtet scheint es, wie wenn das wissenschaftliche schreiben unglaublich viele sicherheiten bieten würde. angefangen beim layout, beim aufbau eines wissenschaftlichen textes bis zu den zitierweisen und dem literaturverzeichnis existieren absprachen und regelungen. das eigentliche forschungssetting und der untersuchungsaufbau wiederum werden vorab mit zuständigen personen geklärt und abgesprochen. also scheint kaum platz für unsicherheiten zu existieren.

doch weit gefehlt, denn auch in forschung und wissenschaft menschelt es. in dem moment, in dem eine betreuung durch andere personen notwendig ist, kann sich alles wieder ändern. so eindeutig, wie es oft vermittelt wird, sind die strukturen einer wissenschaftlichen arbeit gar nicht. nehmen sie zehn wissenschaftlerInnen und berfragen sie sie, wie groß der persönliche anteil sein darf, wie stark sich jemand mit seiner meinung in einer wissenschaftlichen arbeit positionieren darf. sie werden mit großer wahrscheinlichkeit zehn verschiedene antworten bekommen – von der haltung, dass nur im diskussionsteil ein minimaler anteil an persönlichen statements der autorInnen auftauchen kann bis zur haltung, dass jederzeit persönliche statements abgegeben werden dürfen, wenn sie nur klar gekennzeichnet sind.

auch die kennzeichnung von zitaten wird verschieden gehandhabt, vor allen dingen bei internetverweisen, die auswertung von (statistischen) daten sowieso, ebenso wie die notwendigkeit von grundlagenliteratur. eigentlich spricht nichts gegen unterschiedliche arbeitsweisen in wissenschaft und forschung, wenn nicht parallel ständig vermittelt würde, es gäbe einen wissenschaftlichen konsens, eine klare struktur. dem ist nicht so und dem wird es auch nicht sein. die vergleichbarkeit von wissenschaftlichen arbeiten (vor allen dingen, wenn es darum geht, zu bewertungen und benotungen Weiterlesen

nabelschau (65)

neuropsychologie oder die bedrohung geht von den wahrsagern der naturwissenschaften aus. das schlimme internet, die bedrohung des menschlichen geistes. so oder ähnlich lassen sich etliche äußerungen von neurowissenschaftlerInnen, psychologInnen und gesellschaftsbetrachterInnen zusammenfassen. und sie berufen sich alle inzwischen auf erkenntnisse über die veränderungen der hirnstruktur beim nutzen des netzes. die neuropsychologie bringt es dann so schön auf den punkt, wenn sie den zusammenhang zwischen ergebnissen der gehirnwissenschaften und dem menschlichen verhalten herstellt.

um überhaupt zu erkenntnissen zu kommen, werden probanden diversen reizen ausgesetzt oder ihnen werden (denk)aufgaben gegeben und gleichzeitig werden hirnströme gemessen, wird die aktivierung von hirnregionen im mrt (magnetresonanztomographen) abgebildet. zwischen den messergebnissen, den aufgaben und reizen wird ein statistischer zusammenhang hergestellt, der eigentlich keine schlussfolgerungen zulässt. aber sie werden vorgenommen. eigentlich könnte man nur sagen: wenn ich das und das lese, dann wird mit einer wahrscheinlichkeit von xy % die und die hirnregion aktiver.

aha! und jetzt? jetzt wird das gemacht, was die zahlen einfach nicht hergeben: jetzt wird aus den vermuteten funktionen der hirnregionen und deren aktivierung auf das zurückgeschlossen, was der mensch wohl denkt und wie er denkt. das ganze verfahren ist sehr aufwendig und teuer, endet aber meist in kaffeesatzleserei. da wäre es interessanter, die menschen zu fragen, was sie denken, während sie den reizen ausgesetzt sind, während sie die (denk)aufgaben lösen. sie können sicher sein, bei hundert probanden werden sie hundert verschiedene antworten bekommen (auch wenn sich die inhalte der antworten annähern, so werden sie doch mit unterschiedlichen worten und im hintergrund in individuellen emotionalen zuständen geäußert).

woran das liegt? daran, dass wir subjekte sind. der eine proband sitzt zum beispiel gerade an einer hausarbeit und stellt sich für den versuch zur verfügung. er ist gestresst und erlebt das experiment in diesem zustand. die andere probandin hat sich gerade von ihrem partner getrennt und ist traurig. der nächste proband hatte die nacht vorher tollen sex usw. auch dies steckt alles in den hirnen der versuchspersonen, wird aber im versuchsdesign ausgeschlossen. denn man möchte „unverfälschte“ ergebnisse.

und so kommt man zu dem schluss, dass das surfen im internet unsere hirnregionen, unser denken verändert. aha! wahrscheinlich so, wie das tägliche stundenlange stumpfsinnige autofahren von berufspendlern dies auch tut. unser gehirn ist sehr anpassungsfähig, es kann sich den zielen des denkenden menschen anpassen. wenn ich mich also auf einen bild- oder textausschnitt konzentrieren möchte, dann kann ich das tun und alle anderen wahrnehmungen bis zu einem gewissen grad ausschließen. nur autisten haben teilweise die schwierigkeit, andere sinnesreize zu filtern.

die neuro-expertInnen gehen in ihren aussagen einen schritt weiter: sie stellen fest, dass der mensch, der regelmäßig surft, dinge schneller erfasst, aber oberflächlicher denkt. aha! die technik führt also zu einer kürzeren aufmerksamkeit? liegt wahrscheinlich an der menge der informationen, an den kurzen texten, an den vielen bildern, an der gehäuften zahl von sinneseindrücken? da kann man dann ja den umkehrschluss ziehen, dass menschen, die regelmäßig die bild-zeitung lesen (viele bilder, wenig text, durch große kontrastreiche lettern starke sinnesreize) oberflächlicher denken und ihre hirnstruktur sich verändert – oder?

und was sagt das über den menschen aus? nichts. doch eben diese unterschwellige bewertung Weiterlesen

nabelschau (64)

die abschaffung des blätterns oder sich einen wolf scrollen. ja, es ist doch ein lästiges unterfangen, ein buch umzublättern oder in einem blog die älteren posts durch klicken aufzurufen. das sagten sich zumindest die betreiberInnen von wordpress.com und haben mal eben das „blättern“ abgeschafft. wenn man nun durch die blogs bei wordpress.com scrollt, dann findet das scrollen einfach kein ende. es geht unendlich weiter.

das mag ja bei kleineren blogs ganz hübsch sein, doch bei einem blog wie diesem aus vier jahren mit über 2000 posts kann dies zur überflutung von leserInnen führen. da gefallen vielen kleine päckchen von maximal 20 posts definitiv besser. doch nicht der entwickler-crew. sie gehen davon aus, dass der mensch anders gestrickt ist, und schreiben, sich auf ihre statistiken berufend, dass beim „unendlichen“ scrollen mehr gelesen würde.

tja, das ist die krux mit den statistiken. es kann gut sein, dass neue besucherInnen sich flott durch einen blog scrollen und somit die statistik in die höhe treiben. doch die statistik erfasst eben nicht, wie zugeballert, überfordert oder erschrocken sich jemand fühlt. die aufhebung aller strukturen mag erst einmal ganz chic wirken, lässt leserInnen aber schnell sich haltlos fühlen. es ist eine frage der usability. beschränkungen auf die aktuellen, neuesten informationen werden meist bevorzugt und nicht das protzen mit allem vorhandenen.

ähnlich wirken die timeline-änderungen bei facebook. auch da kann sich im laufe der zeit ein gefühl, sich im weltall eines lebens verloren zu haben, einstellen. ich als leser bin gefordert, die beschränkung des lesens selbst durchzuführen. ich muss also eine entscheidung mehr treffen, mich selbst stoppen und mir in einer großen strukturlosigkeit selber eine struktur schaffen.

da mögen entwickler technischer neuerungen doch einmal das unverwüstliche buch anschauen: menschen würden bücher wahrscheinlich nicht so sehr schätzen, wenn es nicht die möglichkeit des blätterns gebe. wer möchte schon vor einem einzigen plakat sitzen und dort den text eines ganzen buches lesen. inhaltsverzeichnisse und einzelne seiten geben auch hier struktur und halt. vielleicht sollte man das blättern doch nicht abschaffen.

nach zahlreichen beschwerden bei wordpress.com (die erst einmal geflissentlich ignoriert wurden) kann man mit einem trick das blättern wieder aufrufen. so muss etwas in die fusszeile gesetzt werden. für die leserInnen des schreibschrift-blogs ergibt sich dadurch die zusätzliche information ganz am fuße einer seite nach 20 posts, zu sehen, dass über 5000 spam-kommentare inzwischen eingetrudelt sind. auch wenn dies keine weltbewegende info ist, so ist es ein abbild nerviger effekte des bloggens. und dann kann man fröhlich weiterblättern :mrgreen:

wortklauberei (98)

„einschaltquote“

die einschaltquote meiner kaffeemaschine liegt relativ hoch bei mindestens zwei mal am tag. bei manchen menschen wird die kaffeemaschine nie ausgeschaltet im laufe eines tages. statistisch betrachtet zählt das öftere an- und ausschalten eventuell mehr als das einmalige anschalten. aber es könnte sein, dass die zeitdauer der stromversorgung erfasst wird und somit in die statistik die nutzungsdauer mit eingeht. nun habe ich damit aber immer noch nicht erfasst, wer mehr kaffee trinkt.

ungefähr genauso unausgegoren scheinen einem die einschaltquoten des fernsehens. gut, der perfekte statistiker, versucht möglichst viele informationen vom zuschauer zu erhalten (so zum beispiel die minütliche erfassung des ein- und ausschaltverhaltens). dann gibt es noch befragungen, previews und testgruppen, nur um sehen, funktioniert ein programm, eine sendung oder nicht. denn danach können dann rankings der beliebtheit und der kaufkraft ermittelt werden.

der begriff „einschaltquote“ soll das zuschauerverhalten in prozenten abbilden. aber wie das mit quoten so ist (siehe „die frauenquote“) kann mit der zahl keine qualitative aussage getroffen werden. der beginn des irakkriegs hatte weltweit eine hohe einschaltquote, ebenso der tsunami in japan, aber gleichzeitig hatten beide eine tragische komponente. das wort einschaltquote erscheint plötzlich ebenso bedeutungslos oder aussage-un-kräftig wie anwesenheitslisten in lehrveranstaltungen.

was auch der beste sozialpsychologe experimentell nicht erfassen kann, ist die tagesform der zuschauerInnen. nehmen sie überhaupt wahr, was da über den bildschirm flimmert. da wird zum beispiel immer die bedeutung der jungen kaufkräftigen generation für die werbeeinnahmen ins feld geführt. zynisch formuliert, leidet diese generation vor allen dingen unter aufmerksamkeitsdefiziten. ob die die werbung noch wahrnehmen? vielleicht brüllen einen deswegen die werbetrailer so an, um das defizit zu kompensieren 😉 .

auch nicht erfasst wird die qualität des alternativprogramms. heutzutage werden wir zur entspannungszeit des abends gequält mit miesem programm und wählen wahrscheinlich zwischen den kleineren übeln. doch das fragt niemand ab, wenn zwischen den casting-shows geswitcht wird. die tollen filme und dokumentationen, die wahrscheinlich mehr menschen interessieren würden, werden in die nacht verbannt. der kaufunlustige intellektuelle nachtmensch ist dann unterwegs. aber selbst dem fallen bei nicht vorherrschendem aufmerksamkeitsdefizit irgendwann in der nacht die augen zu. die einschaltquote wird höher sein, als die vielen sofaschläfer vermuten ließen.

ich will ab sofort die ausschalt- oder einschlafquote mitgeteilt bekommen!

100 000 besuche in dreieinhalb jahren – auch ganz hübsch

dieser blog ist kein rekordverdächtiger blog, aber er hat seinen platz in der großen welt des webs gefunden. und heute wurde dann bei der besuche-zählung (die nicht unbedingt 100-prozentig vertrauenswürdig ist) die 100 000er-marke überschritten (60 bis 90 besuche pro tag im durchschnitt). es ist einfach nur ein hübscher anlass, ein wenig zu resümieren.

für die statistiker: der blog existiert seit beinahe exakt dreieinhalb jahren, übermorgen wird das 2000ste post veröffentlicht, ungefähr 4460 schlagwörter (tags) sind verbraten worden und ca. 380 kommentare abgegeben worden. immer mehr menschen finden über die suchmaschinen ihren weg auf diese seite und das freut eigentlich am meisten. manch eine(r) meldete zurück, dass die menge ein wenig erschlagend wäre. das lässt sich schwer vermeiden, wenn man regelmäßig bloggt.

ich versuche manche infos zu bündeln, aber natürlich kann ich damit immer nur einen teil erfassen. darum abermals die empfehlung, die suchefunktion oben links im blog zu nutzen. sie ist oft hilfreicher als die suche über suchmaschinen, denn in den suchmaschinen sind weiterhin nur die gefragtesten posts zu finden, doch nicht unbedingt die interessantesten. so platzieren sich gerade die schreibideen 1 und 4 immer wieder recht weit oben, obwohl ich sie selber als recht schluffig empfinde. da gab es eine entwicklung bei den schreibideen. hier empfiehlt es sich eher den gebündelten überblick zu nutzen und sich an den themen zu orientieren.

zwischendurch kam mal kurz das gefühl auf, dass mir nichts mehr einfalle zur schreibpädagogik. inzwischen macht sich das gegenteilige gefühl wieder breit. das hat sicherlich auch damit zu tun, dass biografisches und kreatives schreiben (aber auch schreibpädagogik, schreibberatung und schreibgruppen) langsam immer populärer im deutschsprachigen raum werden. eine schöne entwicklung. darum geht es hier so weiter, wie in den letzten jahren. sollte es änderungsvorschläge geben, freue ich mich über die rückmeldung.

danke für das interesse, weiterhin viel schreiblust,

christof

wissenschaftliches schreiben und erfolg

beim wissenschaftlichen schreiben lässt sich der erfolg recht leicht messen: entweder wurde die aufgabe, der abschluss oder die untersuchung erfolgreich abgeschlossen und dementsprechend bewertet oder veröffentlicht. oder es hat alles nicht funktioniert und das geschrieben genügt nicht den erwartungen der anderen. das ist aber meist das minimum, das wissenschaftlerInnen, forschende und studierende erreichen wollen.

in der wissenschaft wird benotet. und wenn es nicht die schulischen noten von 1 bis 6 sind, dann sind es bewertungen wie „summa cum laude“. leider unterscheiden sich heute viele studiengänge nicht mehr groß von der schule (gut der name ist ja auch hoch“schule“ 😉 ). so ist das korsett eines studiums häufig eng geschnürt. entweder stehen von anfang an stundenpläne für die jeweiligen semester fest, es wird eine schnelle, effiziente lehre angeboten und schriftliche tests, klausuren oder hausarbeiten ähneln den prüfungen in der schulzeit.

es ist etwas verloren gegangen, das eigentlich einmal das wissenschaftliche arbeiten ausmachte: eigene gedanken formulieren, verbindungen herstellen, die bis dahin nicht gedacht wurden, sich aus einer auswahl die lehr- und lernangebote auswählen, die einen interessierten. erfolg entstand dadurch, dass man sich im eigenständigen denken und forschen bewährte. heute befindet man sich in der gleichen abhängigkeit von der tagesform der dozentInnen wie früher von den lehrerInnen. das notensystem ist schon immer ein subjektives gewesen, entscheidet aber von anfang an über den abschluss eines studiengangs.

dadurch bekommt das wissenschaftliche schreiben auch eine ganz andere funktion: es muss „funktionieren“. das bedeutet, es wird oft mehr wert auf die standards gelegt als auf das forschungsinteresse. die notengebung zwingt zu einer vergleichbarkeit wissenschaftlicher ergebnisse, die so nie gegeben sein wird. also wird ein ganz bestimmtes schreiben trainiert, das langweilig, Weiterlesen

„payback“ von frank schirrmacher – eine buchkritik

schnell machte die botschaft vom neuen buch frank schirrmachers die runde. er nahm sich das internet, den computer, die digitale revolution vor und formulierte vor allen dingen eingangs seine verzweiflung ob der entwicklung der digitalen welt. dadurch fühlten sich viele angesprochen, die das gefühl haben, den trends der zeit nicht mehr folgen zu können, sich unter druck gesetzt zu fühlen und an der qual der (aus)wahl im riesigen angebot zu scheitern.

man könnte nun das buch „payback – warum wir im informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir nicht tun wollen, und wie wir die kontrolle über unser denken zurückgewinnen“ zu den kulturpessimistischen äußerungen über das internet und seine folgen zählen, doch frank schirrmacher betont in regelmäßigen abständen, dass er den computer gar nicht verteufelt, das internet nicht abschaffen möchte. dennoch listet er seite um seite die üblen machenschaften um das internet und die algorithmen mit dem ziel den menschen zu simulieren und zu lenken auf. doch bis zum schluss bleibt er trotzdem die begründung für seinen untertitel schuldig, dass uns das informationszeitalter zu handlungen zwinge.

meiner ansicht begründet sich dies in der hauptannahme des buches, die immer wiederholt wird aber dadurch nicht schlüssiger wird. informationen würden aufmerksamkeit rauben. und so viele zur verfügung stehenden informationen könnten nur dazu führen, dass wir nicht mehr herr der lage seien. hier ein paar bemerkungen dazu.

  • wenn wir davon ausgehen, dass informationen uns zwingen aufmerksamkeit zur verfügung zu stellen, dann ist herr schirrmacher als herausgeber einer großen überregionalen zeitung mit schuld an der entwicklung, zu viele informationen zu bekommen. denn wer kann an einem tag die faz in einem rutsch lesen, also alle informationen aufnehmen. wir selektieren, auch unsere tageszeitungen, die meist für einen menschen viel zu viele informationen enthalten. warum sollte uns dies beim internet nicht gelingen?
  • weil wir einem hype aufsitzen, der uns suggeriert, wir müssten alles mitmachen, um dazu zu gehören. diesem hype sitzt herr schirrmacher anscheinend auch auf. hat er schon einmal versucht ein paar seiner technischen geräte zwischendurch abzuschalten, sms und twitter nicht zu verwenden und vielleicht nicht alles zu glauben, was trend ist. denn sonst hätte er schon vor der digitalen revolution mindestens zehn tageszeitungen lesen müssen, um wirklich informiert zu sein. der journalismus lebt davon, dass von anderen vorselektiert wird, dass nur ein teil wahrgenommen wird. und der zeitungsartikel, auch in der faz, lebt vom mut zur lücke. diesen mut verliert herr schirrmacher beim anblick digitaler geräte und erklärt den zwang durch diese für unausweichlich.
  • bei der begründung dieser unausweichlichkeit beweist er allerdings übermäßigen mut zur lücke. er hat einen narren am sozialpsychologischen experiment gefressen und zitiert eine untersuchung nach der anderen. zum einen wird diese meist quantitative vorgehensweise der sozialpsychologischen experimente in der fachwelt seit jahrzehnten diskutiert, in hinblick auf die frage, wieweit die experimente die realität abbilden und erfassen können. eine der treffendsten kritiken besteht darin, dass sie das subjekt mensch zum objekt degradieren und nur durch die verfeinerung der variablen trotz allem nicht die handlungsgründe des einzelnen erfassen können. zum anderen kritisiert frank schirrmacher die statistikgläubigkeit der suchmaschinen und ihre mathematischen herleitungen, zitiert aber vor allen dingen sozialpsychologische erkenntnisse, die vor allen dingen auf statischen auswertungen beruhen. ein widerspruch, den das buch nicht klärt.
  • und, größter fehler des buches, er verallgemeinert gnadenlos. im gleichen maße überschätzt er die wirkung von werbepsychologischen strategien, die auch bis heute nicht bewiesen sind. die krux bei dieser weltsicht besteht darin, dass die gesellschaftlichen bedingungen nur am rand, runtergebrochen auf das individuum betrachtet werden. es wird nicht danach gefragt, woher denn der erfolg des internets rührt, weshalb die menschen meinen, es verwenden zu müssen, wer ein interesse daran hat, dass wir schneller kommunizieren, viele informationen ansammeln und welche sanktionen uns erwarten, wenn wir uns manchen entwicklungen verweigern.
  • aus dem blickwinkel schirrmachers scheint seine analyse logisch, doch die grundlagen seiner analyse bleiben nach vollständiger lektüre fragwürdig. zumindest streut er ab und zu zweifel an der eigenen überzeugung ein. wieweit kann ein algorithmus menschliches handeln vorhersagen? der mensch folgt eben keiner mathematischen logik und brachte deshalb alle protagonisten des sozialpsychologischen experiments ins schwitzen. die kontrolle haben die wissenschaften verloren, nicht unbedingt die nutzer des web.
  • verständlich ist die ohnmacht, die der einzelne empfinden muss, wenn er dem gedanken folgt, dass es sich bei den auswirkungen des informationszeitalters um evolutionäre entwicklungen handelt. denn die sind dann unumkehrbar und verändern uns menschen zu kleinen robotern. aber das wurde schon in so vielen zusammenhängen vorhergesagt und hat nie funktioniert. (denn sonst gäbe es keine menschen mehr, die an pseudokrupp erkranken oder bei denen feinstaub zu krebs führt). noch einmal, der reflektierende mensch unterliegt nicht mehr der evolution, er hat sich ihr entzogen. also geht es darum, einfluss auf die verfügung über das internet zu nehmen, auch auf die ausformungen des internet, aber nicht darum, sich einer imaginären manipulation zu erwehren.
  • noch ein punkt, der am buch stört. viele technische geräte und ebenso die „informationen“ werden beschrieben wie handelnde wesen, die absichten verfolgen. denen etwas eingepflanzt scheint, das sie willentlich weitergeben. die geräte sind aber werkzeuge und ihre handhabung ist höchstens tradiert, also gesellschaftlich vermittelt. ich kann einen hammer auch immer noch benutzen, um eine glühbirne auszuschalten, doch ich habe im vorfeld gelernt, dass das ganz schön teuer wird und ich mich dabei verletzen könnte. ähnlich verhält es sich mit dem computer: ich kann ihn zu einem wesen stilisieren, das mir sagt, per botschaften, wie ich informationen zu verarbeiten habe und ich folge ihm willig. ich habe aber gesellschaftlich vermittelt gelernt, dass es sich um eine maschine handelt, die von menschen modifiziert wurde. also beschwere ich mich eher beim programmierer über die miese software, wenn das werkzeug nicht richtig funktioniert. oder beim hammerhersteller, wenn mir der metallklotz beim hämmern immer vom holzgriff saust und glühbirnen zerschlägt.

interessanter wäre ein buch gewesen, das einmal dezidiert die subjektiven erfahrungen mit den modernen technologien und der digitalen revolution beleuchtet, das aufzeigt wie sehr man sich von gesellschaftlichen erwartungen drängen lässt und das einen gegenversuch, nämlich digital zu prokrastinieren, schildert. doch so bleibt „payback“ von frank schirrmacher doch nur kulturpessimistisch, auch wenn es so nicht sein soll.
das buch ist im karl blessing verlag in münchen 2009 erschienen. ISBN 978-3-89667-336-7

bloggen als selbsterfahrung (2)

man muss anscheinend erst eine zeitlang ins blaue hinein bloggen, bis sich der blog so etabliert, dass immer mehr zurückmeldungen kommen und ein interesse am blog entsteht. bei manchen blogs habe ich das gefühl, sie haben einfach zu schnell aufgegeben.

es ist aber auch die frage, was man von einem blog erwartet. die besuchermassen sind bei einem blog zur schreibpädagogik nicht zu erwarten. es zeigt sich aber an den suchbegriffen, dass sich immer mehr menschen hier wiederfinden, für die auch die posts gemacht sind. das gefällt mir. einziges problem, das mit der „schreibschrift“, die so viele lernen wollen. ich hätte nie gedacht, dass es so viele menschen gibt, die im internet nach schreibschriften und ihren ausführungen suchen. diesen habe ich ein kleines angebot gemacht, wo sie weitere informationen finden können, doch da gehen die wenigsten hin. anscheinend ist die geduld dann doch zu gering, sich einmal kurz umzuschauen. finde ich nicht schlimm, da ich auch zur suchmaschine zurückkehre, wenn ich denke „hier bin ich falsch“.

spaßig finde ich es, dass ich von manchen direkt mit name gesucht werde. da würde mich natürlich interessieren wer das ist. vielleicht suchen die aber auch den zahnarzt, der den gleichen namen wie ich hat oder sich zumindest manchmal genauso schreibt.

vielleicht können sie das nächste mal eingeben „christof zirkel gesucht von xy“, das sehe ich dann in der blogstatistik und weiß, wer mich auf dieser welt sucht. ansonsten findet man in diesem blog aber auch meine mailadresse, um sich direkt an mich zu wenden.

die ideen gehen weiterhin nicht aus, der selbstversuch für die masterarbeit ist abgeschlossen, jetzt wo es erst richtig interessant wird. zum beispiel das post zu den schwulen suchmaschinen, hatte es doch gleich in der folge 20 neue spam-kommentare, die gefunden wurden. entweder lag es am tag oder doch am begriff, kaum taucht „schwul“ auf, wird schon gespamt. wahrscheinlich mit vorliebe zu viagra. erstaunlich, was sich im hintergrund immer so ergibt. vielleicht sollte ich zu jedem post das schlagwort „schwul“ schreiben und ich würde alle rekorde an spam-kommentaren brechen 😀