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schreibpädagogik und verwandlung

schreibgruppen wandeln sich, wie andere gruppen auch, beständig. die klassischen phasen der gruppendynamischen entwicklung lassen sich bei ihnen ebenso nachvollziehen. doch mir geht hier um die besonderheiten der verwandlung einer schreibgruppe. wie zu erwarten hat dies mit der entwicklung der teilnehmerInnen zu tun.

nach der phase des kennenlernens gibt es in schreibgruppen meist noch eine recht große zurückhaltung, den anderen teilnehmerInnen eigene texte zur verfügung zu stellen. es ist für alle mitglieder einer schreibgruppe ein großer vertrauensvorschuss gegenüber den anderen, eigene geschichten zur diskussion zu stellen. denn in jeden schreibprozess fließen auch persönliche anteile ein und man möchte, dass mit der eigenen veröffentlichung angemessen umgegangen wird. als schreibgruppenleitung kann man diesen prozess steuern, indem man vom ersten moment an feedbackregeln mit den teilnehmerInnen festlegt. auf diese regeln können sich alle verlassen.

im laufe der zeit hilft dieser abgesicherte modus beim schritt in die öffentlichkeit. es ist meist zu beobachten, dass nach anfänglicher zurückhaltung, die eigenen texte vorzutragen, alle das bedürfnis verspüren, rückmeldungen zu ihren texten zu erhalten. hat einmal bei einer feedbackrunde jemand den anfang gemacht, reihen sich meist die teilnehmerInnen willkürlich aneinander. und, was mir an dieser verwandlung am wichtigsten ist, es verursacht weder probleme noch diskussionen, wenn einzelne teilnehmerInnen einzelne texte nicht vorstellen wollen. ohne feedbackregeln kommt es eher zu situationen, in denen einzelne teilnehmerInnen gedrängt werden, ihre texte zu verfügung zu stellen. hier sollte man als gruppenleitung auf die verwandlung der gruppe vertrauen.

für die veränderung des gruppenverhaltens förderlich ist auch die kleingruppenarbeit. diese ermöglicht eine diskussion, überarbeitung und Weiterlesen

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wund-starr-krampf (07)

fussball – nachgetreten

ja, man könnte es ruhen lassen, denn es sollte nicht sein. war ja nur ein spiel und somit ist das kapitel männer-fussball-em erledigt. mir scheint aber, dass man einmal nachschauen sollte, was da eigentlich für mechanismen sowohl im vorfeld, als auch im nachhinein im spiel sind. denn die ganze kiste kommt nicht so harmlos daher, wie dann gern getan wird.

so hysterisch war es noch nie. mit ein paar jahresringen im holz erinnert man sich an die diversen meisterschaften. klar, teilweise waren die strassen leer, aber diese em hat so manchen rekord gebrochen. schon das erste spiel entmenschlichte den öffentlichen raum. das war aber kein zufall, sondern eine folge des medialen wahnsinns. tage vorher war auf allen medialen kanälen nichts anderes mehr zu vernehmen als die vorbereitung auf das spiel. da sah man es auch nicht so eng, dass konsequent für die fanmeile in berlin (eine privatwirtschaftliche angelegenheit) werbung gemacht wurde. seriöse nachrichten verkamen zu einer fussball-hofberichterstattung. der effekt: nicht verlieren können (dazu gleich mehr).

so politisch war es noch nie. nein, ich meine nicht das fernbleiben der kanzlerin und den hauch kritik an den undemokratischen verhältnissen in der ukraine. ich meine die tatsache, dass medien im schulterschluss mit den regierenden die em zu einer nicht-politischen veranstaltung erklärten und ja alles so hübsch in der ukraine war. man hätte das auch ganz anders thematisieren können, doch das war nicht erwünscht. hier ist keine trennschärfe mehr erkennbar. das ist das politische und bedenkliche (ähnliche berichterstattungen finden sich zum beispiel beim thema steigende strompreise, wenn wir die energiewende wollen).

so viele steuergelder wurden noch nie verschwendet. die preise für übertragungsrechte steigen beständig. da man sich anscheinend dem marktdenken des fussballs (der sowieso schon von der sporthilfe gefördert wird) anpasst und auch hier kein kritisches wort mehr verliert (aus der tour de france hat man sich einmal wegen kritischer momente zurückgezogen), wird inzwischen zu jeder tages- und nachtzeit zusätzlich werbung eingeblendet. doch nicht genug damit. die sendezeiten der öffentlich-rechtlichen sender werden kurzfristig geändert und spiele, die gerade gesendet wurden, gleich noch einmal ausgestrahlt. es gibt keine alternativen mehr (die privaten passten sich so weit an, dass sie eigentlich nur noch dauerwiederholungen sendeten). medial herrschte bald einen monat ein ausnahmezustand.

so schlecht wurde noch nie verloren. man muss es ja auch einmal auf den sportlichen punkt bringen. seit über 10 jahren verliert die deutsche mannschaft. doch vorher wird jedesmal propagiert, man könne jede mannschaft schlagen. und wie erbärmlich dann die folgen: niemand geht beim endspiel mehr zur fanmeile (also geht es doch um nationalismus und nicht um den schönen sport). man kann sich auch nicht für die andere mannschaft freuen. es kommt zu einer skurrilen emotionale verquickung eines sportereignisses mit offenem ausgang und nationaler gefolgschaft. ja, man stilisiert das nicht-gewinnen zu einem sommermärchen hoch, um irgendwie das gesicht zu wahren. was für altbackene rituale – wenn man schon meint, sich in wettbewerb mit anderen begeben zu müssen.

man ahnt, was in zwei jahren auf einen zukommt. nun ist man erst einmal spielverderber 😉

wortklauberei (99)

„billiges geld“

jupp, wieder etwas doppeldeutiges. also erst lernt das kind, geld ist geld, und dinge kosten davon einiges, wenn man sie haben möchte. es gibt festpreise und schnäppchen. beim billigen einkaufen zahlt man wenig für viel. doch dann kamen findige köpfe aus den ökonomie-zonen auf eine idee: warum die preise senken, man kann ja auch das geld billiger machen. die einen nennen es inflation, wenn es für das geld nichts mehr gibt, es nichts mehr wert ist. die anderen nennen es „billiges geld“, wenn das geld weniger kostet aber gleich viel wert ist.

es klingt wie die quadratur des kreises. gehen sie einmal in ihre bank und sagen am schalter: „ich hätte gern fünfzig euro für zwanzig euro.“ ihnen wäre zu ohren gekommen, es gebe von der ezb billiges geld. da wird man ihnen sagen, dass sie das nicht bekommen, sondern nur die banken. und das geld sei nicht billiger, nur die zinsen, die man für das geliehene geld zahlen müsse. sie beliefen sich auf ein prozent. „oh, da nehme ich auch was von. ich hätte dann gern einhundert euro zu einem prozent zinsen.“ und abermals wird die bank ihnen erklären, das gehe so nicht. es solle doch nur der stützung des marktes dienen, damit die banken genug geld hätten, um es zu mehr zinsen weiterverleihen zu können und zu wollen. sie sagen abermals, das würde ich auch gern machen. ich leihe mir also bei ihnen 200 euro zu einem prozent zinsen und verleihe es wieder zu drei prozent zinsen (damit liege ich allemal unter ihren konditionen).

doch auch in diesem moment versteht ihre bank keinen spaß. sie wird ihnen erklären, dass sie das nicht dürfen. da haben sie noch eine frage: „wenn ich das richtig verstanden habe, dann bekommen sie als bank billiges geld, da ich einen großen teil meines geldes wiederum an den staat gebe, der es der ezb gibt, die es billig an sie weitergibt? dann ist es doch nur für sie billig, mich kommt es aber teuer zu stehen?“ da hätte man etwas falsch verstanden, werden sie ihnen sagen. würde das nämlich nicht geschehen, würde sie als bank keine kredite mehr vergeben. sie sagen nur noch einen satz: „dann haben sie ihren beruf verfehlt.“ und am nächsten tag schreiben sie an den finanzminister, sie wollten ihr billiges geld zurück, es würde ja unter wert vergeben, sie hätten dafür aber ganz schön geschuftet.

sie können sicher sein, ab diesem moment wird man sie für nicht mehr geschäftsfähig erklären, sie als verrückten einordnen. und dabei hatten sie doch nur als kind gelernt, dass geld zwar wert verlieren kann, aber nicht billiger werden kann. so hatten sie nicht gewettet, als sie steuern als gesellschaftlichen beitrag befürworteten, nun sind sie nur noch ein finanzgesellschaftlicher beitrag 😡

nabelschau (55)

privatisierung der demokratie. seltsames geschieht gerade. vertreterInnen europas fahren nach china, um anteile an europa zu verkaufen. hier wird aber etwas verkauft, das nur ideell existent ist: ein land, eine nation, ein zusammenschluss, absprachen und verträge und ein politisches bündnis. aber wer hat diesen verkaufsverhandlungen zugestimmt? wurde das im bundestag von den volksvertreterInnen abgesegnet, dass hier anteile an wirtschafts- und gesellschaftszusammenschlüssen zum verkauf stehen?

was ist also eine staatsanleihe, ein staatlicher kredit, der rettungsschirm, der gehebelt werden soll, in der realität? es sind die grundlagen unserer gesellschaft, die durch steuern und mitsprache der bürger geschaffen und aufrecht erhalten werden. die instrumente der steuerung für die bürger sind die wahlen, ist die mitsprache im demokratischen ganzen. dies steht nun also zum verkauf, in anteile zerschnitten und ohne klare preisvorstellung. in den nachrichten wurde schon formuliert, dass es sein kann, dass china gegenleistungen erwartet, wenn es sich finanziell an unserer gesellschaft beteiligt.

da wird was schräg: ein ideeller zusammenschluss beteiligt sich finanziell an einem anderen ideellen zusammenschluss, um was zu tun? wenn man es runterbricht, dann geht es nicht um so etwas wie aktien, bei denen geld zur verfügung gestellt wird, um mit hilfe von produktionsmitteln und arbeitskraft mehrwert zu schöpfen. es geht darum, dass steuern, die der entlohnung einzelner entnommen werden und der organisation des gemeinwesens dienen, entnommen werden, um ein größeres gemeinswesen zu organisieren und zu retten.

so weit, so gut. doch nun wird das gemeinwesen selbst zur finanziellen verhandlungsmasse. oder anders gefragt: wie viel ist ein gemeinwesen wert? auf welchen wertvorstellungen basiert die berechnung? noch ein stück runtergebrochen: was kostet demokratie? wie groß war das geschrei ob der „heuschrecken“, die produktionsmittel und arbeitskraft aufkauften, um gewinn abzuschöpfen. doch wie schöpft man einer demokratie gewinn ab?

vielleicht sollten wir anfangen, unsere eigenen stimmanteile zu verkaufen. die stimme für den bundestag ist höher zu bewerten als die für landtagswahlen. und der wert für eine stimme bei den europawahlen steigt gerade beträchtlich, je mehr befugnisse das europäische parlament erhält. es findet also nichts anderes statt, als die privatisierung der demokratie, ohne die demokratischen instrumente einzusetzen. die europäische bevölkerung hat nicht beschlossen, ihre steuern für das gemeinwesen zu einem anlagefonds umzuwandeln. hier wird wirtschaftliche leistung mit gesellschaftlichen werten gleichgesetzt. das kann nur schief gehen.